Urteil: Filesharing-Verjährung 3 Jahre – Voraussetzung für Verjährungshemmung

Verjährung bei Filesharing und Verjährungshemmung durch Mahnbescheid – das Amtsgericht (AG) Nürtingen entschied mit Urteil vom 06.02.2015, Az. 17 C 1378/14: Nicht nur der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten, sondern auch der Lizenz-Schadensersatzanspruch verjährt nach 3 Jahren. Ein Mahnbescheid hat keine Verjährungshemmung zur Folge, wenn die Forderung dort anders berechnet wird als in der Abmahnung.

Was war geschehen?

Über das Urteil berichten die Kollegen der Kanzlei Kurz Pfitzer Wolf aus Stuttgart in deren Blog. Klägerin war die Foresight Unlimited LLC., vertreten durch die Kanzlei BaumgartenBrandt.

Die spätere Beklagte erhielt eine vom 23.09.2010 datierende Filesharing-Abmahnung. Mit dieser Abmahnung wurde sie aufgefordert, eine Unterlassungserklärung abzugeben und einen pauschalen Gesamtbetrag von 1.000 € zu zahlen. Die Abmahnung enthielt offenbar keine genaue Aufschlüsselung der Geldforderung in Abmahnkosten und Lizenz-Schadensersatz.

Da die Beklagte der Zahlungsaufforderung aus der Abmahnung offenbar nicht nachkam, beantragte die Klägerin den Mahnbescheid. Im Mahnbescheidsantrag gab die Klägerin ihre Hauptforderung folgendermaßen an:

„1. Rechtsanwalts-/Rechtsbeistandshonorar gemäß Abmahnung (Aktenzeichen) vom 23.09.10 555,60 Euro
2. Schadensersatz aus Lizenzanalogie (Abmahnung vom 23.09.2010; Az.: (Aktenzeichen) vom 23.09.10 400,00 Euro“

Die Hauptforderung betrug also insgesamt 955,60 €.

Der Mahnbescheid wurde der Beklagten am 14.12.2013 zugestellt. Gegen den Mahnbescheid legte die Beklagte fristgerecht Widerspruch ein. In der Folge beantragte die Klägerin das streitige Verfahren vor dem für den Wohnort der Beklagten zuständigen AG Nürtingen.

Wie entschied das AG Nürtingen zur Verjährung bei Filesharing?

Das AG Nürtingen erteilte sowohl einer Verjährung in 10 Jahren eine Absage, wie es auch eine Verjährungshemmung durch den vor Ablauf der 3-Jahres-Frist erlassenen Mahnbescheid verneinte.

Zur Verjährung bei Filesharing in 3 Jahren und nicht erst in 10 Jahren führte das AG Nürtingen in seiner Urteilsbegründung aus::

„Die §§ 102 Satz 2 UrhG, 852 BGB, nach denen der Anspruch in zehn Jahren von seiner Entstehung an verjährt, sind hier nicht anwendbar. § 102 Satz 2 UrhG lässt § 852 BGB und die damit einhergehende zehnjährige Verjährungsfrist des § 852 Satz 2 BGB nur dann entsprechend Anwendung finden, wenn der Verpflichtete durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Berechtigten etwas erlangt hat.
Die Vorteile, um die das Vermögen des Schädigers infolge der unerlaubten Handlung gemehrt ist, können im Verhältnis zum Gläubiger eine ungerechtfertigte Bereicherung darstellen. Hier ist jedoch nicht ersichtlich, inwieweit das Vermögen der Beklagten aufgrund der angeblichen Rechtsverletzung gemehrt sein sollte.
Die Beklagte hätte hier allenfalls Aufwendungen, die sie zur legalen Nutzung des geschützten Filmwerks gehabt hätte, erspart. Aufwendungsersparnisse sind jedoch kein ‚erlangtes Etwas‘, da sie nur mittelbare Folgewirkungen im Vermögen des Empfängers darstellen.“

Und weiter zur fehlenden Verjährungshemmung durch den Mahnbescheid:

„Zwar ist dessen Berücksichtigung möglich, auch wenn es dem Mahnantrag nicht beigefügt wird, sofern es dem Anspruchsgegner zuvor zugegangen war.
Ergeben sich jedoch auch aus der Abmahnung die Ansprüche mangels Aufschlüsselung nicht hinreichend konkret oder finden sich dort andere als die im Mahnbescheid genannten Beträge oder Zeitangaben, kann eine Verjährungshemmung auch durch die Bezugnahme nicht erreicht werden. Es handelt sich nicht nur um Rechnungspositionen eines einheitlichen Anspruchs, sondern um dem Wesen nach unterschiedliche Ansprüche aufgrund unterschiedlicher Anspruchsgrundlagen. Der Abgemahnte muss im Mahnverfahren beurteilen können, ob er sich gegen die Forderung zur Wehr setzen will oder nicht. Eine Individualisierung der Forderungen im Rahmen des streitigen Verfahrens ist nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr möglich, da diese keine Rückwirkung entfaltet.“

Welche Auswirkung hat das Urteil des AG Nürtingen auf die Filesharing-Praxis?

Das Urteil des AG Nürtingen beinhaltet keine revolutionären neuen Erkenntnisse, sondern bestätigt die sich immer mehr durchsetzende Rechtsauffassung, wonach nicht nur der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten, sondern auch der Lizenz-Schadensersatzanspruch bei Filesharing innerhalb der regelmäßigen, 3-jährigen, Frist verjährt.

Das Urteil ist aufgrund seiner sprachlichen Knappheit und Schnörkellosigkeit, mit dem es diese Rechtsauffassung geradeheraus auf den Punkt bringt, wert, im Auge behalten zu werden.

Noch ist das Urteil des AG Nürtingen nicht rechtskräftig. Es muss in diesem Fall abgewartet werden, ob die unterlegene Klägerin gegen das Urteil Rechtsmittel einlegt – und ob in der Rechtsmittelinstanz anders entschieden wird, als dies mehrere andere Gerichte zuvor taten.