Entwürdigende Behandlung von untergebenen Soldaten: Tatbestand

Entwürdigende Behandlung von untergebenen Soldaten und innerdienstliche Äußerungen gegenüber anderen Vorgesetzten hinter verschlossener Tür – nicht jede abfällige Äußerung eines militärischen Vorgesetzten erfüllt den Tatbestand des § 31 Wehrstrafgesetz (WStG).

Was war geschehen?

Dem beschuldigten Bundeswehr-Soldaten lag ein Vergehen der entwürdigenden Behandlung in einem besonders schweren Fall gemäß § 31 Abs. 1, Abs. 3 WStG zur Last. Ihm wurde vorgeworfen, im Dienst bei verschiedenen im Einzelnen nicht mehr zu ermittelnden Gelegenheiten in der Kaserne und auf dem Truppenübungsplatz gegenüber mehreren untergebenen Soldaten herabwürdigende Äußerungen gemacht zu haben. Unter anderem wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, untergebene Soldaten als „Untermenschen“ und als „Viecher“ bezeichnet zu haben. Weiter soll er sich mit den Worten „Ich hasse Menschen“ geäußert haben.

Im Zuge des Wehrdisziplinarverfahrens gab der Disziplinarvorgesetzte des Soldaten das Verfahren nach § 33 Abs. 3 Wehrdisziplinarordnung (WDO) an die Staatsanwaltschaft ab. Diese leitete gegen den Beschuldigten ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ein.

Rechtsanwalt Stefan Loebisch als Strafverteidiger des beschuldigten Soldaten forderte die Ermittlungsakte zur Einsichtnahme an. Hier stellte sich heraus: Die anderen Soldaten, auf deren Zeugenaussagen die strafrechtlichen Vorwürfe basierten, waren zum Teil überhaupt nicht persönlich anwesend, als die Äußerungen gefallen sein sollen. Andere Äußerungen fielen alleine im Rahmen dienstlicher Besprechungen hinter verschlossenen Türen und ausschließlich im Beisein anderer militärischer Vorgesetzter, nicht aber in Anwesenheit untergebener Soldaten.

Unter Hinweis darauf, dass nicht jede abfällige Äußerung – so sie denn überhaupt gefallen ist – zugleich eine entwürdigende Behandlung im Sinne von § 31 WStG sein kann, forderte Rechtsanwalt Stefan Loebisch die Einstellung des Verfahrens.

Wie entschied die Staatsanwaltschaft über Äußerungen gegenüber Dritten?

Die Staatsanwaltschaft kam dieser Forderung nach.

Zur Begründung führte die Staatsanwaltschaft unter anderem aus:

„Der Beschuldigte hat die beanstandeten Äußerungen in einer Vielzahl der Fälle nicht direkt gegenüber seinen Untergebenen, sondern im Büro oder im Dienstzimmer oder Gruppenführerzimmer unter Kollegen ohne Anwesenheit eines Untergebenen gemacht. Diese Äußerungen erfüllten den Straftatbestand nicht. Dieser erfordert ja die entwürdigende Behandlung eines Untergebenen. Davon kann jedoch keine Rede sein, wenn die Aussage nicht direkt gegen einen Untergebenen gemacht wird, sondern in dessen Abwesenheit im Rahmen von Besprechungen und dergleichen.“

Praxisfolgen für die Verteidigung im Strafverfahren nach dem Wehrstrafgesetz

Der Wortlaut des § 31 Abs. 1 WStG ist eindeutig:

„Wer einen Untergebenen entwürdigend behandelt oder ihm böswillig den Dienst erschwert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.“

Gefordert wird also, dass der Vorgesetzte einen untergebenen Soldaten „behandelt“ oder ihm „den Dienst erschwert“. Eine „Behandlung“ setzt eine aktive, unmittelbar gegen den Untergebenen gerichtete, Handlung des militärischen Vorgesetzten voraus. Der untergebene Soldat muss also anwesend sein – er muss die „Behandlung“ am eigenen Leibe verspüren. Irgend eine Äußerung gegenüber anderen, unbeteiligten, Soldaten, die als Ausdruck der Missachtung interpretiert werden könnte, reicht nicht aus. Das gilt erst recht, wenn es sich um eine rein innerdienstliche Äußerung hinter verschlossener Türe handelt.

Es ist wie bei der Arztbehandlung – der Patient kann nur höchstpersönlich behandelt werden.

Für den Verteidiger eines beschuldigten Soldaten heißt es also zunächst, „Behandlungen“ von anderen Äußerungen zu trennen. Was an „Behandlungen“ übrig bleibt, ist darauf hin zu überprüfen, ob diese Behandlungen nachweisbar sind und für den beschuldigten Soldaten die Gefahr besteht, dass sie eine Verurteilung stützen können: Handelte es sich wirklich bereits um eine entwürdigende Behandlung? Oder bewegte sich die Äußerung noch innerhalb der Grenzen des militärischen Tonfalls?

 

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