Abmahnungsfalle E-Mail-Werbung zwischen den Zeilen

Verstoß gegen Wettbewerbsrecht durch unerbetene E-Mail-Werbung im Rahmen des Double-Opt-In-Verfahrens und im E-Mail-Footer: Das Landgericht Stendal entschied mit Urteil vom 12.05.2021, Az. 22 S 87/20 ebenso wie das Kammergericht Berlin mit Urteil vom 29.09.2021, Az. 5 U 35/20, dass auch kurze Werbeeinschübe innerhalb einer E-Mail, die ansonsten keinen Werbecharakter hat, einwilligungsbedürftig sind.

Sachverhalt: Worum ging es?

In der Entscheidung des Landgerichts Stendal ging es um eine Bestätigungs-E-Mail, die die Beklagte im Rahmen des Double-Opt-In-Verfahrens (DOI) an den Kläger versendet hatte. Die enthielt neben den notwendigen Informationen zum Double-Opt-In-Verfahren auch die Texte

„Welcome to [Name des Unternehmens]“

und

„Hast du Fragen zum Newsletter? Kontaktiere uns über: info@[Domain].de“

Außerdem verwendete die Beklagte in dieser Bestätigungs-E-Mail ihr Firmenlogo.

In der Entscheidung des Kammergerichts Berlin ging es – neben der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung einer telefonischen Kundenzufriedenheitsbefragung – um einen Werbezusatz im E-Mail-Footer der Beklagten. Die Beklagte hatte an den Kläger eine E-Mail versandt, deren überwiegender Inhalt rein sachbezogen war und in deren Anhang sich eine Rechnung für eine erbrachte Dienstleistung befand. Im E-Mail-Footer am Ende aber stand ein Zusatz:

„[Firmenname]. Organisiert, denkt mit, erledigt. Nutzen Sie www.[Domain].de“

In beiden Fällen hatten die Adressaten der E-Mails – die späteren Kläger – den Unternehmen zuvor keine Einwilligung erteilt, E-Mail-Werbung zugesandt zu erhalten.

Ergebnis: Wie entschieden die Gerichte?

In beiden Fällen bejahten die Gerichte jeweils einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Kläger und in der Folge einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB.

_ Landgericht Stendal: Strenger Maßstab gegen Missbrauch

Das Landgericht Stendal forderte bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Bestätigungsmail im sog. Double-opt-in-Verfahren einen strengen Maßstab, um Missbrauch zu verhindern:

„Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung – beispielsweise in Form der Imagewerbung oder des Sponsoring – erfasst. Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/113/EG über irreführende und vergleichende Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2013 – I ZR 218/12, Rn 17).

