E-Mail-Werbung und Einwilligung – neue Urteile

E-Mail-Werbung, Einwilligungserfordernis und Wettbewerbsrecht – dass Werbe-E-Mails grundsätzlich nicht ohne Einwilligung des Empfängers verschickt werden dürfen, hat sich mittlerweile wohl überall herumgesprochen. Trotzdem passieren Fehler bei der praktischen Umsetzung, ziehen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen nach sich und beschäftigen am Ende die Gerichte. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied mit Urteil vom 10.07.2018, Az. VI ZR 225/17, dass eine Kundenzufriedenheitsbefragung per E-Mail auch dann Werbung ist und eine Einwilligung des Empfängers voraussetzt, wenn mit der E-Mail die Rechnung für ein zuvor gekauftes Produkt versandt wird. Das Landgericht München I entschied mit Urteil vom 04.06.2018, Az. 4 HK O 8135/17, dass keine wirksame Einwilligung vorliegt, wenn die Checkbox beim Aufruf bereits aktiviert ist. Bereits mit Urteil vom 22.03.2018, Az. 2-03 O 372/17, entschied das Landgericht Frankfurt am Main, dass eine E-Mail, die einen Gutschein beinhaltet, Werbung ist und kann als solche unzulässig sein kann.

BGH: Kundenzufriedenheitsbefragung ist Werbung

Der Kläger bestellte bei der Beklagten über „Amazon Marketplace“ Waren. Er erhielt von der Beklagten eine E-Mail mit dem Betreff „Ihre Rechnung zu Ihrer Amazon Bestellung … “ und folgendem Inhalt:

„Sehr geehrte Damen und Herren, anbei erhalten Sie Ihre Rechnung im PDF-Format. Vielen Dank, dass Sie den Artikel bei uns gekauft haben. Wir sind ein junges Unternehmen und deshalb auf gute Bewertungen angewiesen. Deshalb bitten wir Sie darum, wenn Sie mit unserem Service zufrieden waren, uns für Ihren Einkauf eine 5-Sterne Beurteilung zu geben.

Sollte es an dem gelieferten Artikel oder unserem Service etwas auszusetzen geben, würden wir Sie herzlich darum bitten, uns zu kontaktieren. Dann können wir uns des Problems annehmen.

Zur Bewertung: über folgenden Link einfach einloggen und eine positive 5-Sterne Beurteilung abgeben (…)“.

In dieser E-Mail sah der Kläger eine unaufgeforderte unerlaubte Zusendung von Werbung und einen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht.

Nachdem der Kläger zunächst vor dem Amtsgericht Braunschweig (Urteil vom 15.11.2016, Az. 118 C 1363/16) und vor dem Landgericht Braunschweig (Urteil vom 24.05.2017, Az. 9 S 404/16) erfolglos geblieben war, gab ihm der Bundesgerichtshof in der Revisionsinstanz schließlich recht.

Der Kläger habe gegen die Beklagte wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht einen Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog.

Auch eine Kundenzufriedenheitsbefragung falle unter den Begriff der (Direkt-)Werbung. Zwar liege in der Übersendung einer Rechnung selbst noch keine Werbung. Dies habe aber nicht zur Folge, dass die in der E-Mail enthaltene Bitte um Abgabe einer positiven Bewertung von vornherein keine (Direkt-)Werbung darstellen könnte. Die elektronische Post des Klägers werde von der Beklagten vielmehr in zweifacher Hinsicht genutzt, nämlich für die nicht zu beanstandende Übersendung der Rechnung und zusätzlich für Zwecke der Werbung. Für die Annahme, die nicht zu beanstandende Rechnungsübersendung nehme der E-Mail insgesamt den Charakter der Werbung, sei kein Raum (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 2015 – VI ZR 134/15, GRUR 2016, 530 Rn. 19 mwN; Apel/Henn, KbR 2016, 236, 239; aA Straub, ZJS 2016, 510, 514).

Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei auch rechtswidrig. Die Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien gehe zu Lasten der Beklagten aus.

Landgericht München I: Opt-out-Möglichkeit ist keine Einwilligung

Das beklagte Unternehmen betrieb einen Webshop für Babyartikel. Legte die Kundschaft im Rahmen des Bestellprozesses ein Produkt in den virtuellen Warenkorb, erschien auf der rechten Seite folgender Text:

„[x] Ja, beraten Sie mich per E-Mail zu Produkten von [Shop-Bezeichnung], senden Sie mir wertvolle Tipps von Ärzten und Hebammen und aktuelle Rabattaktionen zu Pampers & Co. zu“.

