Wettbewerbszentrale: Warenkorb-Erinnerung unzulässig

Die Wettbewerbszentrale vertritt in einer Stellungnahme vom 21.01.2015 den Standpunkt, dass eine Warenkorb-Erinnerung per E-Mail nach Wettbewerbsrecht unzulässig ist und darüber hinaus datenschutzrechtlich mehr als bedenklich ist.

Worum geht es?

Bei einer Warenkorb-Erinnerung handelt es sich um eine – meist automatisiert erstellte – E-Mail an solche Verbraucher, die den gesamten Bestellvorgang bis zum Bestell-Button durchlaufen, sich dann jedoch gegen den Kauf entscheiden, den Bestell-Button nicht mehr anklicken und den Webshop verlassen.

Wie bewertet die Wettbewerbszentrale die Warenkorb-Erinnerung rechtlich?

Nach Auffassung der Wettbewerbszentrale handelt es sich unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts um belästigende und damit unzulässige E-Mail-Werbung nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG, wenn der Verbraucher nicht zuvor seine ausdrückliche Einwilligung in eine derartige Warenkorb-Erinnerung erklärt hat.

Unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzrechts ist eine derartige Warenkorb-Erinnerung ohne vorherige Einwilligung des Kunden nicht durch § 28 Abs. 1 BDSG gedeckt. Unter den dort genannten Voraussetzungen ist zwar die Datenerhebung, die Datenspeicherung und die Datennutzung auch ohne Einwilligung des Kunden für eigene Geschäftszwecke erlaubt. Die Wettbewerbszentrale vertritt allerdings den Standpunkt, dass der Kunde zum Ausdruck bringt, keinerlei geschäftlichen oder anderweitigen Kontakt mit dem Unternehmen zu wünschen, indem er den Bestellvorgang abbricht.

Wie ist die Rechtsauffassung der Wettbewerbszentrale zu beurteilen?

Man mag davon halten, was man will – die Rechtsauffassung der Wettbewerbszentrale ist korrekt.

E-Mail-Werbung ja oder nein – Wettbewerbsrecht entscheidet

Für die Frage, ob ein Unternehmer unter Verwendung elektronischer Post – E-Mail, aber auch SMS oder Nachrichtendienste wie etwa WhatsApp – Werbung verschicken darf oder nicht, ist am Ende § 7 UWG entscheidungserheblich. § 28 BDSG ist lediglich vorgeschaltet und regelt vor allem, welche E-Mail-Adressen und sonstigen elektronischen Postadressen der Unternehmer in seine Adressdatenbank aufnehmen darf. Die Frage, an welche einzelne Adresse der Unternehmer dann auch Werbung verschicken darf, ist hierdurch noch nicht beantwortet. Dies regelt § 7 UWG.

Grundsatz: E-Mail-Werbung ohne ausdrückliche Einwilligung ist unzulässig

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist eine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen bei Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten.

Ausnahme: Bestandskundenwerbung

Nach § 7 Abs. 3 UWG gilt eine Ausnahme bei Werbung unter Verwendung elektronischer Post, wenn das Unternehmen die elektronische Postadresse des Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung erhalten hat, und unter anderem weiter der Kunde der Verwendung seiner elektronischen Postadresse für Werbung nicht widersprochen hat.

Keine hohen Anforderungen an belästigende Werbung – Verbraucher und Unternehmer gleichermaßen geschützt

Zunächst einmal: in beiden Fällen spricht das Gesetz lediglich vom „Adressaten“ bzw. vom „Kunden“ – eine Unterscheidung zwischen solchen Kunden, die Verbraucher sind, und solchen Kunden, die Unternehmer sind, findet nicht statt. Das Verbot gilt damit für B2B-Werbung gegenüber anderen Unternehmen genauso wie für B2C-Werbung gegenüber Verbrauchern.

Werbung wiederum muss sprachlich, grafisch oder sonst in ihrer Gestaltung nicht aufwendig sein. Die Warenkorb-Erinnerung beinhaltet letztlich nichts anderes als die Aufforderung, in den Webshop zurückzukehren, und dort doch noch zu bestellen. Ziel des Webshop-Betreibers ist nichts anderes, als doch noch die Bestellung zu erhalten, mit dem Kunden also ein Geschäft machen zu können. Damit ist die Warenkorb-Erinnerung Werbung.

Warenkorb-Erinnerung als zulässige Bestandskundenwerbung?

§ 7 Abs. 3 Nr. 1 UWG spricht von Werbung „im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung„. Nun könnte man meinen, ein derartiger Zusammenhang sei bereits gegeben, wenn der Kunde zwar den Webshop besucht, den Bestellvorgang dann aber wieder abbricht – ursprüngliche Absicht des Kunden war es schließlich, über den Webshop eine Ware oder eine Dienstleistung zu kaufen.

Aber: ein Verkauf, ein Kaufvertrag, setzt gerade zwei Willenserklärungen voraus, das Angebot der einen Seite und die Annahmeerklärung der anderen Seite. Webshop-AGB sehen regelmäßig vor, dass in der Warenkorb-Präsentation noch nicht einmal das Angebot des Verkäufers liegt. Das Angebot soll vielmehr erst in der verbindlichen Bestellung des Kunden, also im Klick auf den Bestell-Button liegen. Danach soll es dem Verkäufer regelmäßig freistehen, darüber zu entscheiden, das Angebot des Kunden anzunehmen oder aber abzulehnen.

Bei einem Abbruch des Bestellvorgangs liegt damit also nicht einmal die erste der beiden Erklärungen vor, die den Kaufvertrag ausmachen.

Wäre es die Absicht des Gesetzgebers gewesen, den Anwendungsbereich von § 7 Abs. 3 UWG auch auf solche Fälle auszudehnen, in denen es noch nicht zu einem rechtswirksamen Abschluss des Kaufvertrags oder Dienstleistungsvertrags gekommen ist, so hätte er dies im Gesetz anders formulieren können – beispielsweise „im Zusammenhang mit der Präsentation einer Ware oder Dienstleistung“ oder „im Zusammenhang mit dem Angebot einer Ware oder Dienstleistung“.

Praxisfolge für das Direktmarketing

Ein Kunde, der den Bestellvorgang abbricht, ist rechtlich gesehen also grundsätzlich zunächst einmal ein verlorener Kunde. § 7 UWG mit seinen strengen Vorgaben für die E-Mail-Werbung steckt mit seinem Regel-Ausnahme-System voller Stolperfallen. Eine Werbe-E-Mail, die in einem Fall ohne weiteres zulässig ist, kann in einem zweiten Fall einen Rechtsverstoß beinhalten und das Risiko einer Abmahnung nach sich ziehen.

Warenkorb-Erinnerungen sind nicht ausnahmslos unzulässig. Shopbetreiber, die Bestellabbrüchen nicht tatenlos zusehen wollen, sondern eine Warenkorb-Erinnerung ins Auge fassen, sollten die rechtlichen Voraussetzungen zunächst in allen Einzelheiten klären – und dann auch in ihrer Technik umsetzen.