Achtung Falle bei einem Auftragsformular des Unternehmens „Go Media“ für eine Werbeanzeige „Bürger-Info-Folder“ mit nachfolgender Rechnung der SSF Swiss Support Forum AG: Es soll ein neuer Anzeigenvertrag untergeschoben und abgerechnet werden.
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Bürger-Info-Folder: Worum geht es?
Auch bei der Anzeigenfalle „Bürger-Info-Folder“ handelt es sich um eine Überrumpelung nach der „Kölner Masche“, bei der sich die Täter den Umstand zunutze machen, dass ihr Opfer bei einem ganz anderen Werbeverlag eine Anzeige geschaltet hat.
_ Schritt 1: Trickanruf
Gewerbetreibende, Freiberufler und Vereine, die in der Vergangenheit regelmäßig in einer von Dritten herausgegebenen Broschüre, Stadt- oder Straßenkarte, zum Beispiel der Gemeindeverwaltung, inseriert hatten, erhalten einen Anruf. Man bezieht sich auf diese Publikation und erklärt, es müsse schnellstens ein Formular unterschrieben werden – sonst könne das Inserat nicht mehr in der nächsten Ausgabe veröffentlicht werden.
_ Schritt 2: Auftragsformular
Unmittelbar darauf erhält das angerufene Unternehmen das angekündigte Formular zugesandt. In diesem Formular ist dann die Anzeige eingefügt, die das Unternehmen bereits geschaltet hat. Auf Seiten des Unternehmens wird deshalb kein Verdacht geschöpft. Weil die Zeit angeblich drängt, wird das Formular schnell unterschrieben und zurückgesandt – schließlich soll ja die Anzeige in der nächsten Ausgabe seines Vertragspartners wieder erscheinen. Die Falle ist zugeschnappt.
Auftragsformular „Bürger-Info-Folder“
Das Kleingedruckte im Formular hat man fast wortgleich schon bei anderen Firmen aus dieser speziellen Geschäftswelt gesehen: Das sogenannte Objekt soll eine Auflage von 1.000 Exemplaren bei Broschüren oder 250 Exemplaren bei Informationstafeln haben, kann man im Kleingedruckten lesen. Ausgeliefert werden sollen diese an Haushalte mit Tagespost durch die Deutsche Post AG. Nach welchen Kriterien diese Haushalte ausgesucht werden? Das Formular schweigt.
_ Go Media aus der Türkei
In der Fußzeile ist angegeben, von wem das Auftragsformular „Bürger-Info-Folder“ stammt: Go Media, Megapol Tower 091, Adalet Mahallesi Anadolu Cadesi No:41, 35530 Bayraldi-Izmir. Nein, es handelt sich nicht um eine Postleitzahl aus dem nordwestlichen Hessen, sondern aus dem Westen der Türkei.
_ Schweigen zum Veröffentlichungszeitpunkt
“Die Verteilung erfolgt spätestens sechs Monate nach Auftragserteilung“,
heißt es lapidar.
_ Kleine Buchstaben, aber großer Preis
Die Kosten „pro Anzeigenfeld“ (30 Quadratzentimeter) betragen 399,00 €. Handelt es sich bei der ursprünglichen, „echten“ Werbeanzeige um ein Querformat, werden gerne zwei Anzeigenfelder vorgebucht.
Hinzu kommt die Farbpauschale von 198,00 €, die Satzpauschale von 149,00 € und die Versandpauschale von 25,00 €.
Das alles soll pro Auflage berechnet werden.
Nach längerem Suchen entdeckt man im weiteren Kleingedruckten:
„Der Anzeigenvertrag läuft über ein Jahr und beinhaltet 3 (drei) kostenpflichtige Auflagen im Werbeobjekt.“
Rechnungsstellung durch die SSF Swiss Support Forum AG
Die Auftragsbestätigung und die Abrechnung erfolgt dann nicht durch die Go Media, sondern jeweils durch die SSF Swiss Support Forum AG.
In deren Auftragsbestätigung heißt es:
„wir bedanken uns für den von Ihnen an die Werbeagentur GO MEDIA erteilten Auftrag vom [Datum].
Dieser Vertrag wurde an unser Haus zur weiteren Ausführung übergeben, die entsprechende Vertragsübernahme kann nachgereicht werden.
Ihre Veröffentlichung in der Informationsbroschüre, die behördenunabhängig und ohne öffentlichen Auftrag erstellt wird, wurde von Ihnen zu folgenden Konditionen in Auftrag gegeben:
Grundpreis netto 399,00 EUR
Einstellungs- und Pflegekosten netto 99,00 EUR
Grafische Gestaltungskosten netto 74,50 EUR“
Die Rechnung sieht dann etwas anders aus:
„Grundpreis 399,00 EUR
Grafische Gestaltungskosten 74,50 EUR
Versandkosten 12,50 EUR
Einstellungs- und Pflegekosten, Farbkosten 99,00 EUR“
Wer findet die Unterschiede?
SSF Swiss Support Forum AG: Wer ist das?
Die SSF Swiss Support Forum AG ist – Stand 21.04.2023 – bei dem Handelsregisteramt des Kantons Oberwalden unter der Firmennummer CHE-113.721.316 eingetragen. Sie wird vertreten durch den deutschen Staatsangehörigen Patrick Reichardt, der einziges Mitglied des Verwaltungsrates ist. Eine Suche nach diesem Namen beispielsweise bei North Data wirft eine Vielzahl von Verbindungen zu allerhand illustren Unternehmen aus der Anzeigenfallen-Szene aus – beispielsweise zu der hier sattsam bekannten KVG Kreditoren Verwaltungs-Gesellschaft AG aus Herisau in der Schweiz.
Bürger-Info-Folder: Was tun?
Wie bei jedem Eintragungsformular für ein Branchenverzeichnis gilt beim Eintragungsformular „Bürger-Info-Folder“: Zuerst lesen, danach erst unterschreiben.
Auch wenn die Unterschrift schon auf dem Auftragsformular ist, sogar wenn die Rechnung bereits im Briefkasten liegt, muss es noch nicht zu spät sein:
Ein Werbevertrag, bei dem zunächst der Irrtum erweckt wird, es gehe um einen bereits erteilten Auftrag, und bei dem die entscheidenden Regelungen zum Preis unauffällig im Kleingedruckten versteckt sind, möglicherweise sogar noch an ganz untypischer Stelle, ist juristisch angreifbar – Stichwort „Anfechtung“, Stichwort „überraschende AGB-Klauseln“.
Rechtsanwalt Stefan Loebisch vertritt regelmäßig Unternehmen, die sich gegen Abofallen und Abzocke mit überraschenden Rechnungen und unklaren Forderungen aus untergeschobenen Branchenverzeichnis-Anzeigenaufträgen verteidigen.
© RA Stefan Loebisch | Kontakt
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