Pfändung einer Internet-Domain – der Bundesfinanzhof (BFH) entschied mit Urteil vom 20.06.2017, Az. VII R 27/15: Die Gesamtheit der zwischen dem Inhaber einer Internet-Domain und der jeweiligen Vergabestelle bestehenden schuldrechtlichen Haupt- und Nebenansprüche kann als ein anderes Vermögensrecht nach § 321 Abs. 1 AO Gegenstand einer Pfändung sein. Bei der Pfändung der sich aus einem Domainvertrag ergebenden Ansprüche muss aber Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden.
Pfändung einer Internet-Domain – was war geschehen?
Klägerin in dem Verfahren war die DENIC eG als Registrierungsstelle der .de-Domains. Beklagte Partei war ein Finanzamt. Dieses Finanzamt betrieb wegen rückständiger Steuern und steuerlicher Nebenleistungen in Höhe von rund 89.000 € gegen einen Webshop-Betreiber die Zwangsvollstreckung. Hierbei erließ das Finanzamt eine Pfändungsverfügung gegen die DENIC eG als Drittschuldnerin: Das Finanzamt pfändete den Anspruch des Vollstreckungsschuldners auf Aufrechterhaltung der Registrierung seiner Domain als Hauptanspruch aus dem Registrierungsvertrag und alle weiteren sich aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem Steuerschuldner und der DENIC ergebenden Nebenansprüche.
Mit ihrem Einspruch und mit ihrer Klage vor dem Finanzgericht (FG) Münster – Urteil vom 16.09.2015, Az. 7 K 781/14 AO – blieb die DENIC erfolglos.
Mit ihrer Revision zum BFH machte die DENIC geltend, sie sei entgegen der Auffassung des FG Münster nicht Drittschuldnerin.
Wie entschied der BFH zur Domainpfändung und zur Stellung der Registrierungsstelle als Drittschuldner?
Der BFH hob die Vorentscheidung des FG Münster auf und verwies den Rechtsstreit dorthin zur weiteren Entscheidung zurück; § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO.Dies geschah aber nur, weil unklar geblieben war, welchen Wert die Domain des Steuerschuldners hat – im übrigen, so der BFH, habe das FG Münster korrekt entschieden.
Eine Internet-Domain könne als eine Gesamtheit schuldrechtlicher Ansprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle aus dem Registrierungsvertrag zustehen, Gegenstand einer Pfändung i.S. des § 321 Abs. 1 AO sein. Einer Registrierungsstelle komme die Stellung eines Drittschuldners zukommt, der nach § 316 Abs. 1 AO erklärungs- und auskunftspflichtig ist:
„Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des BGH (Beschluss in NJW 2005, 3353) und der Vorinstanz an, nach der eine Internet-Domain an sich zwar kein absolutes pfändbares Recht ist, aber die Gesamtheit der zwischen dem Inhaber der Internet-Domain und der jeweiligen Vergabestelle bestehenden schuldrechtlichen Ansprüche als Vermögensrecht i.S. des § 857 Abs. 1 ZPO und § 321 Abs. 1 AO Gegenstand einer Pfändung sein kann. Bei diesen Ansprüchen handelt es sich nach der Eintragung der Domain in das Register und den Nameserver um Ansprüche auf dauerhafte Aufrechterhaltung dieser Eintragung als Voraussetzung für die Konnektierung, auf Anpassung des Registers an veränderte persönliche Daten oder ihre Zuordnung zu einem anderen Rechner durch Änderung der IP-Nummer oder auf Berichtigung, wenn ein Dritter in der sog. ‚Whois-Datenbank‘ zu Unrecht als Inhaber des Domainnamens geführt wird (BGH-Urteil vom 18. Januar 2012 I ZR 187/10, BGHZ 192, 204). Zudem kann sich jeder Namensträger die Priorität für einen aus dem bürgerlichen Namen gebildeten Domainnamen durch einen Dispute-Eintrag bei der Klägerin sichern (BGH-Urteil vom 24. März 2016 I ZR 185/14, MMR 2017, 29). Die dem Inhaber der Internet-Domain aus dem Registrierungsvertrag zustehenden Ansprüche lassen sich auch verwerten, z.B. durch Überweisung an Zahlungs statt zu einem Schätzwert (BGH-Beschluss in NJW 2005, 3353), durch öffentliche Versteigerung (Beschluss des AG Bad Berleburg vom 16. Mai 2001 6 M 576/00, Rechtspfleger 2001, 560), durch freihändige Veräußerung oder durch entgeltliche Überlassung der Ausübung (Stöber, a.a.O., Rz 1645b).“
Zum Auskunftsanspruch der Registrierungsstelle gegenüber dem Finanzamt im Rahmen der Zwangsvollstreckung führte der BFH aus:
„Entgegen der Auffassung der Klägerin ist ihre Einbeziehung in das Vollstreckungsverfahren nicht deshalb entbehrlich, weil das FA sich mit einer sog. Whois-Abfrage ohne Weiteres die Informationen selbst verschaffen könnte, die es von der Klägerin nach § 316 Abs. 1 AO verlangt. Denn in der Whois-Abfrage werden nach § 8 der Domainbedingungen lediglich die Namen, Anschriften, Telefonnummern, Telefaxnummern sowie E-Mail-Adressen der Domaininhaber veröffentlicht. Keine Auskunft gibt die Abfrage darüber, ob Ansprüche aus dem Registrierungsvertrag bereits für andere Gläubiger gepfändet worden sind. Zu einer solchen Auskunft ist der Drittschuldner jedoch nach § 316 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO verpflichtet. Lediglich wenn ein Dritter Tatsachen glaubhaft macht, die dafür sprechen, dass ihm ein Recht an der Domain zukommt oder sie seine Rechte verletzt, kann die Domain nach § 2 Abs. 3 der Domainbedingungen mit einem Dispute-Eintrag versehen werden, der einer Übertragung der Domain entgegensteht.“
