Haftung des Finanzagenten bei Betrug und Geldwäsche

Wer das eigene Girokonto einer anderen – möglicherweise unbekannten – Person zur Verfügung stellt, damit diese Überweisungen entgegennehmen und weiterleiten kann, begibt sich auf dünnes Eis: Stammt das Geld aus einer rechtswidrigen Tat, z.B. einem Betrug, steht plötzlich der Vorwurf im Raum, als „Finanzagent“ strafbare Geldwäsche betrieben zu haben. Damit fangen die Probleme aber erst an: Auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche drohen. Der Beitrag gibt einen Überblick und bietet Erste-Hilfe-Maßnahmen.

Finanzagenten: Worum geht es?

Als „Finanzagent“ wird regelmäßig eine Person bezeichnet, die ihr Konto und ihren Online-Banking-Zugang – bewusst oder unwissentlich – zur Geldwäsche verwendet oder zur Verfügung stellt. Dabei kommen zwei Begehungsweisen in Frage: Entweder der Finanzagent führt selbst Transaktionen durch, indem er eingegangene Gelder innerhalb möglichst kurzer Zeit weiterleitet und dazu Überweisungsaufträge erteilt. Oder der Finanzagent stellt sein Konto und die Zugangsdaten einer anderen Person zur Verfügung, die dann selbständig Überweisungen entgegennimmt und weiterleitet.

Das eingegangene Geld wird entweder mittels klassischer Überweisung auf ein anderes Girokonto – häufig im Ausland – oder per Western Union weitergeleitet, oder von dem Geld werden Bitcoins und anderen Kryptowährungen gekauft, die anschließend auf andere Wallets transferiert werden.

Von dem eingegangenen Geld darf der Finanzagent, so regelmäßig die Absprache mit den Auftraggebern im Hintergrund, einen bestimmten Prozentsatz als „Provision“ behalten.

Weitere gebräuchliche Begriffe sind auch „Finanztransaktionsagent“, „Lieferungsmanager“, „Manager für Zahlungsbearbeitung“, „Transaktionsmanager“, „Treuhandagent“, Projektkoordinator“, „Prozessmanager“, „Escrow Agent“, „Financial Agent“ oder „Trading Agent“.

Die Tätigkeit als Finanzagent kann eine strafrechtliche, eine verwaltungsrechtliche und eine zivilrechtliche Haftung nach sich ziehen.

Warum Geldwäsche? Woher kommt das Geld?

Die Gelder, die auf dem Konto des Finanzagenten eingehen, stammen von Personen, die selbst Betrugsopfer geworden sind.

Die „klassischen“ Betrugshandlungen sind Phishing-Aktionen und Fake-Angebote im Internet.

Beim Phishing haben die Hinterleute die Kontozugangsdaten ihres Opfers erschlichen. Vom Konto des Opfers überweisen sie Geld auf das Konto des Finanzagenten. Von dort aus wird das Geld weitergeleitet.

Bei Fake-Angeboten im Internet werden hochwertige Waren über betrügerische Webshops oder eBay-Kleinanzeigen zu einem ungewöhnlich niedrigen Preis angeboten. Der Käufer soll den Kaufpreis auf das Konto eines Finanzagenten überweisen – die Ware aber wird nie übersandt, weil es sie nicht gibt.

Auch der „Enkeltrick“ oder „Neffentrick“ ist eine beliebte Methode, betrügerisch zu Geld zu kommen, ebenso wie „Romance Scam“ oder „Love Scam“.

In der jüngeren Zeit dazugekommen ist der Betrug mit Kryptowährungen: Mit der Aussicht, mittels Spekulationen z.B. mit Bitcoins in kurzer Zeit beträchtliche Gewinne aus Kurssteigerungen zu erzielen, werden die Opfer auf scheinbar seriös gestaltete Websites angeblicher Anlageberater und Bitcoin-Händler gelockt. Im weiteren Verlauf werden die Betrugsopfer aufgefordert, den Kaufpreis für die Bitcoins oder eine andere Kryptowährung auf das Konto des Finanzagenten zu überweisen.

Wie werben die Hinterleute die Finanzagenten an?

