Hintergrundbild: Öffentliche Zugänglichmachung oder Beiwerk?

Bild im Bild und das Urheberrecht: Muss für ein Bild oder ein anderes Kunstwerk, das im Hintergrund eines Fotos zu sehen ist, eine gesonderte Lizenz erworben werden, wenn dieses Foto dann auf einer Website oder in einem Katalog veröffentlicht werden soll? Oder handelt es sich dabei nur um ein unwesentliches Beiwerk nach § 57 UrhG? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in seinem Urteil „Möbelkatalog“ vom 17.11.2014, Az. I ZR 177/13 mit dieser Frage beschäftigt und entschieden: Es kommt darauf an, welche Bedeutung das mit abgebildete Werk für die Gesamtwirkung des Fotos hat.

Bild als Hintergrund: Worum geht es?

Der Kläger ist Urheber des Gemäldes „ohne Titel 2002/08“. Die Beklagte produziert und vertreibt Büromöbel. Im Jahre 2008 vereinbarten die Parteien, mehrere Werke des Klägers auszustellen. Dazu zählte auch das Gemälde „ohne Titel 2002/08“, das der Kläger der Beklagten zu diesem Zweck im August 2008 zur Verfügung stellte.

Nach Rückgabe des Gemäldes bemerkte der Kläger, dass im Katalog der Beklagten eine Fotografie veröffentlicht worden war, auf der neben den Möbeln auch sein Gemälde zu sehen war.

Das Foto ist in der amtlichen Urteilsveröffentlichung auf Seite 3 wiedergegeben: Bei dem mit abgebildeten Gemälde handelt sich um ein großformatiges Werk mit den Maßen 220 cm x 190 cm. Nahezu die Hälfte der Fläche ist in leuchtend roten Farbtönen gehalten, worüber sich wiederum ein breiter sonnengelber Streifen befindet. Dieses Gemälde hängt im Hintergrund der Szenerie an der Wand. Im Bildaufbau des Fotos bildet das Gemälde mehr oder weniger das Zentrum an der Schnittstelle von horizontaler und vertikaler Mittelachse.

Diese Fotografie war zudem auf der Internetseite der Beklagten abrufbar. Ein Hinweis auf den Kläger als Urheber des Gemäldes fehlte jeweils.

Der Kläger sah in dem Verhalten der Beklagten eine Verletzung seines Urheberrechts. Auf seine Abmahnung hin gab die Beklagte eine Unterlassungserklärung ab, verweigerte aber eine ebenfalls verlangte Auskunftserteilung. Der Kläger beantragte zuletzt im Wege der Stufenklage, die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über die Verwendung des Bildes auf der Website der Beklagten, an sonstigen Stellen im Internet einschließlich sozialer Netzwerke und/oder offline, etwa in Katalogen. Zudem kündigte der Kläger an, die Beklagte nach erteilter Auskunft auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr in Anspruch zu nehmen.

Die Beklagte verteidigte sich unter anderem damit, die Abbildung des Gemäldes des Klägers in dem Foto stelle lediglich unwesentliches Beiwerk der Produktpräsentation dar und sei daher ohne weiteres zulässig gewesen.

Erstinstanzlich blieb der Kläger erfolglos: Das Landgericht Köln wies die Klage mit Urteil vom 24.01.2013, Az. 14 O 409/12, ab. Die hiergegen gerichtete Berufung wies das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 23.08.2013 zurück. Der Kläger legte nun Revision zum Bundesgerichtshof ein.

Ergebnis: Wie entschied der Bundesgerichtshof?

Der Bundesgerichtshof urteilte in einem juristischen Dreisprung: „Es kommt darauf an“ – und verwies den Rechtsstreit zur weiteren Entscheidung zurück an das Oberlandesgericht Köln.

_ Gemälde als urheberrechtlich schutzfähiges Werk der bildenden Kunst

Das Gemälde unterliege als Werk der bildenden Kunst dem Schutz durch das Urheberrecht:

„Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist für die revisionsrechtliche Prüfung davon auszugehen, dass das vom Kläger geschaffene Gemälde ‚ohne Titel 2002/08‘ gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG als Werk der bildenden Kunst urheberrechtlichen Schutz genießt und die Beklagte durch die Abbildung des Gemäldes im Katalog und auf der Internetseite – vorbehaltlich des Eingreifens einer Bestimmung über die Schranken des Urheberrechts – widerrechtlich und schuldhaft in das ausschließliche Recht des Klägers zur Vervielfältigung ( § 15 Abs. 1 Nr. 1 , § 16 UrhG ) und der öffentlichen Zugänglichmachung ( § 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 , § 19a UrhG ) eingegriffen hat.“

_ Bestimmung des Hauptgegenstandes: Nur die Fotografie

Nach § 57 UrhG sei die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken zulässig, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind. Die Bestimmung erfasse auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne von § 19a UrhG.

