Urteil: Irreführung durch Platzhalter im Web-Impressum

Irreführung und Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht durch Platzhalter im Web-Impressum – das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main entschied mit Urteil vom 14.03.2017, Az. 6 U 44/16: Macht ein nicht in das Handelsregister eingetragenes Unternehmen in seiner Anbieterkennzeichnung die Angaben „Registergericht: Amtsgericht 000“ sowie „Registernummer: HR 0000“, liegt hierin ein Verstoß gegen die Impressumspflichten nach § 5 TMG. Das gleiche gilt für vergleichbare Angaben zur Aufsichtsbehörde sowie zu Umsatzsteuer- und Wirtschaftsidentifikationsnummern. Ein derartiger Verstoß ist zugleich wettbewerbsrechtlich unlauter und kann abgemahnt werden.

Platzhalter im Web-Impressum – was war geschehen?

Die beiden Prozessparteien sind als Versicherungsmakler in Darmstadt tätig und deswegen Mitbewerber. Der spätere Beklagte war mit seinem Unternehmen nicht in das Handelsregister eingetragen.

In seiner Anbieterkennzeichnung (Web-Impressum) gab der Beklagte zu Registergericht, Registernummer, Registrierungsnummer im Versicherungsvermittlerregister, zuständige IHK als Aufsichtsbehörde, Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und Wirtschaft-Identifikationsnummer jeweils nur drei oder mehr Ziffern „0“ an – „Amtsgericht 000“, „HR 0000“, „DE 00000000“, und dergleichen.

Der spätere Kläger beauftragte seinen Rechtsanwalt mit der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung. Da der Beklagte weder eine ausreichende Unterlassungserklärung abgab noch die Kosten der Abmahnung ersetzte, machte der Kläger seinen Unterlassungsanspruch und seinen Kostenersatzanspruch zunächst erstinstanzlich vor dem Landgericht Darmstadt und zweitinstanzlichen vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main geltend.

Platzhalter im Web-Impressum – wie entschied das Gericht?

Was den Unterlassungsanspruch anging, so entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main vollständig zugunsten des Klägers. Was die ersatzfähigen Abmahnkosten anging, so berechnete das Gericht diese aus einem Streitwert von 8.000,00 €.

Allgemein wies das Oberlandesgericht darauf hin, dass es sich bei den Bestimmungen des § 5 Abs. 1 TMG um Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG (UWG-Fassung seit 10.12.2015) bzw. § 4 Nr. 11 UWG (UWG-Fassung bis 10.12.2015) handelt.

Zu den fehlenden Angaben im Web-Impressum zur Aufsichtsbehörde führte das Gericht aus:

„Der Beklagte hat mit der Angabe „IHK 000″ insoweit keine ausreichenden Angaben gemacht.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts fehlt es dem Verstoß nicht an der Spürbarkeit im Sinne des § 3a UWG. Die Angabe ‚Zuständige Aufsichtsbehörde: IHK 000‘ ist nicht nur unvollständig, sondern auch irreführend. Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegt es für Verbraucher nicht ohne weiteres nahe, dass die IHK Darmstadt Aufsichtsbehörde ist, weil der Beklagte in Darmstadt ansässig ist. Die Angabe ‚000‘ ist mehrdeutig. Sie kann auch darauf hindeuten, dass es gar keine zuständige Aufsichtsbehörde gibt, weil kein erlaubnispflichtiges Gewerbe vorliegt. Hierfür spricht der Kontext des Impressums. Der Beklagte hat auch bei sämtlichen anderen Pflichtangaben deren Nichtvorhandensein mit mehreren Nullen gekennzeichnet. Es heißt zum Beispiel ‚Registergericht: Amtsgericht 000‘. Damit soll – nach Ansicht des Beklagten – nicht das für Darmstadt zuständige Amtsgericht bezeichnet werden, sondern verdeutlicht werden, dass gar keine Eintragung im Handelsregister vorliegt. Ein entsprechender Eindruck kann bei der Angabe ‚IHK 000‘ entstehen. Die Fortsetzung des Impressumsverstoßes kann deshalb nicht geduldet werden.“

Bei der erforderlichen Angabe der zuständigen IHK als Aufsichtsbehörde handele es sich um eine wesentliche Angabe:

