Filesharing, Datenfragmente und Datenmüll – das Landgericht Frankenthal (Pfalz) entschied mit Urteil vom 30.09.2014, Az. 6 O 518/13: Ein nur in Bruchteilen über eine P2P-Tauschbörse zum Herunterladen angebotenes, regelmäßig nicht lauffähiges Dateifragment einer Filmdatei ist grundsätzlich nur „Datenmüll“. Hierdurch wird nicht gegen Urheberrecht verstoßen. Ebenso können sich Zweifel an der korrekten Ermittlung des Internet-Anschlusses daraus ergeben, dass eine veraltete Ermittlungssoftware eingesetzt wurde.
Was war geschehen?
Dem Abmahnungsempfänger und späteren Verfügungsbeklagten wurde vorgeworfen, über seinen Internet-Anschluss einen Pornofilm über ein Filesharing-Netzwerk zugänglich gemacht zu haben. Dies bestritt der Abmahnungsempfänger und wies deshalb die Abmahnung zurück.
Um den vorgeworfenen Rechtsverstoß feststellen und dokumentieren zu können, hatte die Rechteinhaberin und spätere Verfügungsklägerin offenbar das Ermittlungsprogramm „FileGuard“ verwendet, allerdings nicht in der zum Zeitpunkt des behaupteten Rechtsverstoßes aktuellen Version, sondern in einer damals bereits veralteten Version.
Im Verfahren legte die Verfügungsklägerin auch nicht dar, dass über den Anschluss des Verfügungsbeklagten eine vollständige, lauffähige, Datei des Films zum Download durch andere Nutzer der Filesharing-Tauschbörse zur Verfügung stand.
Wie entschied das Landgericht Frankenthal über den Verfügungsantrag?
Das Landgericht Frankenthal wies den Verfügungsantrag unter anderem ab, weil es den erforderlichen Nachweis der Rechtsverletzung über den Internet-Anschluss des Verfügungsbeklagten nicht als erbracht ansah.
Das Landgericht Frankenthal zur Zuordnung der IP-Adresse zum Anschluss des Verfügungsbeklagten:
„Dies ergibt sich zum einen daraus, dass ein sicherer Schluss von der angebotenen Datei zur IP-Adresse des Verfügungsbeklagten bereits aus technischen Gründen nicht möglich ist. Denn die Verfügungsklägerin hat zur Ermittlung dieser Daten – wie sich bereits aus ihrem eigenen Vorbringen (…) ergibt – eine veraltete Version des Ermittlungsprogramms ‚FileGuard‘ verwendet. Wie sich aus den unbestrittenen und glaubhaft gemachten Darlegungen des Verfügungsbeklagten ergibt, gab es zum Erfassungszeitpunkt 1.11.2013 jedoch schon weitaus aktuellere Versionen dieses Programms, was zumindest Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Verfügungsklägerin und der Zuverlässigkeit der stattgefundenen Datenerfassung begründet.“
Und dann weiter zum Vorwurf, den in Streit stehenden Film im Sinne von § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht zu haben:
„Darüber hinaus hat die Verfügungsklägerin nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass der Verfügungsbeklagte tatsächlich eine vollständige und lauffähige, den streitgegenständlichen Film beinhaltendende Datei zum Upload bereitgestellt hat. Eine nur teilweise zur Verfügung gestellte Datei ist regelmäßig nämlich nicht lauffähig und führt nicht dazu, dass auch nur Teile des Werks genutzt werden könnten; es handelt sich in diesem Fall lediglich um sog. ‚Datenmüll‘ „
Im übrigen verneinte das Landgericht Frankenthal unter Rückgriff auf die vom Bundesgerichtshof in dessen Urteil „BearShare“ vom 08.01.2014, Az. I ZR 169/12 aufgestellten Grundsätze eine Störerhaftung des Anschlussinhabers und Verfügungsbeklagten.
Welche Auswirkung hat das Urteil des Landgerichts Frankenthal auf die Filesharing-Praxis?
Offenbar bereits in einem weiteren Hinweisbeschluss (Landgericht Frankenthal Az. 6 S 22/14) bestätigte das Landgericht Frankenthal seine Rechtsauffassung, dass ein nicht lauffähiges Dateifragment, das über ein Filesharing-Netzwerk angeboten wird, lediglich „Datenmüll“ ist und auf diese Weise nicht gegen Urheberrecht verstoßen werden kann.
Zunächst zum Verständnis:
Für diese rechtliche Bewertung ist die Ausgangsdatei entscheidend. Entscheidend soll sein dabei, ob die Datei, die über das Filesharing-Netzwerk um Upload zur Verfügung gestellt wird, als solche lauffähig ist. Nicht entscheidend soll also, ob andere Personen diese Datei vollständig auf ihren eigenen Rechner herunter luden, ob sie den Download also selbst abbrachen oder ob der Download möglicherweise wegen einer Zugangsstörung oder aus anderen technischen Gründen scheiterte.
Allerdings kann die abmahnende Partei den Nachweis, dass die vom Anschlussinhaber angeblich angebotene Datei vollständig und lauffähig war, lediglich dann erbringen, wenn sie die Datei zu Dokumentations- und Nachweis-Zwecken vollständig auf deren eigenes System herunter laden konnte. Wird die Datei lediglich zum Teil heruntergeladen und wird der Download dann vorzeitig abgebrochen, dürfte der geforderte Nachweis technisch nicht mehr möglich sein.
Dies wiederum bedeutet:
Der abgemahnte Anschlussinhaber, der den Rechtsverstoß bestreitet mit dem Argument, er selbst habe die Datei selbst zunächst überhaupt nicht auf seinen Rechner heruntergeladen, kann der Abmahnung zusätzlich mit dem Argument entgegen treten, aufgrund der niedrigen Upload-Geschwindigkeit seines Internet-Anschlusses sei eine vollständige Übertragung der Datei innerhalb des Zeitraums, der in dem Abmahnschreiben genannt wird, nicht möglich gewesen.
So lohnt es sich, nicht nur das Abmahnschreiben genau anzusehen, sondern darüber hinaus auch einmal ein Auge auf die technische Leistungsfähigkeit des eigenen Internet-Anschlusses zu werfen.