Webimpressum, ladungsfähige Anschrift und Postdienstleister

Muss im Webimpressum die eigene Wohnanschrift angegeben werden oder reicht es, eine Briefkastenadresse anzugeben? Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied mit Urteil vom 07.07.2023, Az. V ZR 210/22 zur Angabe der ladungsfähigen Anschrift im Zivilprozess: Eine ordnungsgemäße Klageerhebung setzt grundsätzlich die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers voraus; die Adresse eines Postdienstleisters, der lediglich mit der Weiterleitung der an den Kläger gerichteten Post beauftragt ist, reicht hierfür nicht aus.

Sachverhalt: Was war geschehen?

Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die Klägerin hat zwei Wohnsitze im Ausland. Außerdem hat sie einen in Deutschland ansässigen Postdienstleister vertraglich verpflichtet, Post an sie weiterzuleiten. Sie selbst hält sich unter der Anschrift des Postdienstleisters nicht auf.

Mit ihrer Anfechtungsklage wollte die Klägerin verschiedene in einer Versammlung im April 2021 gefasste Beschlüsse für ungültig erklären lassen. Als Adresse gab sie in der Klageschrift die Anschrift des Postdienstleisters an. Ihre eigene Wohnanschrift teilte sie im Verfahren nicht mit.

Das Amtsgericht wies die Klage als unzulässig ab. Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung blieb die Klägerin vor dem Landgericht erfolglos. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgte die Klägerin ihre Anträge weiter.

Ergebnis: Wie entschied der Bundesgerichtshof?

Auch vor dem Bundesgerichtshof blieb die Klägerin erfolglos:

„Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klage sei unzulässig, weil die Klägerin nicht ihre Wohnanschrift, sondern lediglich die Adresse des Postdienstleisters angegeben habe, hält rechtlicher Nachprüfung stand. Eine ordnungsgemäße Klageerhebung setzt grundsätzlich die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers voraus; die Adresse eines Postdienstleisters, der lediglich mit der Weiterleitung der an den Kläger gerichteten Post beauftragt ist, reicht hierfür nicht aus.“

Einschub 1: Ladungsfähige Adresse – worum geht es überhaupt?

Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss die Klageschrift die Bezeichnung der Parteien enthalten. Auf die Klageschrift sind gemäß § 253 Abs. 4 ZPO die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze anzuwenden. Nach § 130 Nr. 1 Halbsatz 1 ZPO sollen die Schriftsätze die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung enthalten.

Diese Sachurteilsvoraussetzung der ordnungsgemäßen Klageerhebung sind vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens und damit auch noch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen.

Zu diesen erforderlichen Angaben gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers. Diese ladungsfähige Anschrift – oder ladungsfähige Adresse – besteht aus der Hausanschrift, also im Regelfall aus Straße, Hausnummer, Postleitzahl und Ort. Eine Postfachadresse ist keine ladungsfähige Anschrift im Sinne des Zivilprozessrechts.

Zu Sinn und Zweck dieser Angabe führt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung aus:

„Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift dient der Identifizierung des Klägers. Gleichzeitig dokumentiert dieser hiermit seine Bereitschaft, sich möglichen nachteiligen Folgen des Prozesses, insbesondere einer Kostentragungspflicht, zu stellen und damit den Prozess nicht aus dem Verborgenen heraus zu führen. Zudem wird dem Gericht nur hierdurch ermöglicht, das persönliche Erscheinen des Klägers anzuordnen, da die Ladung hierzu nach § 141 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO der Partei selbst mitzuteilen ist, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat (vgl. zur Ladung zum persönlichen Erscheinen BGH, Urteil vom 9. Dezember 1987 – IVb ZR 4/87, BGHZ 102, 332, 335).“

Und zu den Konsequenzen, wenn die Angabe verweigert wird:

„Wird diese Angabe, obgleich möglich, schlechthin oder ohne zureichenden Grund – wie etwa schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Partei (vgl. hierzu BVerfG, BeckRS 1999, 15406 Rn. 1) – verweigert, ist die Klage grundsätzlich unzulässig, was auch dann gilt, wenn ein Kläger (wie hier) durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist […].“

Wenn die Klage bereits unzulässig ist, muss das Gericht nicht weiter prüfen, ob die Klage begründet oder unbegründet ist, ob der geltend gemachte Anspruch also besteht oder nicht.

Einschub 2: Anschrift im Web-Impressum

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Telemediengesetz (TMG) haben „Diensteanbieter“ für „geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien“ unter anderem den Namen und die Anschrift, unter der sie niedergelassen sind, leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten. Für diese und die anderen Pflichtangaben gemäß § 5 TMG haben sich im Sprachgebrauch die Bezeichnungen „Webimpressum“ oder „Anbieterkennzeichnung“ durchgesetzt.

Wie die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift dient der Identifizierung des Klägers dient, so dienen die Angaben im Webimpressum der Identifizierung des Websitebetreibers. Schlussfolgerung: Die Angaben zur Anschrift im Webimpressum unterliegt den gleichen Anforderungen wie die Angaben zur ladungsfähigen Anschrift. Auch im Webimpressum ist die Hausanschrift anzugeben, also im Regelfall Straße, Hausnummer, Postleitzahl und Ort. Eine Postfachadresse genügt nicht.

