Verjährung von Schadensersatzforderungen nach einer Filesharing-Abmahnung – das Amtsgericht (AG) Kassel entschied mit Urteil vom 24.07.2014, Az. 410 C 625/14: Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten wie auch der Anspruch auf Lizenz-Schadensersatz unterliegt der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB.
Inhalt
Klage gegen den Anschlussinhaber – was war geschehen?
Die Klägerin verlangte von dem Beklagten Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von 1.580 € und Lizenz-Schadensersatz in Höhe von 2.500 €. Über den Internet-Anschluss des Beklagten sollen am 21.08.2009 und 25.08.2009 zwei Musikalben über eine Filesharing-Tauschbörse verbreitet worden sein. Die Deutsche Telekom als Service Provider hatte der Klägerin am 04.12.2009 Auskunft erteilt, die IP-Adresse sei zum Tatzeitpunkt dem Anschluss des Beklagten zugeordnet gewesen. Deshalb hatte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 09.02.2010 abgemahnt. Der Beklagte hatte zwar noch im Februar 2010eine Unterlassungserklärung abgegeben, aber nur 100 € pauschalen Schadensersatz nach § 97a UrhG (alte Fassung) gezahlt.
Am 23.12.2013 beantragte die Klägerin gegen den Beklagten den Mahnbescheid. Das Mahngericht erließ den Mahnbescheid am 02.01.2014. Am 04.01.2014 wurde der Mahnbescheid dem Beklagten zugestellt. Der legte gegen den Mahnbescheid Widerspruch ein. Das Mahngericht gab die Sache im Anschluss an das AG Kassel zur Durchführung des streitigen Verfahrens ab. Dort gingen die Akten am 07.02.2014 ein.
Wie entschied das AG Kassel über die Klage und zur Verjährung?
Das AG Kassel wies die Klage ab.
Regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist
Die regelmäßige Verjährungsfrist für diese Ansprüche betrage gemäß § 195 BGB 3 Jahre. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginne die Verjährung am Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger – hier die Klägerin – von allen anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners – hier der Beklagte – Kenntnis erlangt hat. Verjährungsbeginn für die beiden Vorfälle vom 21.08.2008 und 25.08.2009 sei danach der 31.12.2009, 24.00 Uhr. Diese Verjährungsfrist sei folglich am 31.12.2012 abgelaufen.
Kein Anerkenntnis durch Unterlassungserklärung – kein Neubeginn der Verjährung
Die Unterlassungserklärung des Beklagten beinhalte kein Anerkenntnis der Forderung, das nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zum Neubeginn der Verjährung geführt hätte. Sofern mit der Unterlassungserklärung nicht ausdrücklich auch der Kostenerstattungsanspruch betreffend die Abmahnung anerkannt werde, lasse sich aus der Erklärung oder ihrer Abgabe auch nicht das Anerkenntnis des Kostenerstattungsanspruches ableiten.
Mahnbescheid zu spät beantragt – keine Hemmung der Verjährung
Auch der Mahnbescheid vom 02.01.2014 habe auf die Verjährung keine Auswirkung gehabt. Zwar könne die Zustellung des Mahnbescheides nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB zur Hemmung der Verjährung führen. Dies setze jedoch voraus, dass zu diesem Zeitpunkt die Verjährung noch nicht eingetreten ist. Bereits mit Ablauf des 31.12.2012 sei jedoch Verjährung eingetreten. Auch unter Berücksichtigung der Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO habe keine Hemmung eintreten können, weil auch der Mahnantrag vom 23.12.2013 erst weit nach Eintritt der Verjährung gestellt wurde.
Keine zehnjährige Verjährung
Die Klägerin könne für sich nicht die zehnjährige Verjährungsfrist nach § 852 S. 2 BGB reklamieren. Voraussetzung sei, dass der Schädiger tatsächlich etwas erlangt habe, dies könne die ersparte Lizenzgebühr sein, wenn die Wahrnehmung des Urheberrechts typischerweise nur gegen eine Lizenzgebühr eingeräumt werde. Dies sei etwa dann der Fall, wenn die Rechtewahrnehmung bei einer Verwertungsgesellschaft lizenziert werden könne.
Das AG Kassel wies in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27.10.2011, Aktenzeichen I ZR 175/10 „Bochumer Weihnachtsmarkt“ hin.
Hier lägen jedoch die tatsächlichen Verhältnisse anders. Die Grundsätze der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könnten vorliegend keine Anwendung finden.