Die Checkbox war bereits vorab aktiviert.

Um eine Bestellung aufgeben zu können, musste die Kundschaft einen Account anlegen und eine E-Mail-Adresse angeben. Bei der Anmeldung erschien dann folgender Text:

„Mit meiner Anmeldung stimme ich den AGB und Datenschutzbestimmungen der [Shop-Bezeichnung] zu und werde über aktuelle Angebote per E-Mail informiert. Diese Einwilligung kann ich jederzeit widerrufen.“

Eine Adresse, über die dieser Widerruf hätte erklärt werden können, war nicht angegeben. Nach Anlegen des Kunden-Accounts wurde der Bestellvorgang jedoch abgebrochen. Trotzdem versandte das beklagte Unternehmen in der Folgezeit Werbe-E-Mails an die im Kunden-Account hinterlegte E-Mail-Adresse.

Die Wettbewerbszentrale als spätere Klägerin war der Ansicht, hierbei handle es sich um unzulässige E-Mail-Werbung.

Das Landgericht München I bestätigte die Ansicht der Wettbewerbszentrale. Es verurteilte das beklagte Unternehmen zur Unterlassung gemäß § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG. Das Unternehmen könne sich weder auf eine wirksam eingeholte Einwilligung in E-Mail-Werbung noch auf die Ausnahmeregelung für Bestandskunden nach § 7 Abs. 3 UWG berufen.

_ Keine wirksame Einwilligung bei bereits aktivierter Checkbox

Die erste Erklärung auf der rechten Bildschirmseite stelle keine Einwilligung in E-Mail-Werbung dar. Voraussetzung für zulässige E-Mail-Werbung sei eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten. Eine solche Einwilligung liege nur bei einer sog. „Opt-in“-Erklärung vor. Hierfür müsse der Adressat ein entsprechendes Feld individuell markieren. Wenn, wie vorliegend, das voreingestellte Kreuz in der Checkbox entfernt werden müsse, um keine E-Mail-Werbung zu erhalten, liege ein „Opt-out“ und damit keine Einwilligung vor.

_ Keine Einwilligung durch Angabe der E-Mail-Adresse

Auch die bloße Angabe der E-Mail-Adresse auf der Webseite des Werbenden reiche nicht für eine Einwilligung aus.

_ Keine Bestandskundenwerbung bei Abbruch der Bestellung

Das beklagte Unternehmen könne sich auch nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 3 UWG berufen. Es habe kein Verkauf stattgefunden. Das Unternehmen habe die E-Mail-Adresse nicht gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 UWG im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung erhalten. Durch den Bestellabbruch sei kein Austauschvertrag zustande gekommen. Die bloße Vertragsanbahnung stehe nicht einer bestehenden Kundenbeziehung gleich. Sowohl die Vertragsanbahnung als auch die Anlage eines Kunden-Accounts seien für § 7 Abs. 3 Nr. 3 UWG nicht ausreichend.

_ Keine Bestandskundenwerbung ohne Hinweis auf Widerspruchsrecht

Zudem lägen auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Nr. 4 UWG nicht vor. Das Unternehmen habe keinen Hinweis erteilt, dass der Verwendung der E-Mail-Adresse widersprochen werden könne. Das Unternehmen habe auch keine Adresse angegeben, an die ein solcher Widerspruch hätte gerichtet werden können.

Landgericht Frankfurt am Main: Gutschein ist Werbung

Der Kläger in diesem Verfahren ist ein eingetragener Wettbewerbs-Verein.

Die Beklagte betreibt in Friedberg ein Elektronik-Versandhandelsunternehmen mit angeschlossenem Online-Shop.

Der spätere Prozessbevollmächtigte des Klägers bestellte bei der Beklagten unter Angabe einer E-Mail-Adresse einen „Gaming-Stuhl“. Er erteilte keine Einwilligung in den Erhalt von E-Mail-Werbung.

Die Beklagte versandte an diese E-Mail-Adresse eine Nachricht mit dem Betreff

„Wir vermissen Sie! Sichern Sie sich noch heute Ihren 5 Euro Gutschein“.