„Das Fehlen der Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde stellt zugleich einen Verstoß gegen § 5a I, IV UWG dar. Bei § 5 TMG handelt es sich um Informationspflichten, die ihre Grundlage im Unionsrecht (Art. 5 I e-commerce-Richtlinie) haben und damit nach § 5a IV UWG per se als ‚wesentlich‘ gelten. Die fehlende Angabe ist auch geeignet, geschäftliche Entscheidungen der Verbraucher zu beeinflussen (§ 5 a II UWG). Geht der Verbraucher davon aus, dass kein erlaubnispflichtiges Gewerbe mit einer zuständigen Aufsichtsbehörde vorliegt, wird er möglicherweise davon abgehalten, sich vor einem Geschäftsabschluss über die Seriosität des Unternehmers bei der Behörde zu informieren. Das Erfordernis dient außerdem neben der vorvertraglichen Informationsmöglichkeit auch der nachvertraglichen Rechtsdurchsetzung oder einer Anzeige von möglichen Rechtsverletzungen durch einen Diensteanbieter auf seiner Internetseite.“

Zu den Angaben zum Registergericht, der Registernummer, der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und der Wirtschafts-Identifikationsnummer führte das Gericht aus:

„Es liegt ein Verstoß gegen § 5 I Nr. 4 und Nr. 6 TMG vor. Der Beklagte hat Angaben zum Registergericht, der Registernummer, der Umsatzsteueridentifikationsnummer und der Wirtschaftsidentifikationsnummer jeweils mit ‚Nullen‘ gekennzeichnet. Entgegen der Ansicht des Landgerichts wird aus diesen Angaben nicht ohne weiteres erkennbar, dass der Beklagte über entsprechende Registrierungen und Nummern nicht verfügt. Sofern ein Unternehmer nicht Adressat der im Katalog des § 5 TMG aufgeführten Pflichtangaben ist, haben Angaben zu unterbleiben. Falsche Angaben sind ebenso unlauter wie fehlende Angaben (vgl. Lorenz, WRP 2010, 1224, 1229). Die Angaben dürfen zudem nicht unklar und intransparent sein. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 5 TMG. Die Angaben zur Anbieterkennzeichnung sind im Interesse des Verbraucherschutzes und der Transparenz von geschäftsmäßig erbrachten Telemediendiensten vorgesehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sollen die vom Diensteanbieter mitgeteilten Informationen den Nutzern ermöglichen, die Tragweite ihrer zukünftigen Verpflichtung zu beurteilen und so die Gefahr bestimmter Irrtümer zu vermeiden, die zum Abschluss eines nachteiligen Vertrags führen können (BGH GRUR 2016, 957 Rn. 24 [BGH 25.02.2016 – I ZR 238/14] – Mehrwertdienstenummer). Auch wenn der Verkehr die Angabe ‚000‘ als ‚keine Angabe‘ interpretieren mag, bedeutet dies nicht, dass ihm auch klar ist, dass entsprechende Angaben gar nicht veranlasst sind, weil eine Eintragung im Handelsregister bzw. eine Umsatzsteueridentifikationsnummer gar nicht vorliegen. Die Angaben sind mehrdeutig. Sie können auch darauf hindeuten, dass der Beklagte die Angaben nicht veröffentlichen möchte oder dass die Daten nur vorrübergehend noch nicht vorliegen.“

Welche Auswirkung hat das Urteil auf die Praxis?

„Falsche Angaben sind ebenso unlauter wie fehlende Angaben“ – dies ist wohl der entscheidende Satz. In der Anbieterkennzeichnung dürfen Pflichtangaben nicht weggelassen werden, und in der Anbieterkennzeichnung dürfen Angaben, die noch fehlen oder die überhaupt nicht gemacht werden können, nicht durch Platzhalter ersetzt werden.

Das Urteil aus Frankfurt ist Warnung an alle impressumspflichtigen Website-Betreiber und ihre Webdesigner, die die Anbieterkennzeichnung aus vorgefertigten Lückentexten, mit Hilfe von Online-Impressums-Generatoren oder aus einem anderen Musterimpressum erstellen. Bevor die Anbieterkennzeichnung nicht vollständig und korrekt erstellt ist, darf die Seite nicht online gehen. Damit die Anbieterkennzeichnung vollständig und korrekt erstellt werden kann, muss überprüft werden:

  • Welche einzelnen Pflichtangaben sind im Web-Impressum erforderlich?
  • Welche Pflichtangaben sind bereits bekannt und können eingebaut werden?
  • Welche Pflichtangaben fehlen noch und müssen beschafft werden?

Wer hier schlampt oder mit einem Provisorium online geht, riskiert teure Abmahnungen.

 

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