Wörtlich in den Urteilsgründen:
„Denn dem erkennenden Gericht ist kein Anbieter bekannt, der Werke der Musik oder Filmwerke dergestalt lizenziert, dass sie im Wege des Filesharings angeboten werden können. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Klägerin – wie alle dem erkennenden Gericht bekannten Gläubiger vergleichbarer Ansprüche – Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie Begehren. Lizenzanalogie bedeutet aber, dass zumeist im Wege der Schätzung ein Schadensersatzanspruch danach ermittelt wird, was dem verletzten Urheber an Lizenzgebühren entgangen ist. Ein bereicherungsrechtlich abschöpfbarer Vorteil muss dabei den Schädiger gar nicht entstanden seien. So ist es hier. Der Hauptzweck des typischen Nutzers einer Internet-Tauschbörse beim Filesharing liegt darin, beispielsweise das Musikstück zu erhalten. Der technisch damit zugleich verbundene Upload wird damit gleichsam nur als notwendiges Übel verbunden, ohne dass er zielgerichtet beabsichtigt ist. Es wird allenfalls billigend in Kauf genommen, dass ein weiterer Teilnehmer der Tauschbörse nunmehr in der Lage ist, dasselbe Musikstück seinerseits herunter zu laden. Er erspart sich mithin keine Lizenzgebühren, weil er diese auch bei einer legalen Vorgehensweise gerade nicht bezahlt hätte. Gezahlt worden wäre allenfalls der übliche Kaufpreis etwa einer CD. Denn dem Nutzer geht es beim Filesharing nur um den Gebrauch des konkreten Werkes für eigene Zwecke, nicht um die darüber hinausgehende Nutzung oder gar Verbreitung. Darin unterscheidet sich der typische Tauschbörsenteilnehmer von demjenigen, der etwa seine Verkaufsstätte mit Musikwerken beschallt, um damit das Kaufverhalten potentieller Kunden zu befördern. Ein solcher Urheberrechtsverletzer würde bei legalem Vorgehen nämlich entsprechende Lizenzgebühren bezahlen.“
Welche Auswirkung hat das Urteil des AG Kassel auf die Rechtsverteidigung gegen Filesharing-Abmahnungen?
Das AG Kassel steht mit seiner Rechtsauffassung, dass der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten und der Anspruch auf Lizenz-Schadensersatz grundsätzlich nach drei Jahren verjährt, nicht alleine da: In der gleichen Weise urteilte das Amtsgericht Bielefeld mit Urteil vom 06.03.2014, Az. 42 C 368/13.
Für die Rechtsverteidigung gegen Filesharing-Abmahnungen in der Praxis wichtig ist zunächst einmal der Hinweis des Gerichts, dass eine Unterlassungserklärung zu keinem Neubeginn der Verjährung führt, solange dort die Kostenersatzpflicht nicht ausdrücklich anerkannt ist. Ein solches Anerkenntnis der Kostenersatzpflicht ist aber regelmäßig in den vorformulierten Unterlassungserklärung mit enthalten, die den Abmahnschreiben beiliegen. So gilt es hier, aufzupassen und die Unterlassungserklärung unter fachkundiger Anleitung auf das absolut notwendige zu beschränken, um Verjährungsfallen zu entgehen.
Wenn nach einem Widerspruch gegen einen Mahnbescheid tatsächlich in das streitige Verfahren übergeleitet wird, lohnt es sich, anhand des Kalenders präzise nachzurechnen, ob die Verjährung durch das Mahnverfahren tatsächlich gehemmt wurde. Nach § 204 Abs. 1 Nummer 3 BGB endet nämlich die Verjährungshemmung durch Zustellung des Mahnbescheides, wenn der Antragsteller nicht innerhalb von sechs Monaten den für die Überleitung in das streitige Verfahren erforderlichen weiteren Gebühren Vorschuss einzahlt. Diese Frist von sechs Monaten beginnt, wenn dem Antragsteller die Mitteilung zugeht, dass der Antragsgegner gegen den Mahnbescheid den Widerspruch eingelegt hat. Hier können manchmal wenige Tage über den Erfolg oder den Misserfolg einer Verteidigung gegen die Klage entscheiden.
Insgesamt: Wie bei jeder Rechtsverteidigung kommt es auf Kaltblütigkeit und Sorgfalt an – Kaltblütigkeit, sich nach einer Abmahnung nicht durch kurze Fristen und ellenlange Zitate aus furchterregenden Urteilen zu übereilten und untergeschobenen Anerkenntnis hinreißen zu lassen; Sorgfalt, den urheberrechtlichen Sachverhalt mit einem Kalender in der Hand auf eine mögliche Verjährung der Ansprüche hin zu untersuchen.
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