EuGH: Zuständiges Gericht bei B2C-Vertrag über die Grenze

Örtliche Zuständigkeit des Gerichts für die Klage bei grenzüberschreitendem Verbrauchsgüterkauf – der Gerichtshof der Europäischen Union (Europäischer Gerichtshof; EuGH) entschied mit Urteil vom 17.10.2013, Az. C-218/12: Ein Verbraucher kann seine Klage gegen einen ausländischen Gewerbetreibenden, mit dem er einen Vertrag geschlossen hat, vor dem für seinen Wohnsitz zuständigen Gericht erheben, wenn erwiesen ist, dass der Gewerbetreibende seine Tätigkeiten auf den Staat des Verbrauchers ausgerichtet hat, auch wenn das zum Ausrichten dieser Tätigkeiten eingesetzte Mittel nicht für den Vertragsschluss ursächlich war. 

Was war geschehen?

Der Entscheidung des EuGH liegt ein Berufungsverfahren vor dem Landgericht Saarbrücken zu Grunde. Der Kläger in diesem Verfahren wohnt in Saarbrücken. Der Beklagte in diesem Verfahren betreibt in Spichern (Frankreich) einen Gebrauchtwagenhandel. Für sein Unternehmen betrieb der Beklagte eine Internetseite. Dort waren unter anderem französische Telefonnummern und eine deutsche Mobilfunknummer, jeweils mit internationaler Vorwahl, angegeben. Der Kläger erfuhr aber nicht über diese Internetseite, sondern über Bekannte von dem Gebrauchtwagenhandel des Beklagten. Im September 2010 fuhr der Kläger von Saarbrücken nach Spichern zu dem Unternehmen des Beklagten. Dort kaufte er einen Gebrauchtwagen. Später machte der Kläger Mängel an diesem Gebrauchtwagen geltend. Er erhob zunächst Klage vor dem Amtsgericht Saarbrücken. Das Amtsgericht Saarbrücken wies die Klage als unzulässig ab mit der Begründung, es sei örtlich nicht zuständig. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sei nicht anwendbar, da der Beklagte seine gewerbliche Tätigkeit nicht im Sinne dieser Vorschrift auf Deutschland ausgerichtet habe. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung zum Landgericht Saarbrücken ein. Das Landgericht Saarbrücken setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

„1.
Setzt Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 in Fällen, in denen der Internetauftritt eines Gewerbetreibenden das Merkmal des Ausrichtens erfüllt, als weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass der Verbraucher durch die vom Gewerbetreibenden betriebene Website zum Vertragsschluss motiviert wurde, dass der Internetauftritt mithin kausal sein muss für den Vertragsschluss?

2.
Sofern eine Kausalität zwischen dem Tatbestandsmerkmal des Ausrichtens und dem Vertragsschluss notwendig ist: Setzt Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 außerdem einen Vertragsschluss mit Mitteln des Fernabsatzes voraus?“

Wie entschied der EuGH?

Zur zweiten Vorlagefrage verwies der EuGH auf sein Urteil vom 06.09.2012, Az. C-190/11. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 verlange nicht, dass der Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer im Fernabsatz geschlossen wurde.

Zur ersten Vorlagefrage entschied der EuGH, dass das zum Ausrichten der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers eingesetzte Mittel, d. h. eine Internetseite, nicht kausal sein müsse für den Vertragsschluss mit diesem Verbraucher. Liege eine solche Kausalität vor, sei dies allerdings ein Indiz dafür, dass der Vertrag an eine solche Tätigkeit anschließe.

Welche Auswirkung hat das Urteil des EuGH auf die Praxis?

Die Entscheidung des EuGH zur ersten Vorlagefrage etwas anders ausgedrückt: wenn ein Unternehmer seinen Internetauftritt auch an Verbraucher in anderen EU Staaten richtet, kommt es nicht darauf an, dass der Internetauftritt der Grund ist für den Verbraucher, den Vertrag zu schließen, oder gar der Vertrag über das Internet geschlossen wird. Wenn aber dieser Verbraucher den Internetauftritt zum Anlass nimmt, mit dem Unternehmer einen Vertrag zu schließen, ist dies ein Indiz dafür, dass sich der Unternehmer auch an Verbraucher in anderen EU-Staaten richtet.

Indizien für eine grenzüberschreitend ausgerichtete Tätigkeit

Bereits in seinem Urteil vom 07.12.2010, Az. C-585/08 und C-144/10, entwickelte der EuGH eine nicht abschließende Liste von Indizien für eine Ausrichtung eines Internetauftritts auch auf Verbraucher aus anderen EU-Staaten:

  • Der internationale Charakter der Tätigkeit,
  • die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von anderen Mitgliedstaaten aus zu dem Ort, an dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist,
  • die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung,
  • die Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache,
  • die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl,
  • die Tätigung von Ausgaben für einen Internetreferenzierungsdienst, um in anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zur Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers zu erleichtern,
  • die Verwendung einer anderen Top-Level-Domain als desjenigen des Mitgliedstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden,
  • die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt.

Noch kein solches Indiz beinhaltet hiernach

  • die bloße Zugänglichkeit der Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat (dies ist das Wesen des World Wide Web),
  • die Angabe einer elektronischen Adresse oder anderer Adressdaten
  • die Verwendung einer Sprache, die in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden die üblicherweise verwendete Sprache ist,
  • die Verwendung einer Währung, die dort die üblicherweise verwendete Sprache ist.

EU-weite Werbung = EU-weites Prozessrisiko

Webshop-Betreiber müssen sich entscheiden: Wollen sie ihr Angebot an eine europaweite Kundschaft richten, müssen sie das Risiko in Kauf nehmen, plötzlich vor einem Gericht eines anderen EU-Mitgliedstaates verklagt zu werden. Wenn sie dieses Risiko ausschließen wollen, müssen sie beispielsweise in ihren AGB eindeutig zum Ausdruck bringen, nur an Verbraucher in demjenigen EU-Staat zu liefern, in dem sie mit ihrem Unternehmen niedergelassen sind.