Spezi, markenrechtlicher Lizenzvertrag und Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung – das Landgericht München I entschied mit Urteil vom 11.10.2022, Az. 33 O 10784/21: Die Paulaner-Brauerei darf die Bezeichnung „PAULANER Spezi“ weiter nutzen.
Inhalt
Spezi und das Markenrecht: Worum geht es?
Die Brauerei S. Riegele aus Augsburg, die spätere Beklagte, ist unter anderem seit dem Jahr 1957 Inhaberin der eingetragenen Wortmarke „Spezi“ und der weiteren Wortmarke „Ein Spezi muß dabei sein“. Die Klägerin betreibt die Paulaner-Brauerei in München. Sie vertreibt unter anderem ein Mischgetränk aus Limonade und Cola unter der Bezeichnung „PAULANER Spezi“. Im Jahr 1974 schloss die Beklagte mit der damaligen Betreiberin der Paulaner-Brauerei, dem Unternehmen Paulaner-Salvator-Thomasbräu, einen Vertrag, wonach auch diese gegen eine Einmalzahlung von 10 000 Mark ein Getränk unter der Bezeichnung „Spezi“ vermarkten durfte.
Die Brauerei Riegele hatte vorgerichtlich die Rechtsnachfolge der jetzigen Betreiberin der Paulaner-Brauerei, der Paulaner Brauerei Gruppe GmbH & Co. KGaA, hinsichtlich des Vertrags von 1974 bezweifelt und außerdem die Kündigung der Vereinbarung erklärt. Sie verlangte den Abschluss einer neuen Lizenzvereinbarung. Hiergegen erhob die Paulaner Brauerei Gruppe die Feststellungsklage zum Landgericht München I. Die beklage Brauerei Riegele wehrte sich mittels Widerklage.
Ergebnis: Wie entschied das Gericht im Spezi-Streit?
Das Landgericht München I entschied zugunsten der Paulaner Brauerei Gruppe und gab der Feststellungsklage statt.
_ Kein kündbarer Lizenzvertrag
Die Vereinbarung von 1974 sei nicht als Lizenzvertrag, sondern als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung auszulegen. Hierfür spreche bereits, dass die ursprünglich vorgesehene Überschrift des Vertragsdokuments noch vor Vertragsunterzeichnung von „Lizenzvertrag“ in „Vereinbarung“ abgeändert worden sei, sowie weitere Begleitumstände des Vertragsschlusses. So sei mit der Vereinbarung aus dem Jahr 1974 eine endgültige Beilegung bestehender Streitigkeiten zwischen den Parteien beabsichtigt gewesen. Im Vertrauen auf die endgültige Beilegung habe die Klägerin erhebliche Investitionen in den Aufbau ihrer Marke getroffen.
Eine markenrechtliche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung sei – im Gegensatz zu einem Lizenzvertrag – nicht ordentlich kündbar. Die Schutzdauer eingetragener Markenrechte könne nämlich durch einfache Gebührenzahlung unbegrenzt verlängert werden.
Das berechtigte Bedürfnis nach einer Abgrenzung der Benutzungsbefugnisse für (tatsächlich oder vermeintlich) verwechslungsfähige Zeichen bestehe deshalb ebenfalls regelmäßig zeitlich unbegrenzt, zumal wenn – wie im Streitfall – mit dem Abschluss der Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarung eine endgültige Beilegung bestehender Meinungsverschiedenheiten beabsichtigt worden sei, und die Parteien im Anschluss an diese Vereinbarung im Vertrauen auf deren Bestand vorhersehbar erhebliche Investitionen in ihren jeweiligen Markenaufbau getätigt hätten.
_ Vertragstreue Klägerin
Die Klägerin habe für eine außerordentliche Kündigung durch die Beklagte keinen Anlass gegeben, da sie sich stets vertragstreu verhalten habe:
„Die Klägerin hält die vertraglichen Vereinbarungen unbestritten ein, und Jahrzehnte nach Abschluss der Vereinbarung eingetretene Vertragsreue als Ausfluss des Wunsches der Beklagten, am beachtlichen wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin zu partizipieren, stellt keinen wichtigen Grund im Rechtssinne dar.“
_ Erfolglose Widerklage
Die im Rahmen einer Widerklage geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche der Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz wies die Kammer wegen des Fortbestehens der Vereinbarung aus dem Jahr 1974 zwischen den Parteien als unbegründet zurück.
Auswirkung auf die Praxis
Klartext reden und schreiben, dem Kind einen Namen geben, auslegungs- und interpretationsfähige Begriffe vermeiden – ein Lizenzvertrag ist ein Lizenzvertrag, eine Vereinbarung kann alles Mögliche sein. Nicht zum ersten Mal zeigt sich, dass sich sprachliche Ungenauigkeiten und Unklarheiten in Verträgen und anderen Erklärungen später rächen können, weil die Parteien ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten völlig unterschiedlich sehen.
Der Streitwert, so meldet der dpa-Newskanal, lag bei rund zehn Millionen Euro.
[Nachtrag 19.10.2022: Zum Urteil liegt nun im Portal „Bayern.Recht“ der Volltext mit der gesamten Urteilsbegründung vor. Der Link dorthin wurde aktualisiert. Das Urteil enthält auch ein Faksimile der Vereinbarung aus dem Jahr 1974.]
[Nachtrag 16.01.2023: Vor dem Oberlandesgericht München ist mittlerweile unter dem Aktenzeichen 6 U 6656/22 die Berufung anhängig.]
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