Videoüberwachung im Bürogebäude – das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg entschied mit Urteil vom 29.09.2014, Az. 11 LC 114/13: Der Eingangsbereich und die Treppenaufgänge zu Geschäftsräumen eines Bürogebäudes sind öffentlich zugängliche Räume im Sinn des § 6b Abs. 1 BDSG. Oder kann die Videoüberwachung durch festinstallierte Mini-Dome-Kameras ohne Zoom-Funktion und die kurzfristige Speicherung der Aufnahmen im sogenannten black-box-Verfahren zur Wahrnehmung berechtigter Interessen – hier zur Verhinderung von Straftaten – nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG erforderlich sein.
Videoüberwachung im Bürohaus – was war geschehen?
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Bürogebäudes. In dem Gebäude befindet sich der Verwaltungssitz der Klägerin. Die übrigen Räume sind an insgesamt 13 Unternehmen vermietet, hierunter Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater und eine Förderbank. Im Dezember 2009 wurden aus dem im Erdgeschoss liegenden Büro einer Steuerberatungskanzlei sechs Notebooks gestohlen. Deshalb und wegen vorangegangener drei Fälle von Graffiti-Vandalismus brachte die Klägerin Anfang 2010 zehn Videokameras an.
Die Videokameras werden im sogenannten Black-Box-Verfahren als Mini-Dome-Videokameras betrieben. Sie sind fest installiert und fest auf einen Sichtbereich ohne Zoom-Funktion ausgerichtet. Die Kameras schalten sich nur bei Bewegungen im Treppenhaus automatisch ein. Die Aufnahmen werden auf einer Festplatte gespeichert und spätestens nach 10 Tagen automatisch überschrieben, d. h. gelöscht.
Der spätere Beklagte, der Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, forderte die Klägerin auf, die im Bereich der Steuerberatungskanzlei angebrachte Videokamera und sieben weitere Kameras zu deinstallieren. Gegen diese Verfügung des Landesdatenschutzbeauftragten ging die Klägerin gerichtlich vor.
Wie entschied das OVG Lüneburg über die Videoüberwachung?
Das OVG Lüneburg gab der Klägerin recht.
Aus der Urteilsbegründung:
„Die Klägerin kann sich aber auf eine konkrete Gefährdungslage berufen (…). Diese konkrete Gefährdungslage ergibt sich zwar nicht mit hinreichender Sicherheit aus dem Gesichtspunkt der Verunstaltung des Gebäudes mit Graffitis. Derartige Schmierereien sind in der Vergangenheit lediglich an der Außenfassade des Gebäudes, nicht aber innerhalb des Gebäudes, in der sich die Videokameras befinden, angebracht worden. Die Klägerin hat aber zutreffend darauf hingewiesen, dass in jüngerer Vergangenheit aus den Büros der in dem Gebäude befindlichen Steuerberatungsgesellschaft mehrere wertvolle Notebooks und aus dem Kellergeschoss dort lagernde Paletten gestohlen worden sind. Die aufgrund der Abschreckungswirkung mögliche Verhinderung von Straftaten zum Nachteil des Eigentümers des überwachten Objekts und der Vertragspartner und die Sicherung von Beweismaterial zur Aufklärung von begangenen Straftaten stellen ein berechtigtes Interesse dar. Die zu fordernde objektive Begründbarkeit des berechtigten Interesses liegt vor, wenn sie sich auf konkrete Tatsachen stützen kann, aus denen sich der zu erwartende Eintritt einer Gefahr ergibt (…). Ein solcher Fall ist hier gegeben. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sich in den unter anderem an diverse Kanzleien und Steuerberatungsbüros vermieteten Räumen des Bürogebäudes sensible schützenswerte Daten der Kunden dieser Unternehmen befinden.“
Praxishinweise zur Videoüberwachung im Bürogebäude
Das Urteil zeigt, dass des den einen Fall nicht gibt. Die Frage, ob Videoüberwachung in einem Gebäude zulässig ist oder nicht, folgt einer Güterabwägung. Das Persönlichkeitsrecht der Personen, die das Gebäude betreten, sind gegen die Interessen der Hauseigentümer und der Mietparteien abzuwägen. Die Frage, ob Videoüberwachung zulässig ist oder nicht, ist also Einzelfallentscheidung.
Es kommt damit auf die ausreichende Begründung an.