Kölner Masche und Doppelanruf: Anzeigenfalle durch Überrumpelung

Anzeigenfallen, bei denen Unternehmer durch Überrumpelung und Verschleierung der wahren Verhältnisse dazu gebracht werden, ebenso teure wie wertlose Werbeanzeigen in gedruckten oder Online-Branchenverzeichnissen zu schalten, sind weiterhin eine Landplage. Die unseriösen Anzeigenverlage kommen und gehen. Als Geschäftsführer und Prokuristen dieser Anzeigenverlage tauchen mal neue, mal altbekannte Namen auf. Der „Werkzeugkasten“ der Anzeigenfallen ist seit zwei Jahrzehnten immer wieder der gleiche: „Doppelanruf“ und „Kölner Masche“. Was verbirgt sich dahinter?

Kölner Masche – Et hätt noch immer jot jejange

Die „Kölner Masche“ heißt so, weil sie zu Beginn der 2000er-Jahre in großem Umfang aus Köln angewandt wurde. Damals spielte das Faxgerät noch eine große Rolle. Deshalb wurde die „Kölner Masche“ manchmal auch als „Fax-Masche“ bezeichnet.

Bei der „Kölner Masche“ machen sich die Betreiber der Anzeigenfalle die Tatsache zunutze, dass das Unternehmen, das sie als ihr Opfer ausgespäht haben, bereits bei einem anderen Anzeigenverlag eine Werbeanzeige geschaltet hat.

_ Ausgang: Bestehende Werbeanzeige

Das Unternehmen hat z.B. auf einer Werbetafel der Gemeinde oder in einer Broschüre der Kommune, eines Sportvereins oder einer Kirchengemeinde eine Werbeanzeige geschaltet. Diese Werbung wird von einem anderen, seriösen Medienunternehmen betreut. Die Betreiber der Anzeigenfalle haben von dieser Werbeanzeige Kenntnis erlangt.

_ Erster Schritt: Kontaktaufnahme

Die Betreiber der Anzeigenfalle nehmen mit dem Unternehmen Kontakt auf. Zum Teil lassen sie dabei Callcenter für sich arbeiten. Der Anrufer bezieht sich auf diese Anzeige und behauptet, für den Verlag zu arbeiten, der diese Werbeanzeige betreut. Nun wird dem Gesprächspartner auf Seiten des Unternehmens die eine oder andere Lügengeschichte erzählt. Zum Beispiel:

  • Eine Neuauflage dieser Publikation stehe heran. Dafür könne jetzt der Auftrag erteilt werden.
  • Die Druckvorlage für die Folgeauflage müsse freigegeben werden.
  • Die Anschrift des Unternehmens müsse bestätigt werden, um die Vorgaben des Datenschutzrechts zu erfüllen.
  • Das Layout der Anzeige sei neugestaltet worden, wofür die Freigabe erforderlich sei.

Weitere Beispiele ließen sich nennen – andere Anzeigenfalle, anderes Märchen.

Eines aber haben all diese Lügengeschichten gemeinsam: Es muss immer ganz schnell gehen, weil die Werbung sonst nicht veröffentlicht werden kann.

_ Zweiter Schritt: Auftragsformular

Kurz darauf geht bei dem Unternehmen das angekündigte Formular für die „Freigabe“ oder die „Bestätigung“ ein – früher per Fax, heute meist per E-Mail. Häufig ist dort die bestehende Werbeanzeige mit abgebildet, die das Unternehmen bereits in der Vergangenheit veröffentlichte und auf die am Telefon Bezug genommen wurde. Der Text umfasst allerhand Kleingedrucktes und ist meist etwas unklar geschrieben. Die Zeile für Datum und Unterschrift aber ist deutlich zu erkennen. Auch die Faxnummer, an die das unterschriebene Formular zurückgesandt werden soll, ist deutlich hervorgehoben.

Da die Zeit drängt und man ohnehin am Telefon alles besprochen hat, wird das Formular schnell unterschrieben und ab damit ins Fax.

_ Dritter Schritt: Rechnung

Die böse Überraschung kommt mal wenige Tage später, mal mit einigen Wochen Abstand, in Form der Rechnung einer bis dahin unbekannten Firma. Die Falle ist zugeschnappt.

Modifizierte Kölner Masche: Der Außendienstmitarbeiter kommt

Andere Anzeigenfallen haben die „Kölner-Masche“ modifiziert. Sie schicken ihren Außendienstmitarbeiter. Der kommt bevorzugt, wenn es gerade gar nicht passt, mit dem Formular in der Mappe. Um 8:30 Uhr, wenn das Wartezimmer voll ist, kommt die Arztpraxis dran. Um 13:15 Uhr ist der Döner-Stand dran, wenn gegenüber die Schule aus ist und sich die Kids am Tresen drängen – einmal ohne Zwiebel, einmal mit allem, einmal nur scharf. Um 17 Uhr, mitten im Trubel nach Feierabend, kommt der Getränkemann an die Reihe. Für die Witwe des plötzlich verstorbenen Unternehmensinhabers, die versucht, sich einen Überblick über die Akten zu verschaffen, ist zwischendurch immer Zeit.