Oft fallen Finanzagenten auf Stellenausschreibungen in Internet-Jobbörsen herein, in denen ihnen ein lukrativer Nebenverdienst mit wenig Arbeit angeboten wird. Dem Bewerber wird nach einigen Tagen ein Arbeitsvertrag zugeschickt – häufig sogar mit dem Briefkopf einer Aktiengesellschaft oder GmbH nach deutschem Recht und (angeblicher) Firmenadresse in Deutschland.

Nachdem der Bewerber als neuer „Arbeitnehmer“ unterschrieben hat und damit zum Finanzagenten geworden ist, gehen auf seinem Privatkonto Gelder von angeblichen Kunden des Unternehmens – tatsächlich: Opfern der Hinterleute – ein. Diese Geldbeträge soll der Finanzagent weiterleiten.

Eine Variante besteht darin, dass der Finanzagent von den eingegangenen Geldbeträgen bei entsprechenden Verkaufsstellen sogenannte „Vouchers“ kaufen soll. Bei diesen „Vouchers“ handelt es sich um PIN-Codes, die als elektronische Zahlungsmittel im Internet genutzt bzw. wieder in Geld rückgetauscht werden können. Der Finanzagent soll diese PIN-Codes an die E-Mail-Adresse seines „Arbeitgebers“ weiterleiten.

Auch „Romance Scam“ ist in der Praxis eine Methode, einen Finanzagenten zu ködern.

Die Aufzählung, wie Finanzagenten geködert werden, ist nicht abschließend.

Rechtsfolgen für Finanzagenten

Die möglichen Rechtsfolgen für Finanzagenten sind vielfältig und unangenehm:

  • Strafrechtliche Konsequenzen – dem Finanzagenten droht ein Strafverfahren wegen zumindest leichtfertiger Geldwäsche (§ 261 Abs. 6 StGB).
  • Verwaltungsrechtliche Konsequenzen – erhält ein Finanzagent für seine Tätigkeit eine Provision, so liegt damit regelmäßig ein gewerbsmäßiges Finanztransfergeschäft vor, also eine Finanzdienstleistung, für die eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erforderlich ist. Fehlt diese Erlaubnis, kann die BaFin gegen Finanzagenten ein Verwaltungsverfahren einleiten.
  • Zivilrechtliche Konsequenzen – das Betrugsopfer oder, bei einer erfolgreichen Rückbuchung, die Bank oder Sparkasse des Finanzagenten können gegen diesen Schadensersatzansprüche geltend machen und die Rückzahlung der weitergeleiteten Gelder fordern.
  • Kündigung des Kontos – in vielen Fällen wird die Bank oder Sparkasse die Geschäftsbeziehung mit dem Finanzagenten beenden.

Leichtfertige Geldwäsche als Dreh- und Angelpunkt

Vorsätzliche Geldwäsche wird bei Finanzagenten, die über eine Stellenanzeige oder mittels „Romance Scam“ geködert worden sind, die Ausnahme sein.

Damit bleibt die leichtfertige Geldwäsche nach § 261 Abs. 6 StGB (bis 17.03.2021; § 261 Abs. 5 StGB). Auch bei Leichtfertigkeit drohen noch immer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe – zusätzlich zu den Schadensersatzansprüchen.

Ob der Finanzagent leichtfertig gehandelt hat oder ob er einem nicht vorwerfbaren Irrtum über Sinn und Zweck seiner Tätigkeit erlegen ist, ob damit eine strafrechtliche Verurteilung und zivilrechtliche Schadensersatzansprüche drohen oder abgewendet werden können, ist Sache des Einzelfalles. Die Rechtsprechung ist vielfältig:

Der Bundesgerichtshof bejahte in einem von ihm entschiedenen Fall (Urteil vom 19.12.2012, Az. VIII ZR 302/11) einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 261 StGB: Die Beklagte hatte ihr Girokonto an einen ihr unbekannten Betreiber eines Fake-Webshop „vermietet“, um die Kaufpreiszahlungen entgegenzunehmen und weiterzuleiten. Im vorangegangenen Strafverfahren wurde die Beklagte durch Urteil wegen leichtfertiger Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 1 und Abs.5  (jetzt: Abs. 6) StGB schuldig gesprochen; von einer Strafe wurde abgesehen.