Gemessen an dieser weiten Definition des Begriffs Werbung hat die streitgegenständliche Bestätigungsmail werbenden Charakter. Ihr Inhalt geht über den einer zulässigen, schlichten Transaktionsmail hinaus; diese wird durch die Hinzufügung werbender Elemente unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 – VI ZR 134/15, Rn 19; Härting in: Härting, Internetrecht, 6. Aufl., Rn 2182; Dr. Ott, Anmerkung zu OLG München, Urteil vom 27. September 2012 – 29 U 1682/12, VuR 2013, 99; aA Micklitz/Schirmbacher in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl., § 7 UWG, Rn 137, 173 f; Simon Apel/Steffen Henn, Automatisch generierte Bestätungs-E-Mails als unerlaubte Werbung?, K & R, 2016, 236 ff). Das Logo und der einladende Spruch ‚Welcome to ZzZzZzZzZ‘ [Anm. d. Autors: Der Name des Unternehmens und die Domain sind im veröffentlichten Urteil anonymisiert] sind geeignet, anders als durch eine bloße Absenderangabe auf die Marke ‚ZzZzZzZzZ‘ einprägsam aufmerksam zu machen und ein Absatz förderndes Kundeninteresse zu erzeugen. Dies hat der Geschäftsführer der Beklagten persönlich angehört indirekt bestätigt, indem er erklärt hat, durch das Weglassen des Logos und des Spruchs Welcome to ZzZzZzZzZ‘ sei die Nachfrage nach den Newslettern zurückgegangen. Aber auch der Zusatz ‚Hast Du Fragen zum Newsletter? Kontaktiere uns über info@ZzZzZzZzZ.de‘ wirkt mittelbar Absatz fördernd, da mit ihm ein Service, der das Ziel der Kundengewinnung hat, angeboten wird. Diese werbende Wirkung ist umso größer bei einem Adressaten, der durch die Bestätigungsmail erstmals mit der Beklagten in Kontakt kommt, da die Eingabe seiner E-Mail-Adresse auf der Website der Beklagten nicht von ihm veranlasst wurde. Nach Sinn und Zweck des Double-opt-in-Verfahrens sind aber gerade solche Erstkontakte durch die Bestätigungsmail nicht auszuschließen. Darüber hinaus wird einer missbräuchlichen Generierung an sich zulässiger Bestätigungsmails nur dann nachhaltig Einhalt geboten, wenn ein strenger Maßstab an den zulässigen Inhalt der Bestätigungsmail angelegt wird. Ist keinerlei werbender Zusatz erlaubt, so entfällt auch der Anreiz für einen Missbrauch. Für einen strengen Maßstab spricht schließlich auch die gesetzgeberische Wertung in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Danach gibt es keine Bagatellgrenze. Auch ‚ein bisschen‘ Werbung in einer E-Mail ist ohne vorherige Einwilligung schlicht unzulässig. Dies gilt unabhängig davon, ob der Adressat ein Verbraucher oder wie vorliegend Gewerbetreibender ist. Dem Gewerbetreibenden ist danach, um einem Umsichgreifen unzulässiger E-Mail-Werbung im Sinne des Gesetzgebers entgegenzuwirken, ein Unterlassungsanspruch wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auch dann zuzugestehen, wenn er eine Bestätigungsmail im Double-opt-in-Verfahren erhält, die nur mit ‚dezenter‘ Werbung (vgl. Micklitz/Schirmbacher, aaO, Rn 174) ohne seine vorherige ausdrückliche Einwilligung versehen ist.“

_ Kammergericht Berlin: Keine Ausnahmen für Bagatellfälle

Nach Auffassung des Kammergerichts spielt es keine Rolle, wie umfangreich der Werbeanteil in der E-Mail ist. Für unzulässige Werbung soll keine Bagatellgrenze gelten:

„(1) Nach Ansicht des BGH (Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17 -, Rn. 25, juris) reicht es nicht aus, wenn die unerwünschte Werbung die Interessen des Klägers nur vergleichsweise geringfügig beeinträchtigt. Das Hinzufügen von Werbung zu einer im Übrigen zulässigen E-Mail-Nachricht sei, so der BGH, allerdings keine solche Bagatelle, dass eine Belästigung des Nutzers ausgeschlossen wäre, denn zumindest müsse sich der Nutzer gedanklich mit den werblichen Elementen beschäftigen. ‚Zwar mag sich der Arbeitsaufwand bei einer einzelnen E-Mail in Grenzen halten. Mit der häufigen Verwendung von Werbezusätzen ist aber immer dann zu rechnen, wenn die Übermittlung einzelner E-Mails mit solchen Zusätzen zulässig ist. Denn im Hinblick auf die billige, schnelle und durch Automatisierungsmöglichkeit arbeitssparende Versendungsmöglichkeit und ihrer günstigen Werbewirkung ist mit einem Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen. Eine bei isolierter Betrachtung unerhebliche Belästigung kann Mitbewerber zur Nachahmung veranlassen, wobei durch diesen Summeneffekt eine erhebliche Belästigung entstehen kann. Entscheidend ist aber, dass es dem Verwender einer E-Mail-Adresse zu Werbezwecken nach Abschluss einer Verkaufstransaktion zumutbar ist, bevor er auf diese Art mit Werbung in die Privatsphäre des Empfängers eindringt, diesem – wie es die Vorschrift des § 7 Abs. 3 UWG verlangt – die Möglichkeit zu geben, der Verwendung seiner E-Mail-Adresse zum Zwecke der Werbung zu widersprechen‘ (BGH aaO.).

(2) Zwar verkennt der Senat nicht, dass die Belästigungswirkung der werblichen Zusätze im vorliegenden Fall erheblich geringer war als in dem Sachverhalt, der Gegenstand der eben zitierten Entscheidung des BGH war, wo der Adressat der E-Mail zunächst die werblichen Elemente zur Kenntnis nehmen musste, bis er zum zulässigen Teil der E-Mail – die offenbar als attachment beigefügte Rechnung – gelangte.