Doppel-Anruf-Masche: Einmal zu oft „ja“ gesagt

Eine andere Methode, Gewerbetreibenden, Freiberuflern und Verbänden überteuerte Verträge unterzuschieben, ist der Trick mit den zwei Telefonaten, die sogenannte Doppel-Anruf-Masche. Diese Methode ist nicht nur bei Anzeigenfallen und Betreibern wertloser Online-Branchenportale beliebt. Auch Anbieter allerhand obskurer Internet-Dienstleistungen, die etwa die Löschung negativer Google-Bewertungen oder die Verbesserung des Suchmaschinen-Rankings versprechen, akquirieren gerne per Doppelanruf.

_ Erster Anruf: Kontaktaufnahme per Cold Call

Plötzlich – und meist, wenn es gerade gar nicht passt – erfolgt ein Anruf, und zwar als Kaltakquise, als Cold Call: Bislang gibt es keine Geschäftsbeziehung. Die Gesprächsführung ist psychologisch geschickt aufgebaut. Gezielt stellt der Anrufer Vorteile in den Raum oder suggeriert kurzfristig eintretende Nachteile. Immer geht es darum, den Angerufenen in der Leitung zu halten, ihn davon abzuhalten, das Telefonat wegen fehlenden Interesses abzuwürgen, und Interesse an der angebotenen Dienstleistung zu erwecken.

_ Zweiter Anruf: Vertragsbestätigung mit Audio-Aufzeichnung

In einem zweiten Telefonat, unmittelbar darauf, lassen sich der Anrufer dann den Vertragsschluss bestätigen. Dieses Telefonat wird aufgezeichnet. Dabei werden die Daten so abgefragt, dass eine Bezugnahme auf unwahre Behauptungen im ersten Anruf nicht deutlich wird. Die Fragen sind so formuliert, dass die Antwort nur „ja“ lauten kann.

_ Kombilösung: Ein Telefonat, aber zwei Abschnitte

Manchmal wird auch nur ein langes Telefonat geführt. Dort heißt es dann, aus rechtlichen Gründen (gerne wird dabei auf ein angebliches „Fernabsatzgesetz“ verwiesen) oder zur Qualitätssicherung müsse ab jetzt das Gespräch aufgezeichnet werden. Danach lässt sich der Anrufer wie soeben beschrieben den Vertragsabschluss bestätigen – wiederum sind die Fragen so formuliert, dass sie nur mit „ja“ beantwortet werden können.

Die Firmen wechseln, die Namen bleiben

Bei den diversen Anzeigenfallen, Branchenportalen und Anbietern obskurer Internet-Dienstleistungen fällt immer wieder deren regionale Häufung auf. Mal finden sich diverse Unternehmen an Niederrhein. Eine Zeitlang war die Region um Bad Kreuznach geradezu ein Biotop für Abzocker. Derzeit ist die Schweiz als Unternehmenssitz in Mode.

Die Namen dieser Unternehmen ändern sich häufig – eine Anzeigenfalle verschwindet vom Markt, eine neue Anzeigenfalle (häufig mit ganz ähnlichem Namen) taucht auf. Viele der Unternehmen sind als „Wegwerffirmen“ in der Rechtsform einer deutschen UG-Unternehmensgesellschaft oder einer britischen Limited organisiert. Sie benötigen nur ein geringes Stammkapital. Solche Unternehmen lassen sich leicht wieder aufgeben und liquidieren, ohne dass ein zu großer Verlust schmerzt. Das eingenommene Geld derjenigen Opfer, die aus Furcht vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung ihre Rechnungen bezahlt haben, ist bis dorthin längst in Sicherheit gebracht worden.

Bei den Geschäftsführern, den Prokuristen und den anderen Beteiligten aber tauchen immer wieder Namen auf, die man längst von anderen Abzock-Unternehmen kennt, und das zum Teil über viele Jahre hinweg.

Rechtsverteidigung gegen Anzeigenfallen und unseriöse Internet-Dienstleister

Natürlich gilt hier wie überall die wichtigste Regel im Rechtsleben: Erst lesen, dann unterschreiben.

Der ständige Zeitdruck im Geschäftsleben, gerade bei Solo-Selbständigen und anderen Einzel- und Kleinstunternehmen, lässt die Praxis anders ausschauen. Darauf bauen die Anzeigenfallen-Betreiber.

Auch, wenn das Auftragsformular bereits unterschrieben und zurückgeschickt ist, vielleicht sogar schon die Rechnung auf dem Tisch liegt, ist es oft noch nicht zu spät und lässt sich die Zahlung noch abwenden: Die Anzeigenfallen-Betreiber handeln aus Gier, und wer gierig ist, macht häufig Fehler. Diesen Fehler gilt es zu finden und zur Forderungsabwehr auszunützen.

Gerade das seit dem Mai 2018 mit der Datenschutz-Grundverordnung reformierte Datenschutzrecht öffnet hier und da das eine oder andere überraschende Hintertürchen für die Rechtsverteidigung gegen die Rechnungen und Zahlungsaufforderungen der Anzeigenfallen-Betreiber und Cold-Call-Abzocker.

Rechtsanwalt Stefan Loebisch vertritt seit vielen Jahre geschädigte Unternehmen sowohl außergerichtlich wie auch gerichtlich gegenüber Anzeigenfallen, Branchenportal-Betreibern und unseriösen Internet-Dienstleistern.

 

© RA Stefan Loebisch | Kontakt