BGH-Urteil zum Recht am eigenen Bild: Film „Die Auserwählten“

Darstellung einer lebenden Person durch einen Schauspieler und Recht am eigenen Bild – der Bundesgerichtshof (BGH) entschied mit Urteil vom 18.05.2021, Az. VI ZR 441/19: Eine als solche erkennbare bloße Darstellung einer realen Person durch einen Schauspieler in einem Spielfilm ist kein Bildnis der dargestellten Person i.S.d. § 22 Satz 1 KUG ist. Der dargestellten Person steht daher kein Unterlassungsanspruch aus ihrem Recht am eigenen Bild zu.

Sachverhalt: Worum geht es?

Es geht um die Darstellung eines ehemaligen Schülers der Odenwaldschule in dem Film „Die Auserwählten“.

Der Kläger war in den 1980er-Jahren Schüler der Odenwaldschule. Dort wurde er über mehrere Jahre sexuell missbraucht. Seit dem Jahr 1998 machte er auf das Missbrauchsgeschehen aufmerksam und trug maßgeblich zu dessen Aufklärung bei, unter anderem durch die Mitwirkung an Presseveröffentlichungen und an einem Dokumentarfilm. Im Jahr 2011 veröffentlichte der Kläger ein autobiographisches Buch, in dem er die Geschehnisse schilderte. Im Jahr 2012 erhielt der Kläger den Geschwister-Scholl-Preis. Anlässlich der Preisverleihung legte er im November 2012 sein zunächst verwendetes Pseudonym ab.

Der Film „Die Auserwählten“ thematisiert den sexuellen Missbrauch an der Odenwaldschule. Er wurde an Originalschauplätzen gedreht und erstmals am 01.10.2014 von der ARD ausgestrahlt. Als Vorbild für die zentrale Filmfigur ist der spätere Kläger zu erkennen. Dieser sah in – offenbar zentralen – Stellen des Films einen unzulässigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht und verlangte von den Film-Produzenten ndF:Berlin sowie dem Auftraggeber WDR, die weitere Verbreitung der entsprechenden Filmszenen zu unterlassen.

Bereits vor dem Landgericht Hamburg (Urteil vom 03.06.2016, Az. 324 O 78/15) und vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg (Urteil vom 01.10.2019, Az. 7 U 141/16) blieb der Kläger erfolglos.

Ergebnis: Wie entschied der Bundesgerichtshof?

Der unter anderem für Ansprüche aus dem Recht am eigenen Bild und aus unerlaubter Handlung zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Vorentscheidungen bestätigt. Die Klage ist damit rechtskräftig abgewiesen.

_ Kein Unterlassungsanspruch aus Recht am eigenen Bild

Der Kläger könne sein Unterlassungsbegehren nicht auf sein Recht am eigenen Bild stützen. Stelle ein Schauspieler in einem Spielfilm eine reale Person dar und sei zu erkennen, dass es sich um eine bloße schauspielerische Darstellung handelt, liege in dieser Darstellung kein Bildnis der dargestellten Person i.S.d. § 22 Satz 1 KUG ist. Das Recht am eigenen Bild stehe in diesem Fall dem Schauspieler zu, der auch in seiner Rolle noch „eigenpersönlich“ und damit als er selbst erkennbar bleibe.

Als Bildnis der realen Person sei die schauspielerische Darstellung dagegen erst dann anzusehen, wenn der täuschend echte Eindruck erweckt wird, es handele sich um die dargestellte Person selbst. Dies könne bei dem Einsatz eines Doppelgängers oder einer nachgestellten berühmten Szene oder Fotographie der Fall sein.

_ Kein Unterlassungsanspruch aus allgemeinem Persönlichkeitsrecht

Der Anspruch ergebe sich bei der gebotenen kunstspezifischen Betrachtungsweise auch nicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG). Zwar sei der Kläger durch die ausgeprägten Übereinstimmungen zwischen seinem Schicksal und der Darstellung der entsprechenden zentralen Filmfigur in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen. Auch verstärke die in der besonderen Intensität der visuellen Darstellung liegende suggestive Kraft eines Spielfilms diese Betroffenheit. Doch wiege diese Betroffenheit im Ergebnis und unter maßgeblicher Berücksichtigung der von dem Kläger in der Vergangenheit praktizierten Selbstöffnung nicht so schwer, dass die zugunsten der Beklagten streitende Kunst- und Filmfreiheit zurücktreten müsste.

Auswirkung auf die Praxis

Auch wenn eine real existierende, möglicherweise sogar noch lebende, Person mit den Mitteln des Schauspiels realistisch und identifizierbar dargestellt wird, bleibt diese Bühnenfigur oder Filmfigur ein eigenständiges Kunstprodukt. Weil es sich um eine eigenständige Kunstfigur handelt, wird durch sie das Recht der dargestellten Person am eigenen Bild noch nicht verletzt – dieser Gedanke steht wohl hinter der Entscheidung des BGH vom 18.05.2021.

Das Persönlichkeitsrecht wiederum steht in einer Wechselwirkung mit dem eigenen Auftreten derjenigen Person, die dessen Verletzung geltend machen will: Je stärker diese Person selbst in die Öffentlichkeit drängt, je höher hängt die Latte, je mehr muss sie also dulden, bevor sie sich auf die Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts berufen kann.

Die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs ist >hier< abrufbar.

 

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