In einem späteren Fall (Urteil vom 16.01.2018, Az. VI ZR 474/16) hielt der Bundesgerichtshof dem Finanzagenten dessen geschäftliche Unerfahrenheit zugute mit dem Ergebnis, dass ihm keine Leichtfertigkeit vorzuwerfen war. Dieser Finanzagent musste lediglich seine Provisionen aus den Transaktionen erstatten, aber nicht die von ihm weitergeleiteten Geldbeträge.

Anders bewertete das Oberlandesgericht Zweibrücken (Urteil vom 28.01.2010, Az. 4 U 133/08) den Schadensersatzanspruch einer Bank gegenüber zwei Finanzagenten, die ihr dortiges Konto zur Verfügung gestellt hatten: Diese konnten sich nicht auf Unwissenheit und Irrtum berufen, da sie – so die Feststellungen des Gerichts – ein Reisebüro betrieben hatten und daher auch mit Auslandsüberweisungen geschäftserfahren waren.

Das Landgericht Traunstein bejahte mit Endurteil vom 31.01.2017, Az. 1 O 22/15, einen Schadensersatzanspruch der Bank gegen eine Finanzagentin, obwohl die Staatsanwaltschaft das gegen diese gerichtete Strafverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO wegen Nichterweislichkeit des Tatvorwurfs eingestellt hatte: Das Gericht sei im Rahmen der Prüfung eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches nicht an die strafrechtliche Beurteilung der Staatsanwaltschaft gebunden. Leichtfertige Geldwäsche lasse sich annehmen, wenn Kontodaten ohne jedwede kritische Nachfrage weitergegeben werden mit dem Versprechen, eingehende Gelder weisungsgemäß weiter zu transferieren. Besonders bitter: Die Finanzagentin hatte ihr Konto ihrem damaligen Lebensgefährten zur Verfügung gestellt.

Einer Vielzahl anderer Entscheidungen liegen ganz unterschiedliche Sachverhalte und Begründungen zugrunde. Ebenso unterschiedlich und individuell sind dann auch die Ergebnisse.

Reingefallen – was tun?

Das Nebeneinander und Miteinander von strafrechtlichen, zivilrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Folgen des scheinbar unkomplizierten Nebenjobs als Finanzagent hat nur allzu rasch existenzgefährdende Folgen: Wessen eigenes Vermögen solche Geldbeträge umfasst, wie sie bei Geldwäsche über das Girokonto ein- und ausgehen, ist regelmäßig nicht auf kleine Provisionen angewiesen. Wer sich auf den Nebenjob als Finanzagent einlässt, tut dies also regelmäßig, weil das eigene Einkommen knapp ist.

Wer dann plötzlich feststellen muss, dass mit dem Nebenjob irgendetwas nicht stimmen kann, weil auf einmal der Online-Banking-Zugang blockiert und das Konto gesperrt ist, tut gut daran, schnell anwaltliche Hilfe zu suchen und dem Rechtsanwalt die weitere Kommunikation zu überlassen. Jede voreilige und unbedachte Äußerung gegenüber der Bank, gegenüber der Polizei oder gegenüber anderen Behörden kann die Lage nur noch schlimmer machen.

Wichtig ist in dieser Situation, so rasch wie möglich so viele Beweise wie möglich zu sichern:

  • Die Stellenanzeige, mit der für den Nebenjob als Finanzagent geworben wurde;
  • den Arbeitsvertrag,
  • die E-Mails, die hin- und her gegangen sind,
  • die Messenger-Nachrichten, die per WhatsApp oder Telegram ausgetauscht wurden,
  • die Kontoauszüge, aus denen sich die Überweisungsdaten und deren Angaben zum Verwendungszweck ergeben,
  • und so weiter.

Auch ein Blick ins Handelsregister oder eine Anfrage beim örtlich zuständigen Gewerbeaufsichtsamt hilft weiter: Gibt es das Unternehmen, das in dem Arbeitsvertrag mit einer Adresse in Deutschland auftritt, überhaupt? Oder handelt es sich um ein Fake-Unternehmen?

Je vollständiger die Tätigkeit als Finanzagent dokumentiert werden kann, je höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende auch Anhaltspunkte dafür gefunden werden können, dass keine Leichtfertigkeit im Sinne des Geldwäscheparagraphen vorgelegen hat, oder mit denen sich zumindest die weiteren Folgen abmildern lassen. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, kommt es darauf an, schnell, gezielt und kaltblütig zu handeln.

 

© RA Stefan Loebisch | Kontakt

 

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