Der Irrtum über die kostenlose Erstberatung
Kostenlose Erstreparatur in der Autowerkstatt? Gibt es nicht. Kostenlose Erstsemmel beim Bäcker? Gibt es auch nicht.
Immer wieder erreichen die Kanzlei Anfragen mit der Bitte, einen Sachverhalt im Rahmen einer kostenlosen Erstberatung juristisch zu überprüfen. Der Rechtsanwalt soll anhand des mitgeteilten Sachverhalts klären, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Aussicht auf Erfolg bietet, und hierzu seine verbindliche Empfehlung geben. Mitgebrachte oder vorab übersandte Unterlagen soll der Rechtsanwalt durchlesen. Am Ende soll dann entschieden werden, ob die weitere Tätigkeit des Rechtsanwalts erforderlich ist und dem Rechtsanwalt das Mandat erteilt werden soll.
Vergütungspflichtiges Mandat
Zugrunde liegt eine weit verbreitete Fehlvorstellung über den Zeitpunkt, wann das vergütungspflichtige Mandat mit dem Rechtsanwalt zustande kommt. Zugrunde liegt die Fehlvorstellung, dass das Mandat erst zustande kommt, wenn die Beauftragung des Rechtsanwalts aus der Sicht der Mandantschaft sinnvoll ist und einen wirtschaftlichen Gewinn verspricht, und nicht bereits, wenn der Rechtsanwalt der Frage nachgeht, ob eine Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überhaupt wirtschaftlich und juristisch Erfolg verspricht.
Schon diese erste Überprüfung der Erfolgsaussicht, ob sie nun schnell und einfach erledigt ist oder langwierig und schwierig ist, ist Teil des Mandates und hat einen Vergütungsanspruch zur Folge – ebenso, wie in der Autowerkstatt die erste Untersuchung des Fahrzeugs etwas kostet, ebenso, wie beim Bäcker bereits die erste Semmel etwas kostet.
Kostenloses Orientierungstelefonat
Selbstverständlich: Bei einem Anruf in einer Anwaltskanzlei sollen nicht von der ersten Sekunde an Kosten auflaufen, kaum dass der Rechtsanwalt den Telefonhörer abgenommen hat. In einem ersten Orientierungstelefonat, das etwa 5 oder 10 Minuten in Anspruch nehmen wird, wird in der Praxis immer kurz besprochen, worum es geht (handelt es sich um ein Rechtsgebiet, das die Kanzlei bearbeitet?), welche Kosten dabei zu erwarten sind (gesetzliche Vergütung? Vergütungsvereinbarung?) und wann ein Beratungsgespräch (Besprechung in der Kanzlei? Besprechung am Telefon?) stattfinden soll. Eine verbindliche rechtliche Prüfung durch den Rechtsanwalt kann auf diese Weise am Telefon noch nicht stattfinden. Folglich entstehen mit Ausnahme der Telefonkosten auch noch keine weiteren Kosten.
Das Orientierungstelefonat dient also nur der Entscheidung, ob das Mandat erteilt werden soll, und dessen Vorbereitung, beinhaltet aber noch keinen konkreten, maßgeschneiderten, Rechtsrat.
Rechtlicher Rat = Vergütung
Sofern der Rechtsanwalt allerdings einen von der Mandantschaft mitgeteilten Sachverhalt inhaltlich beurteilt und der Mandantschaft einen konkreten rechtlichen Rat erteilt, entstehen dadurch Kosten. Und zwar auch dann, wenn der Rat lautet, die Angelegenheit nicht weiter zu verfolgen. Oder wenn der Rechtsanwalt der Mandatschaft nach erster Überprüfung mitteilt, dass die gelieferten Informationen noch nicht ausreichen, um zu einer rechtlich verbindlichen Entscheidung zu gelangen. Egal, ob am Telefon, per Brief oder E-Mail oder im Zuge einer Besprechung in der Kanzlei.
Warum? Weil bereits hinter dieser rechtlichen Einschätzung und diesem rechtlichen Rat das juristische Wissen und die praktische Erfahrung des Rechtsanwaltes stehen, und weil der Rechtsanwalt dafür haftet, dass seine Empfehlung richtig ist. Genau deshalb wird der Rechtsanwalt gefragt – weil er weiß, was in juristischer Hinsicht Sache ist, was in der konkreten Situation notwendig ist, und weil er nicht nur allgemeine Lebenskunde und Seelenmassage bietet.
Würden Sie Ihr Auto in einer Werkstatt überprüfen lassen, die dafür kein Geld will?
Mehr Informationen zum Thema:
→Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und Vergütungsvereinbarung
→Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe