Website mit Foto einer Fototapete: Urheberrecht verletzt?

Legal erworbene Fototapete als Bildhintergrund auf der eigenen Website – wird dadurch das Urheberrecht des Fotografen verletzt, von dem das Motiv stammt? Oder haben Hersteller oder Vertreiber der Fototapete einen Unterlassungsanspruch gegen den Betreiber der Website? Kann vom Betreiber der Website Schadensersatz gefordert werden? Die Gerichte urteilen bislang unterschiedlich.

Sachverhalt: Worum geht es?

Das Thema „Fototapete und Urheberrecht“ war auf der Website der Kanzlei Stefan Loebisch schon mehrfach Thema. Nicht nur Gastronomen und Hotelbetreiber waren in der Vergangenheit und sind weiterhin regelmäßig von Abmahnungen betroffen: Auf ihrer Website befindet sich ein Foto, das die Innenräume zeigt. Im Hintergrund ist eine Fototapete zu sehen. Diese Fototapete haben sie völlig legal im Handel erworben und zur Dekoration angebracht.

Plötzlich geht dem Website-Betreiber eine Abmahnung zu: Der Fotograf des auf der Fototapete wiedergegebenen Bildes, der Hersteller der Fototapete oder der Vertreiber behauptet, durch die Wiedergabe als Bildhintergrund werde gegen das Urheberrecht verstoßen. Vom Website-Betreiber werden eine Unterlassungserklärung, Auskunft über die bisherige Bildnutzung und Ersatz der Abmahnkosten gefordert.

Zu Recht? Die Gerichte urteilten in der jüngeren Vergangenheit ganz unterschiedlich.

Urteile zur Fototapete als Bildhintergrund

_ OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.02.2024, Az. I-20 U 56/23

Am 16.01.2024 verhandelte das Oberlandesgericht Düsseldorf über die Berufung eines Unternehmens mit Sitz in Richmond, Kanada, dessen CEO ein deutscher Fotograf ist. Das klagende Unternehmen sah das Urheberrecht des Fotografen an einer Fototapete verletzt sieht, weil ein Foto des damit tapezierten Zimmers auf einer Website veröffentlicht wurde. Vor dem Landgericht Düsseldorf war der Kläger erfolglos geblieben.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf wird im Februar 2024 erwartet. Einem Bericht zufolge wurde in der Verhandlung bereits deutlich, dass das OLG das Urteil des LG Düsseldorf bestätigen wird.

Nachtrag vom 12.02.2024 – Urteil vom 08.02.2024: 

Das juristische Nachrichtenportal beck-aktuell meldet in einem Bericht vom 12.02.2024, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf seinen Rechtsspruch verkündet hat: Mit Urteil vom 08.02.2024, Az. 20 U 56/23 hat das Gericht zugunsten der beklagten Hotelbetreiberin entschieden und die Klage des kanadischen Unternehmens abgewiesen. Unter anderem entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf, die beklagte Hotelbetreiberin habe mit dem Kauf der Fototapete konkludent auch das einfache Nutzungsrecht erworben, den Raum mit der an der Wand angebrachten Fototapete zu fotografieren und die Bilder im Internet zu veröffentlichen. Das klagende Unternehmen sei auch nach Treu und Glauben daran gehindert, die Ansprüche geltend zu machen. Käufer einer Fototapete dürften vernünftigerweise davon ausgehen, dass sie diese nicht nur anbringen, sondern auch Bilder von den Räumlichkeiten machen und veröffentlichen dürfen, weil dieses Vorgehen im Digitalzeitalter üblich sei. Wer Bilder für die Herstellung und den Vertrieb von Fototapeten nutze und diese in Verkehr bringe, schaffe einen Vertrauenstatbestand bei den Käufern.

Der Fotograf habe auf die Nennung als Urheber stillschweigend verzichtet, da die Tapeten ohne Urheberbezeichnung auf den Markt gekommen seien.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Eine ausführliche Urteilsbesprechung folgt auf den Seiten der Kanzlei Stefan Loebisch, sobald der Volltext des Urteils veröffentlicht ist.

_ LG Düsseldorf, Urteil vom 08.03.2023, Az. 12 O 129/22

Das Landgericht Düsseldorf hatte zuvor mit Urteil vom 08.03.2023, Az. 12 O 129/22, die Klage auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Abmahnkosten unter dem Gesichtspunkt der Urheberrechtsverletzung ab. Das Landgericht Düsseldorf begründete die Klageabweisung zugunsten der beklagten Websitebetreiberin unter anderem damit, dieser seien durch schlüssiges Verhalten ausreichende Nutzungsrechte eingeräumt worden, als sie die Fototapete erworben habe:

„Nach Auffassung der Kammer ist es als branchenüblich anzusehen, dass keine gesonderte Vergütung für Rechte an der öffentlichen Zugänglichmachung und Vervielfältigung von Lichtbildern der mit Fototapeten ausgestatteten Räumlichkeiten bezahlt wird.“

_ LG Stuttgart, Urteil vom 25.10.2022, Az. 17 O 39/22

Auch das Landgericht Stuttgart hingegen entschied mit Urteil vom 25.10.2022, Az. 17 O 39/22, zugunsten der beklagenden Vermieterin eines Ferienhauses. Die Rechtsausübung durch die klagende Inhaberin der Bildrechte des Fotografen sei unzulässig, weil sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergebe:

„Wer Fototapeten mit eigenen Motiven in den Verkehr bringt, muss im Digitalzeitalter grundsätzlich damit rechnen, dass Fotografien des Zimmers mit der Fototapete angefertigt und öffentlich zugänglich gemacht werden. Mit dem früheren Verhalten des Inverkehrbringens der Fototapete ist es grundsätzlich unvereinbar, den Käufer einer solchen Tapete später wegen urheberrechtlicher Verstöße auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, wenn er Fotos seines eigenen Zimmers veröffentlicht.“

_ LG Köln, Urteil vom 18.08.2022, Az. 14 O 350/21

Anders hatte kurz zuvor noch das Landgericht Köln mit Urteil vom 18.08.2022, Az. 14 O 350/21 entschieden. Das Landgericht entschied dort gegen die beklagte Vermieterin einer Ferienwohnung. Dabei argumentierte das Gericht unter anderem mit dem geringen Kaufpreis von nur 13,50 €:

„Auch beim Verkauf einer Wandtapete an ein Unternehmen ist nicht davon auszugehen, dass von vornherein mehr übertragen werden sollte als eben das Sacheigentum an der verkauften Tapete. Es hätte vielmehr nahegelegen, andernfalls einen entsprechenden Passus in die Rechnung aufzunehmen, was mutmaßlich auch einen höheren Preis bedeutet hätte. Die Beklagte konnte auch nicht ausgehen, dass allein aufgrund ihres gewerblichen Charakters jegliche Nutzung der erworbenen Tapete gestattet sein sollte.“

Auswirkung auf die Praxis

Noch handelt es sich um eine geringe Anzahl von Einzelfallentscheidungen. Eine einheitliche Linie der Oberlandesgerichte ist noch nicht absehbar.

Die Begründungen der Landgerichte Düsseldorf und Stuttgart sind jedoch praxisgerecht. Im unternehmerischen Bereich ist es üblich, auf der eigenen Website auch Innenaufnahmen aus den eigenen Räumen zu zeigen. Wer seine Fototapeten auch Unternehmen zum Kauf anbietet, muss deshalb damit rechnen, dass die Tapete irgendwo im Bildhintergrund mit erscheint. Wer das nicht möchte, kann ein ausdrückliches Verbot auf der Verpackung abdrucken: „Nur ankleben und anschauen, nicht fotografieren und auf der Website veröffentlichen!“. Ob ein solches Verbot den Absatz der Fototapeten fördert, sei dahingestellt.

Überhaupt hinterlässt die Diskrepanz von regulärem Kaufpreis und den mit den Abmahnungen und Klagen geltend gemachten Beträgen einen schalen Beigeschmack: Der Verdacht, hier werde mit Hilfe von Abmahnungen und Klagen eine zweite, lukrative, Einkünftequelle geschaffen, steht im Raum. Dies aber wäre Rechtsmissbrauch.

Ergänzung 06.03.2024: Revisionsverhandlung vor dem Bundesgerichtshof

Der Bundesgerichtshof teilt mit Pressemitteilung Nr. 51/2024 vom 06.03.2024 mit, dass am 27.06.2024 um 10:00 Uhr die Revisionsverhandlung in Sachen I ZR 139/23, I ZR 140/23, I ZR 141/23 zur urheberrechtliche Zulässigkeit der Nutzung von Abbildungen einer Fototapete stattfinden wird. In allen drei Revisionsverfahren scheint es sich bei der Klägerin um dasjenige Unternehmen zu handeln, das auch vor den Oberlandesgerichten Stuttgart und Düsseldorf erfolglos geblieben war.

Im Verfahren I ZR 139/23 hatte erstinstanzlich das Amtsgericht Düsseldorf die Klage mit Urteil vom 13.12.2022, Az. 13 C 65/22, und in der Berufungsinstanz das Landgericht Düsseldorf mit Urteil vom 27.09.2023, Az. 12 S 23/22, abgewiesen.

Im Verfahren I ZR 140/23 hatte ebenfalls erstinstanzlich das Amtsgericht Düsseldorf die Klage mit weiterem Urteil vom 13.12.2022, dort Az. 13 C 62/22, und nachfolgend das Landgericht Düsseldorf mit Urteil wiederum vom 27.09.2023, nunmehr Az. 12 S 24/22, abgewiesen.

Im Verfahren I ZR 141/23 hatte das Amtsgericht Düsseldorf mit drittem Urteil vom 13.12.2022, Az. 13 C 64/22, und in der Berufungsinstanz das Landgericht Düsseldorf ein weiteres Mal mit Urteil vom 27.09.2023, dort Az. 12 S 25/22, zugunsten der beklagten Partei entschieden.

Ob der Bundesgerichtshof seine Revisionsentscheidungen noch am 27.06.2024 oder erst zu einem späteren Zeitpunkt verkünden wird, ist gegenwärtig noch nicht absehbar.

 

© RA Stefan Loebisch | Kontakt