Die Pfändung des Anspruchs auf Aufrechterhaltung der Domain-Registrierung als Hauptanspruch und aller weiteren sich aus dem Registrierungsvertrag ergebenden Nebenansprüche stehe jedoch unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit:
„Nach § 281 Abs. 3 AO hat die Pfändung zu unterbleiben, wenn die Verwertung der pfändbaren Gegenstände einen Überschuss über die Kosten der Vollstreckung nicht erwarten lässt. Dieser Regelung ist –als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes– ein Verbot der zwecklosen Pfändung zu entnehmen. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats muss die Vollstreckungsbehörde bei Erlass von Vollstreckungsmaßnahmen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten (Senatsentscheidungen vom 18. Juli 2000 VII R 101/98, BFHE 192, 232, BStBl II 2001, 5; vom 24. September 1991 VII R 34/90, BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57, und vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787). Bei rechtmäßiger Ermessensausübung darf die Vollstreckungsbehörde eine Pfändungsmaßnahme nur erlassen, wenn sie aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze oder sogar aufgrund konkreter Anhaltspunkte davon ausgehen kann, dass der Vollstreckungsschuldner möglicherweise Forderungen gegen den Drittschuldner hat (Senatsurteil in BFHE 192, 232, BStBl II 2001, 5). Dabei muss der Zugriff auf die Vermögenswerte des Vollstreckungsschuldners nicht nur rechtlich zulässig, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sein (BGH-Beschluss in NJW 2005, 3353). Unter Beachtung des schutzwürdigen Interesses des Vollstreckungsschuldners muss hinreichender Anlass für die Annahme bestehen, dass die Pfändung zu dem Erfolg der Befriedigung der Forderungen der Behörde führen könnte (Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 281 AO Rz 30; Zeller-Müller in Beermann/Gosch, AO, § 281 Rz 28), so dass sich eine Pfändung in das bewegliche Vermögen als unzulässig erweist, wenn die gepfändeten Gegenstände oder die gepfändeten anderen Vermögensrechte (§ 321 AO) wertlos bzw. unverkäuflich sind (Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 281 AO Rz 14, m.w.N.).“
Auf den konkreten Fall übertragen:
„Ausweislich der streitgegenständlichen Pfändungsverfügung betrugen die vom Vollstreckungsschuldner geschuldeten Abgaben 89.079,10 EUR. Es ist nicht ohne Weiteres erkennbar, dass die Verwertung der von der Klägerin registrierten Internet-Domain … bzw. der sich aus dem Registrierungsvertrag ergebenden Haupt- und Nebenansprüche zu einer auch nur teilweisen Befriedigung der Forderungen des FA hätte führen können. Das FA hat den Wert bzw. die Verwertbarkeit der von ihm gepfändeten Ansprüche in seinem schriftsätzlichen Vorbringen nicht dargelegt. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des FA diesbezüglich keine konkreten Angaben machen können. Da das FG keine Feststellungen zum Wert dieser Ansprüche getroffen hat, ist der erkennende Senat an einer Entscheidung gehindert, so dass die Sache an das FG zurückzuverweisen ist. Im zweiten Rechtsgang hat das FG solche Feststellungen nachzuholen und unter Beachtung der dargestellten Grundsätze darüber zu entscheiden, ob sich die Pfändung unter den besonderen Umständen des Streitfalls unter dem Gesichtspunkt des Verbots der nutzlosen Pfändung als unzulässig erweist.“
Welche Auswirkung hat die Entscheidung auf die Praxis?
Das Urteil des BFH zusammengefasst:
- Die Internet-Domain an sich ist kein absolutes pfändbares Recht.
- Die Pfändung der schuldrechtlichen Ansprüche des Domain-Inhabers gegenüber der Vergabestelle, hier vor allem die Pfändung des Anspruchs auf Konnektierung der Domain, ist grundsätzlich zulässig.
- Wird diese Pfändung von den Finanzbehörden betrieben, darf sie aber nicht wirtschaftlich nutzlos sein.
Die gepfändeten Ansprüche des Domain-Inhabers aus dem Registrierungsvertrag lassen sich im Rahmen der Zwangsvollstreckung verwerten, z.B. durch Überweisung an Zahlungs statt zu einem Schätzwert, durch öffentliche Versteigerung, durch freihändige Veräußerung oder durch entgeltliche Überlassung der Ausübung.
Dies gilt nicht nur für eine Pfändung durch die Finanzbehörden, sondern auch für eine Pfändung durch andere Gläubiger, z.B. aufgrund eines zivilgerichtlichen Urteiles eines Amtsgerichts oder Landgerichts. Dort gilt überdies der – hier zur Zurückverweisung an das FG führende – Vorbehalt nicht, dass die Pfändung wirtschaftlich sinnvoll sein muss.
Die Gefahr einer „Domainpfändung“ oder präzise gesagt die Gefahr einer Pfändung der Ansprüche, die dem Domain-Inhaber gegenüber der Registrierungsstelle zustehen, ist aus der Sicht eines Domain-Inhabers, der seine Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt, sehr ernst zu nehmen. Bei einem Unternehmer kann eine derartige Pfändung die Grundlage der eigenen weiteren wirtschaftlichen Betätigung erschüttern.
© RA Stefan Loebisch | Kontakt