Es besteht auch, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, ein Unterschied zu dem Sachverhalt, der dem Urteil des BGH vom 15. Dezember 2015 (VI ZR 134/15) zugrundelag. Im eben zitierten Fall hatte der Empfänger der konkreten Werbung in engem zeitlichen Zusammenhang mehrfach ausdrücklich widersprochen; vorliegend indes hat der Kläger der E-Mail-Werbung nicht widersprochen, sondern diese (erst) über sechs Monate später zum Gegenstand seiner Klageerweiterung gemacht. Die vom BGH angestellten generalpräventiven Erwägungen (Gefahr des ‚Umsichgreifen dieser Werbeart‘ durch Nachahmung, ‚Summeneffekt‘) treffen aber auch vollumfänglich auf den vorliegenden Fall zu, ebenso wie der Gesichtspunkt, dass es der Beklagten zumutbar ist, die Voraussetzungen der gesetzlich zulässigen Werbeformen einzuhalten.“

Auswirkung auf die Praxis

„Auch ‚ein bisschen‘ Werbung in einer E-Mail ist ohne vorherige Einwilligung schlicht unzulässig“, so das Landgericht Stendal: Es gibt Werbung und es gibt keine Werbung. Dazwischen gibt es nichts. Es gibt nicht die große böse Werbung und die gute winzig kleine Werbung.

_ Prüfungsmaßstab § 7 UWG

Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung – oder etwas drastischer: „Der Blick ins Gesetz erspart das Geschwätz!“: Ob E-Mail-Werbung zulässig ist, und welchen Inhalt eine Werbe-E-Mail haben darf und haben muss, bestimmt § 7 UWG.

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung unzulässig, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird.

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist eine unzumutbare Belästigung unter anderem stets anzunehmen bei Werbung unter Verwendung elektronischer Post, wenn keine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt.

Eine Ausnahme gilt nur für sogenannte „Bestandskundenwerbung“, soweit die Anforderungen des § 7 Abs. 3 UWG erfüllt sind.

Das Gesetz spricht zunächst von „Werbung unter Verwendung elektronischer Post“ und nicht von „E-Mail-Werbung“. Die Einschränkungen gelten also genauso für Werbung über Messenger wie beispielsweise WhatsApp.

Das Gesetz spricht nur von „Werbung“, nicht aber von „Werbe-E-Mails“ oder „Werbenachrichten“. Es kommt also nicht darauf an, ob die elektronische Nachricht ausschließlich aus Werbung besteht oder ob sie nur zusätzlich zu einer Sachaussage Werbeelemente enthält.

_ Trennung von Information und Werbung

Das alles führt zu der Empfehlung, streng zu trennen zwischen der eigentlichen Korrespondenz per E-Mail oder Messenger, die der Information dient, und den Werbenachrichten.

Werbenachrichten werden nur versandt, wenn die Voraussetzungen des § 7 UWG erfüllt sind.

Jede weitere elektronische Korrespondenz bleibt strikt von allen Elementen befreit, die über die bloße Sachaussage hinaus irgendeinen anpreisenden Inhalt oder irgendeine anpreisende Wirkung haben, also als Werbung im Rechtssinne angesehen werden können.

Tabu in der elektronischen Korrespondenz sind damit sämtliche Slogans, Hinweise auf Firmenjubiläen, Sonderaktionen oder einzelne Produkte oder Dienstleistungen. Ebenso tabu sind Links zu anderen Onlineauftritten wie z.B. auf Facebook, Instagram, XING oder Twitter, die der Selbstdarstellung und Werbung dienen. Tabu ist auch der Hinweis auf einen Werbe-Newsletter mit der Möglichkeit, sich dazu anzumelden.

Schaut man § 7 UWG genau an, ist im Zweifel alles Werbung, was nicht notwendige Information ist. Bei strenger Betrachtung ist damit bereits die Verwendung des Firmenlogos im E-Mail-Footer Werbung, für die die Einwilligung des Empfängers erforderlich ist.

Wie bringen Sie nun Ihre Werbung rechtssicher zur Kundschaft? Auch hier hilft § 7 UWG weiter: Die Werbung per Briefpost ist dort nicht verboten.

 

© RA Stefan Loebisch | Kontakt