Die Prüfung, ob ein Werk im Sinne von § 57 UrhG unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe ist, setze zunächst die Bestimmung dieses Hauptgegenstands voraus. Im konkreten Streitfall sei nicht auf den gesamten Katalog oder den gesamten Internetauftritt der Beklagten als eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe im Sinne von § 57 UrhG abzustellen. Vielmehr sei auf die Fotografie als solche abzustellen.

__ Enge Auslegung

57 UrhG sei wie alle gesetzlichen Schranken des Urheberrechts gemäß §§ 44a ff. UrhG generell in dem Sinne eng auszulegen, dass der Urheber an der wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke tunlichst angemessen zu beteiligen ist und die ihm hinsichtlich der Werkverwertung zustehenden Ausschließlichkeitsrechte daher nicht übermäßig beschränkt werden dürfen.

__ Wahrnehmung durch den Durchschnittsbetrachter maßgeblich

Für die Qualifizierung eines Werkes als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG sei der Äußerungszusammenhang maßgeblich, der vom Durchschnittsbetrachter nach den Umständen unschwer als Ganzes wahrgenommen und beurteilt werden kann. Dabei sind die Besonderheiten des Mediums zu berücksichtigen, in dem das urheberrechtlich geschützte Werk benutzt wird. Der Umfang des Gegenstands einer einheitlichen Beurteilung des Durchschnittsbetrachters hänge außerdem davon ab, ob und inwieweit im Einzelfall inhaltliche Bezüge den Aussagegehalt des Gegenstands der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe bestimmen.

_ Prüfungsmaßstab für die Eigenschaft als unwesentliches Merkmal

Das Gemälde sei nicht deshalb ein unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG, weil die primäre Aufgabe des Katalogs die Förderung des Absatzes der Möbel der Beklagten sei und die Möbel in den Abbildungen des Katalogs eindeutig im Vordergrund stünden:

„Für die Bejahung der Schutzschranke des § 57 UrhG reicht es nicht aus, dass das urheberrechtlich geschützte Werk aus Sicht des objektiven Betrachters in Bezug auf den Hauptgegenstand der Verwertung im Hintergrund steht. Nach dem Wortlaut der Schrankenbestimmung ist vielmehr weitergehend erforderlich, dass das Werk im Verhältnis zum Hauptgegenstand der Wiedergabe unwesentlich ist.

Von einer Unwesentlichkeit in diesem Sinn ist auszugehen, wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffiele (vgl. Nordemann-Schiffel in Fromm/ Nordemann aaO § 57 UrhG Rn. 2; Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2; Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 8; Lüft in Wandtke/Bullinger aaO § 57 UrhG Rn. 2; Loewenheim/Götting, Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., § 31 Rn. 229) oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst wird (OLG München, ZUM-RD 2008, 554; Loewenheim/Götting aaO § 31 Rn. 229; Lüft in Wandtke/Bullinger aaO § 57 UrhG Rn. 2; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 57 UrhG Rn. 2; krit. Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2). Aber auch ein bei der Betrachtung des Hauptgegenstands der Verwertung vom Betrachter als solches tatsächlich wahrgenommenes Werk kann als unwesentliches Beiwerk anzusehen sein, wenn ihm nach den Umständen des Einzelfalls keine noch so geringfügige inhaltliche Beziehung zum Hauptgegenstand der Verwertung zuzubilligen ist, sondern es durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit für diesen ohne jede Bedeutung ist (vgl. Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2; Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann aaO § 57 UrhG Rn. 2; Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 8; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 57 UrhG Rn. 2).“

Eine bloß untergeordnete Beziehung reiche hierzu nicht aus:

„Bei der gebotenen engen Auslegung der Schrankenbestimmung ist unwesentlich im Sinne von § 57 UrhG vielmehr nur ein Werk, das neben dem Gegenstand der eigentlichen Verwertung selbst eine geringe oder nebensächliche Bedeutung nicht erreicht (Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 7; Grübler in Möhring/Nicolini aaO § 57 UrhG Rn. 6). Eine derart untergeordnete Bedeutung kann dem mitverwerteten Werk regelmäßig nicht mehr zugewiesen werden, sobald es erkennbar stil- oder stimmungsbildend (Obergfell in Büscher/Dittmer/ Schiwy aaO § 57 UrhG Rn. 2) oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreichend (Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel aaO § 57 UrhG Rn. 4) in den eigentlichen Gegenstand der Verwertung einbezogen wird, einen dramaturgischen Zweck erfüllt (Grübler in Möhring/Nicolini aaO § 57 UrhG Rn. 6) oder sonst charakteristisch ist (Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 7 f.).“

Nach diesen Maßstäben sei das Gemälde des Klägers sei auf der maßgeblichen Fotografie im Verhältnis zu den ebenfalls abgebildeten Möbelstücken nicht nur unwesentliches Beiwerk:

