Website in englischer Sprache ohne Inlandsbezug: Urteil AG Deggendorf

Englischsprachige Website und urheberrechtlicher Inlandsbezug – das Amtsgericht Deggendorf entschied mit Urteil vom 09.02.2023, Az. 3 C 825/22: Einer Website eines Unternehmens, die ausschließlich Texte in englischer Sprache enthält, fehlt der Inlandsbezug, auch wenn der Inhaber des Unternehmens seinen Sitz in Deutschland hat. Das deutsche Urheberrechtsgesetz (UrhG) ist in diesem Fall nicht anwendbar. Folge hiervon ist, dass aus dem UrhG kein Schadensersatzanspruch hergeleitet werden kann.

Sachverhalt: Worum geht es?

Der von der Kanzlei Stefan Loebisch vertretene Beklagte hat seinen Wohnsitz im Bezirk des Amtsgerichts Deggendorf. Er ist Inhaber eines Unternehmens mit Firmensitz in Südafrika. Für dieses Unternehmen besteht eine Website unter .com-Domain, deren Texte ausschließlich in englischer Sprache angeboten werden. Auch das Kontaktformular ist ausschließlich englisch beschriftet.

Die Klägerin betreibt eine Bildagentur. Sie machte geltend, dass sich auf der Website des vom Beklagten geführten Unternehmens ein Bild aus ihrem Bestand befunden habe, für das kein ausreichender Lizenzvertrag abgeschlossen worden sei. Deswegen verlangte die Klägerin Schadensersatz über die Lizenzgebühr in Höhe von 500 €.

Die Verteidigung gegen diese Schadensersatzforderung und damit gegen die Klage baute auf drei Erwägungen auf,

  • dass die Website unter einer .com-Domain und nicht unter einer .de-Domain abgerufen werden kann,
  • dass das Kontaktformular der Website ausschließlich in englischer Sprache beschriftet ist,
  • schließlich – in Anlehnung an das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 16.09.2022, Az. 310 0 442/20 – und vor allem, dass die Seite einschließlich der Navigation ausschließlich bereits im Zeitpunkt der vorgerichtlichen Abmahnung lediglich englischsprachige Inhalte aufwies und sich deshalb alleine an ausländisches, und zwar speziell südafrikanisches, Publikum wendet.

Ergebnis: Wie entschied das Gericht?

Das Amtsgericht Deggendorf wies die Schadensersatzklage als unbegründet ab. Mangels Inlandsbezugs der Website kämen die klägerseits geltend gemachten Ansprüche aus §§ 16, 19 a, 97 Abs. 2 UrhG nicht in Betracht.

_ Nicht entscheidend: Adresse in Deutschland

Die Angabe einer Postanschrift in Deutschland im Zeitpunkt der Abmahnung sei für den erforderlichen Inlandsbezug nicht relevant.

_ Nicht entscheidend: .com-Domain statt .de-Domain

Für die streitentscheidende Frage, ob der Beklagte gezielt im Inland befindliche Personen anspricht, komme es nicht darauf an, wie aussagekräftig der Umstand ist, dass der Beklagte für seine Webseite die Top-Level-Domain .com anstelle von .de gewählt hat.

_ Entscheidend: Ausschließlich englischsprachiger Seiteninhalt

Der für die Anwendung des UrhG erforderliche Inlandsbezug liege nicht vor, weil die Seite ausschließlich in englischer Sprache verfasst sei. Englisch als übliche Geschäftssprache ändere hieran nichts:

„Das Gericht verkennt nicht, dass Englisch als Geschäftssprache zwischen Geschäftspartnern üblich geworden sein mag, deren Muttersprache nicht Englisch ist. Womöglich mag dies in Einzelfällen sogar dann gelten, wenn die Geschäftspartner eine andere Sprache als gemeinsame Muttersprache teilen.

In diesem Sinne ist es nicht notwendig ausgeschlossen, dass zwei deutschsprachige Gewerbetreibende auf Englisch miteinander kommunizieren.“

Die für das Urheberrecht entscheidende Frage nach dem notwendigen Inlandsbezug sei davon aber zu unterscheiden:

„Dieses selbstredend vereinzelt bleibende Phänomen ist aber von der Frage zu unterscheiden, ob der Beklagte sich gezielt (!) an inländische potentielle Gewerbetreibende wendet, wenn er die englische Sprache verwendet. Dies ist, wie auf der Hand liegen dürfte, zu verneinen. Will der Beklagte sich in einem urheberrechtlich relevanten Sinn an deutsche oder in Deutschland aufhältliche potentielle Geschäftspartner wenden, wird er, schon um die Kommunikation zu erleichtern bzw. diese überhaupt erst herzustellen, also um seine Produkte letztendlich verkaufen zu können, die deutsche Sprache und nicht eine Fremdsprache dafür verwenden. Aus dem Umstand, dass der Beklagte dies nicht getan hat, sondern ausschließlich eine für praktisch alle hiesigen in Betracht kommenden Geschäftspartner fremde Sprache, nämlich die englische Sprache verwendet, ist verlässlich zu folgern, dass er sich mit seiner Homepage nicht an inländische ’native speakers‘, sondern vielmehr an im sprachlichen und somit auch geographischen Ausland befindliche Gewerbetreibende richtet.“

Einen anderen Grund, weshalb der Beklagte seine Homepage in englischer Sprache unterhält, habe auch die Klägerseite nicht darzustellen vermocht.

Auswirkung auf die Praxis

Südafrika und das deutsche Urheberrecht: Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg entschied mit Beschluss vom 15.07.2021, Az. 5 W 13/21, das die öffentliche Zugänglichmachung eines Fotos auf einem englischsprachigen Internetauftritt einer südafrikanischen Anwaltskanzlei keine deutschen Urheberrechte verletzt, wenn die Kanzlei nur dort ihre Rechtsdienstleistungen anbietet, die Website keine Ausrichtung auf das Gebiet der Bundesrepublik erkennen lässt und es deshalb am erforderlichen Inlandsbezug fehlt. Bereits das zuvor mit dieser Sache befasste Landgericht Hamburg (Beschluss vom 23.12.2020, Az. 310 O 427/20) hatte den Streitwert des Unterlassungsanspruchs mit stolzen 15.000 € festgesetzt.

Aber auch „kleine“ Angelegenheiten können rechtlich gehaltvoll sein, wie das Südafrika-Urteil aus Deggendorf zeigt. Auch bei kleinen Streitwerten lohnt es sich deshalb, genau hinzuschauen: Im Urheberrecht reicht es nicht aus, dass die Parteien aus Deutschland kommen. Vielmehr ist ein eigenständiger „Inlandsbezug“ erforderlich, damit das deutsche UrhG anwendbar ist und auf dessen Grundlage Ansprüche wie z.B. der Anspruch auf Abgabe einer Unterlassungserklärung, der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten oder der Lizenzschadensersatzanspruch geltend gemacht werden können.

Bei einer Website ist für diesen Inlandsbezug erforderlich, dass sich das Informationsangebot – jedenfalls auch – an Publikum aus Deutschland richtet. Ob dies der Fall ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Wesentliches Indiz ist, ob die Texte der Website in deutscher Sprache angeboten werden, oder ob die Texte eventuell nur in einer ausländischen Sprache angeboten werden.

Nicht nur hier im Urheber- und Fotorecht gilt der Satz, der in der Juristerei immer richtig ist: „Es kommt darauf an.“ Am Ende kommt es auch darauf an, genau hinzuschauen.

 

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