BGH: Keine Verjährungshemmung bei Falschangabe im Mahnantrag

Antrag auf Mahnbescheid und Verjährungshemmung – der Bundesgerichtshof (BGH) entschied mit Urteil vom 23.06.2015, Az. XI ZR 536/14: Wer im Mahnverfahren bewusst falsche Angaben macht, kann sich nicht auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids berufen.

Was war geschehen?

Der Kläger machte eine Schadensersatzforderung geltend, gegen die sich die Beklagte mit der Einrede der Verjährung verteidigte.

Der Kläger erwarb im Jahr 1992 Wohnungseigentum. Den Kaufpreis finanzierte er über Darlehen der Beklagten. Spätestens im Jahr 2005 erfuhr der Kläger von möglichen Ansprüchen gegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung. Derartige Schadensersatzansprüche unterliegen der dreijährigen Regelverjährung nach § 195 BGB. Die Verjährung wäre also mit Ablauf des 31.12.2008 eingetreten. Deshalb ließ der Kläger am 30.12.2008 durch seinen damaligen Anwalt Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids stellen. Dort machte er in der Hauptsache Zahlung von „großem“ Schadensersatz geltend – der Kläger verlangte also nicht nur den Differenzbetrag, der sich aus der Verletzung der Aufklärungspflicht ergab.

„Großer Schadensersatz“ bedeutet vielmehr, dass der Anspruchsteller die gesamte Leistung zurückgewährt und im Gegenzuge deren gesamten Wert nebst Vermögensfolgeschäden wie beispielsweise entgangenem Gewinn ersetzt bekommt. Der Kläger hätte also das Wohnungseigentum zurückgeben müssen.

In dem Antrag auf Erlass des Mahnbescheids ließ der Kläger aber erklären, dass der Anspruch von einer Gegenleistung nicht abhänge, obwohl sein Anwalt wusste, dass die Beklagte „großen“ Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Übertragung des Wohnungseigentums schuldete. Der Mahnbescheid wurde der Beklagten im Januar 2009 zugestellt. Die Beklagte legte gegen den Mahnbescheid den Widerspruch ein. Die Angelegenheit wurde dann zur streitigen Verhandlung an das Landgericht Freiburg abgegeben. Mit Schriftsatz vom 06.05.2010 begründete der Kläger dort seine Schadensersatzforderung. Da der Kläger sowohl vor dem Landgericht wie auch vor dem Oberlandesgericht erfolglos blieb, legte er schließlich die Revision zum BGH ein.

Wie entschied der BGH zur Verjährungshemmung bei falschen Angaben?

Der BGH wies die Revision zurück.

Nach § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO finde das Mahnverfahren nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhänge. Wer einen Mahnbescheid beantrage, müsse nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO erklären, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhängt oder dass die Gegenleistung erbracht ist. Der Kläger habe gewusst, dass er „großen“ Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Rückgabe der Eigentumswohnung verlangen könne. Im Antrag habe der Kläger aber behauptet, der Anspruch sei von einer Gegenleistung nicht abhängig. Der Kläger habe also im Mahnverfahren in Kenntnis der Rechtslage bewusst eine sachlich unrichtige Erklärung abgegeben.

Die Verjährung werde zwar nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt. Die Geltendmachung des „großen“ Schadensersatzes stelle in diesem Fall aber einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar. Dieser Missbrauch verwehre es dem Antragsteller nach § 242 BGB grundsätzlich, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen. Unter diesen Umständen sei es dem Antragsteller im Regelfall auch versagt, sich wenigstens auf eine Hemmung der Verjährung in Höhe des „kleinen“ Schadensersatzes zu berufen. Deshalb habe sich auch der Kläger, nachdem die Verjährungsfrist ohne Zustellung des Mahnbescheids abgelaufen wäre, so behandeln lassen müssen, als sei sein Anspruch verjährt.

Welche Auswirkung hat das Urteil des BGH auf die Praxis?

Über die Frage, welche Auswirkungen falschen Angaben im Mahnbescheid auf die Verjährungshemmung haben, entschied zwar der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat. Die Entscheidung betrifft aber nicht nur das Bankrecht, sondern auch die anderen Bereiche des Zivilrechts.

Nicht die Verjährung des „große“ Schadensersatzanspruchs, sondern auch die Verjährung des „kleinen“ Schadensersatzanspruchs wird nicht gehemmt, wenn im Mahnantrag falsche Angaben gemacht werden – der Antragsteller geht also völlig leer aus.

Wenn das Jahresende heransteht, herrscht in vielen Anwaltskanzleien Hektik – drohende Verjährungen sollen in letzter Minute durch einen Mahnbescheidsantrag abgewendet werden. Hier gilt es, den Anspruch und dessen rechtliche Voraussetzungen genau zu prüfen – vorschnelles Agieren nach der Devise „besser zu viel als zu wenig verlangt“ kann sich als Irrweg erweisen.