Die Beklagte bezeichnete diese E-Mail im Text als „persönliche Kundenmitteilung“. Die Nachricht enthielt einen Gutschein-Code, der im Online-Shop der Beklagten hätte eingelöst werden können.

Der Kläger mahnte die Beklagte ab. Er rügte, dass die Beklagte die streitgegenständliche E-Mail ohne Einwilligung versandt habe und forderte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Die Beklagte wies dies mit der Begründung zurück, die E-Mail sei rechtmäßig gemäß § 7 Abs. 3 UWG versandt worden.

Das Landgericht Frankfurt am Main gab dem klagenden Wettbewerbs-Verband recht. Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch aus den §§ 7 Abs. 1, 2, 8 UWG auf Unterlassung der weiteren Versendung von E-Mails

_ E-Mail mit Gutschein ist Werbung

Werbung sei in Übereinstimmung mit Art. 2 lit. a) der Werbe-Richtlinie 2006/113/EG über irreführende und vergleichende Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerkes oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (BGH GRUR 2009, 980 [BGH 20.05.2009 – I ZR 218/07] Rn. 13 – E-Mail-Werbung II; BGH GRUR 2013, 1259 Rn. 17 – Empfehlungs-E-Mail). Die Definition sei nicht auf die Formen klassischer Werbung beschränkt (BGH GRUR 2013, 1259 [BGH 12.09.2013 – I ZR 208/12] Rn. 18 – Empfehlungs-E-Mail; Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 2 Rn. 15).

Die E-Mail habe der Förderung des Absatzes der eigenen Waren gedient, denn die Beklagte habe einen Gutschein im Wert von 5 Euro unter Verweis auf die ihre gesamte Produktpalette übersandt.

_ Keine zulässige Bestandskundenwerbung

Der Versand der E-Mail sei nicht aufgrund von § 7 Abs. 3 UWG gerechtfertigt gewesen.

Zwar habe zwischen dem Empfänger und der Beklagten eine Kundenbeziehung bestanden. Die Beklagte habe jedoch Werbung versandt, die gerade nicht gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG für „eigene ähnliche Waren“ erfolgte. Für eine entsprechende Ähnlichkeit sei erforderlich, dass die Werbung im Hinblick auf die bereits gekauften Waren oder Dienstleistungen erfolge. Die beworbene Ware oder Dienstleistung müsse also dem gleichen erkennbaren oder doch typischen Verwendungszweck oder Bedarf des Kunden entsprechen. Teilweise werde vertreten, dass Sinn und Zweck der Norm für die Einbeziehung von Zubehör- und Ersatzteilen sprächen.

Die streitgegenständliche E-Mail genüge dieser Anforderung nicht. Die Beklagte bewerbe in dieser E-Mail ihr Sortiment mit 150.000 Artikeln, sowie ihr Outlet mit Sonderartikeln, Restposten und B-Waren. Der übersandte Gutschein-Code könne nach den Wünschen des Kunden im Shop eingelöst werden. Der beworbene Inhalt sei damit umfassend. Er gehe über das vom Empfänger der E-Mail gekaufte Produkt „Gamingstuhl“ oder auch ähnliche und verwandte Produktkategorien und Zubehör hinaus.

Welche Auswirkungen haben die Urteile auf die Praxis?

Die drei Urteile aus Karlsruhe, München und Frankfurt beinhalten keine wirklich neuen Erkenntnisse. Sie schärfen lediglich den Blick für das Wesentliche: Es gibt keine zulässige Kollateral-Werbung.

E-Mail-Werbung setzt die vorherige aktive Einwilligung des Empfängers voraus oder ist als Bestandskundenwerbung im Rahmen einer bestehenden Vertragsbeziehung zulässig. Irgend ein Kundenkontakt reicht nicht aus, und nicht jede Werbemaßnahme im Rahmen einer bestehenden Geschäftsbeziehung ist zugleich Bestandskundenwerbung.

Eine kontinuierliche und enge Zusammenarbeit von Marketing-Abteilung und IT-Abteilung im Unternehmen ist Voraussetzung dafür, dass nicht unter der Hand Fehler passieren, die nicht nur unnötige wettbewerbsrechtliche Abmahnungen zur Folge haben können, sondern vor allem auch unzufriedene Kunden, die sich über unerwünschte Werbung ärgern – und die deshalb zur Konkurrenz abwandern.

 

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