Das Amtsgericht Deggendorf entschied in einem Filesharing-Prozess mit Urteil vom 14.11.2016, Az. 1 C 525/16: Der M.I.C.M. Mircom International Content Management & Consulting LTD fehlt die erforderliche Aktivlegitimation, um in einem Filesharing-Gerichtsverfahren gegen den Anschlussinhaber Lizenz-Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten geltend machen zu können.
Filesharing-Prozess vor dem Amtsgericht Deggendorf – was war geschehen?
In dem von Rechtsanwalt Stefan Loebisch auf der Seite des beklagten Anschlussinhabers geführten Prozess machte die M.I.C.M. Mircom International Content Management & Consulting LTD nach einer Filesharing-Abmahnung Lizenz-Schadensersatz und den Ersatz der Abmahnkosten geltend. Die Abmahnung war dem beklagten Anschlussinhaber bereits im Jahr 2012 zugegangen. Die Klägerin behauptete, der Beklagte habe einen Film über eine P2P-Tauschbörse zugänglich gemacht. Um die erforderliche Aktivlegitimation darstellen zu können, legte die Klägerin Lizenzvereinbarungen aus den Jahren 2011, 2012 und 2015 vor, die sie mit der Filmherstellerin abgeschlossen hatte. Durch diese Lizenzverträge wurde es der Klägerin gestattet, für – im Einzelnen nicht näher bezeichnete – Filme die Rechte im Zusammenhang mit Filesharing-Tauschbörsen geltend zu machen.
Der Beklagte bestritt, dass es zu dem Rechtsverstoß über seinen Internet-Anschluss gekommen war. Ebenso ließ der Beklagte anwaltlich die ausreichende Aktivlegitimation der Klägerin bestreiten.
Wie entschied das Amtsgericht Deggendorf?
Das Amtsgericht Deggendorf wies die Klage der M.I.C.M. Mircom International Content Management & Consulting LTD ab. Die Klägerin habe ihre Aktivlegitimation nicht nachgewiesen. Sie habe nicht den ihr obliegenden Nachweis erbracht, zum behaupteten Verletzungszeitraum Alleininhaberin der Rechte gewesen zu sein. Aus den von ihr vorgelegten Unterlagen sei nicht ersichtlich, ob die Rechte an dem Film im Jahr 2011, im Jahr 20112 oder erst im Jahr 2015 auf die Klägerin übertragen wurden. Die Übertragung der Rechte sei aufgrund ihrer mangelnden Konkretisierung in den von der Klägerin vorgelegten Vereinbarungen in Anwendung der Grundsätze zur Forderungsabtretung auch unwirksam.
Gegen das Urteil legte die unterlegene Klägerin zunächst Berufung zum zuständigen Landgericht München I ein. Am Tag vor dem Verhandlungstermin nahm die Klägerin ihre Berufung zurück. Das Filesharing-Urteil des Amtsgerichts Deggendorf vom 14.11.2016 ist damit rechtskräftig.
Welche Auswirkung hat das Urteil auf die Filesharing-Praxis?
Mit einer Abmahnung und später im Prozess macht häufig nicht der Urheber höchstpersönlich – der Fotograf, der Autor, der Filmhersteller – seine Rechte geltend. Vielmehr mahnt ein Unternehmen ab mit der Begründung, die erforderlichen Rechte erworben zu haben. Wer nicht selbst Urheber ist, aber aus dem Urheberrecht beispielsweise einen Unterlassungsanspruch oder einen Schadensersatzanspruch geltend machen will, muss nachweisen, die erforderlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte erhalten zu haben – mit anderen Worten: aktivlegitimiert zu sein.
Im Filesharing-Prozess muss die klagende Partei beweisen, aktivlegitimiert zu sein, also selbst Urheber zu sein oder jedenfalls durch Lizenzvertrag ausreichende Nutzungsrechte an genau demjenigen urheberechtlich geschützten Werk erhalten zu haben, um das vor Gericht gestritten wird.
Hier kam das Amtsgericht Deggendorf zu dem Ergebnis, dass der Lizenzvertrag nicht eindeutig war.
Noch weiter gingen andere Gerichte: Mit Blick auf die DigiRights Administration GmbH entschied das Amtsgericht Charlottenburg mit Urteil vom 26.05.2016, Az. 218 C 37/16, dass mit Bezug auf Filesharing in P2P-Netzwerken kein eigenständiges Nutzungsrecht übertragen werden kann. Die gleiche Rechtsansicht äußerten das Oberlandesgericht Köln und das Landgericht Köln, letzteres etwa mit Beschlüssen vom 30.03.2016, Az. 214 O 78/16, und vom 13.05.2016, Az. 214 O 85/16.
Am Anfang steht die Aktivlegitimation: Bei der Verteidigung gegen eine Filesharing-Abmahnung und erst recht bei der Verteidigung gegen eine Filesharing-Klage lohnt es sich, am Anfang zu beginnen und sich nicht sofort auf die große Frage „Wer war’s?“ zu stürzen.
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