„Das Berufungsgericht hat festgestellt, das Gemälde des Klägers setze auf der beanstandeten Fotografie einen deutlichen kontrastierenden Farbakzent. Das deckt sich mit den Feststellungen des Landgerichts, das angenommen hat, die verwendeten Grundfarben (Rot, Gelb und Blau) des Gemäldes des Klägers ließen es im Gegensatz zur schlichten Dramaturgie der schwarz-weißen Büroelemente der Beklagten als bunt und heiter erscheinen. Darauf, dass das Landgericht in diesem Zusammenhang eine Harmonie zwischen der schwarz-weißen Bürokombination und dem bunten Bild des Klägers vermisst hat, kommt es für die Bestimmung der Unwesentlichkeit nicht an. Daraus ergibt sich, dass dem Werk des Klägers bei der werblichen Darstellung der Beklagten eine nicht unwesentliche ästhetische Bedeutung zukommt, indem es einen Kontrast zu den Möbeln bietet und deren Wirkung auf den Betrachter beeinflusst. Nichts anderes gilt für die Verwendung der beanstandeten Fotografie im Internet. Auch auf dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen „Screenshot“ ist der festgestellte farbliche Kontrast hinreichend deutlich zu erkennen. Die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang verneinte Erkennbarkeit von Einzelheiten des Gemäldes des Klägers ist ohne Bedeutung.“

_ Austauschbarkeit des Gemäldes unerheblich

Zwar spreche es für die Annahme der Unwesentlichkeit des Werkes, wenn der durchschnittliche Betrachter des Hauptgegenstandes dieses schon nicht wahrnimmt, weil es beliebig ausgetauscht oder ganz weggelassen werden kann. Etwas anderes aber gelte im Rahmen eines Gesamtkonzeptes:

„Wird das Beiwerk jedoch – wovon auch das Berufungsgericht der Sache nach ausgegangen ist – vom Betrachter als zum Gesamtkonzept gehörig wahrgenommen, kommt es auf den Gesichtspunkt der (ästhetischen oder stilistischen) Austauschbarkeit eines urheberrechtlich geschützten Werkes mit einem anderen – ggf. ebenfalls urheberrechtlich geschützten – Werk nicht mehr an.“

Auswirkung auf die Praxis

Es kommt darauf an – alle Umstände des Einzelfalles können entscheidend sein. Die Tatsache alleine, dass es sich bei dem mit abgebildeten und seinerseits urheberrechtlich geschützten Werk – z.B. einem Gemälde oder einer Grafik, einer Fotografie, einer Plastik, einer Installation oder dem Abdruck eines Gedichts – lediglich um ein ergänzendes oder ausschmückendes Element im Bildhintergrund handelt, macht es noch nicht zum Beiwerk.

Das gleiche gilt beispielsweise für Musikstücke oder Filmausschnitte, der in einem Videoclip im Hintergrund laufen.

Urheberrechtliche Auseinandersetzungen zum Thema „Bild im Bild“ dürften auch weiterhin die Gerichte beschäftigen, weil es auf die Umstände des Einzelfalles ankommt, weil Schubladendenken und generalisierende Betrachtungen nicht weiterhelfen.

Das Landgericht Flensburg entschied mit Urteil vom 07.05.2021, Az. 8 O 37/21, über die Wiedergabe eines dreidimensionalen Wandschmucks im Bildhintergrund eines Instagram-Werbevideos eines Kosmetik- und Nagelstudios

Über eine Abmahnung wegen einer Fototapete, die auf einer Website im Hintergrund eines Bildes als eines von mehreren Bildelementen zu sehen ist, wurde bereits >hier< berichtet.

Der „Spiegel“ beschäftigt sich in seiner Ausgabe 42/2022 mit der Frage, ob für ein Gemälde des Malers Ernst Wilhelm Nay aus dessen Werk „Augenbilder“, das im Berliner Kanzleramt hinter dem Podium angebracht ist und auf Fotos und Filmaufnahmen der Pressekonferenzen zu sehen ist, ein Lizenzvertrag mit der VG Bild-Kunst erforderlich sein könnte.

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_ Presserecht: Person im Hintergrund

Badegast im Promi-Foto und das Recht am eigenen Bild – der Bundesgerichtshof (BGH) entschied mit Urteil vom 21.04.2015, Az. VI ZR 245/14: Im Hintergrund eines Promi-Fotos abgebildete und identifizierbare Urlauber müssen die Veröffentlichung in der Boulevardpresse ohne Verpixelung bzw. schwarzen Balken nicht hinnehmen.

_ Wettbewerbsrecht: Zubehör und Deko im Produktfoto

Mit abgebildetes Zubehör auf Produktfoto und irreführende Werbung – das Landgericht Arnsberg entschied mit Urteil vom 05.03.2015, Az. 8 O 10/15:

Sämtliche Gegenstände, die in Angeboten eines Webshops auf Produktbildern abgebildet sind, wie hier die Beschwerungsplatten für einen Balkon-Sonnenschirm, müssen Teil des Lieferumfangs sein. Andernfalls handelt es sich um irreführende Werbung, die einen Unterlassungsanspruch zur Folge hat und abgemahnt werden kann.

 

© RA Stefan Loebisch | Kontakt

 

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