Schutz der Privatsphäre durch Briefkastenadresse?

Nicht nur Künstler oder freiberufliche Journalisten ohne eigenständige Büroadresse sich häufig, ob sie in ihrem Webimpressum anstelle ihrer Wohnanschrift eine Briefkastenadresse in einem Office-Center, die Adresse ihrer Agentur oder einen Postdienstleister angeben können, um ihre Privatsphäre schützen können. Erlaubt oder verboten?

Die weiteren Entscheidungsgründe im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Juli 2023 führen zu der Antwort, die in der Juristerei immer richtig ist: Es kommt darauf an.

Anforderungen an die Adressangabe

Eine von der Wohnanschrift abweichende Adresse kann demnach in Ausnahmefällen angegeben werden. Dann aber sind strenge zusätzliche Voraussetzungen zu erfüllen.

Grundsatz: Wohn- oder Geschäftsanschrift

Die Adresse des Postdienstleisters stelle grundsätzlich keine ladungsfähige Anschrift dar:

„(1) Die ladungsfähige Anschrift ist nicht jede Anschrift, unter der eine Zustellung an den Zustelladressaten möglich ist, sondern eine solche, unter der der Zustelladressat tatsächlich zu erreichen ist und die ernsthafte Möglichkeit der Übergabe eines zuzustellenden Schriftstückes an ihn selbst besteht. Diese Definition knüpft an die Regelung des § 177 ZPO an, der von dem Leitbild der unmittelbaren Zustellung durch Übergabe an die Person, der zugestellt werden soll, ausgeht; die Ersatzzustellung stellt demgegenüber nur eine Hilfslösung dar (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2000 – VI ZR 198/99, BGHZ 145, 358, 364 zur ladungsfähigen Anschrift des Beklagten; vgl. auch BVerwG, NJW 1999, 2608, 2609 mwN).

(2) Hiernach ist die Adresse des Postdienstleisters keine ladungsfähige Anschrift der Klägerin. Eine Zustellung nach § 177 ZPO durch Übergabe an die Klägerin scheidet unter der angegebenen Anschrift aus. Die Klägerin hält sich an der Adresse des Postdienstleisters nicht auf. Sie hat dort weder ihre Wohnung im Sinne ihres tatsächlichen Lebensmittelpunktes noch einen Geschäftsraum noch ist sie dort sonst anzutreffen.“

Ausnahme 1: Härtefälle

In konkreten Ausnahmefällen könne eine andere Adresse angegeben werden. Hier aber:

„Die Klägerin hat auch keine Gründe benannt, warum ihr die Angabe eines Ortes, an dem sie sich tatsächlich aufhält, nicht möglich oder zumutbar wäre. Es hätte ihr oblegen, dem Gericht entsprechende Umstände zu unterbreiten (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 1987 – IVb ZR 4/87 , BGHZ 102, 332, 336). Auch sonst sind keine Gründe ersichtlich, warum ihr die Angabe eines derartigen Ortes nicht möglich oder zumutbar wäre.“

Ausnahme 2: Zustellungsfähige Ersatzadresse eines Empfangsbevollmächtigten

Jedenfalls für eine juristische Person könne eine Ersatzadresse angegeben werden, wenn dort vollwertige Zustellungen im Rechtssinne möglich seien. Dass dort Briefe körperlich entgegen genommen werden, genüge für sich alleine aber noch nicht:

„Allerdings hat der Bundesgerichtshof unter bestimmten Voraussetzungen auch die Mitteilung einer Anschrift, die zwar keine ladungsfähige Anschrift in dem oben genannten Sinne darstellt, unter der aber an die klagende Partei wirksam Zustellungen vorgenommen werden können, als ausreichend angesehen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2018 – I ZR 257/16, NJW-RR 2019, 61 Rn. 18; Urteil vom 6. April 2022 – VIII ZR 262/20, NJW-RR 2022, 714 Rn. 15). Diese Rechtsprechung betraf indes jeweils Konstellationen, in denen die klagende Partei eine juristische Person war. Ob sich die in diesen Entscheidungen aufgestellten Grundsätze auch auf die Klage einer natürlichen Person wie der Klägerin übertragen lassen (zweifelnd BGH, Urteil vom 28. Juni 2018 – I ZR 257/16, NJW-RR 2019, 61 Rn. 17), kann dahinstehen. Denn jedenfalls liegen hier die von dem Bundesgerichtshof insofern aufgestellten Voraussetzungen nicht vor. Eine wirksame Zustellung an die Klägerin ist unter der von ihr angegebenen Anschrift nicht möglich.

(1) Dort kann keine Ersatzzustellung nach §§ 178 bis 181 ZPO erfolgen, da diese voraussetzt, dass eine Wohnung oder ein Geschäftsraum des Adressaten an dem Ort, an dem zugestellt werden soll, tatsächlich von dem Adressaten genutzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2011 – III ZR 342/09, BGHZ 190, 99 Rn. 13; Beschluss vom 14. Mai 2019 – X ZR 94/18, NJW 2019, 2942 Rn. 9).

(2) Auch eine Zustellung an einen Zustellungsvertreter ist nicht möglich. Zwar kann nach § 171 Satz 1 ZPO an den rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter mit gleicher Wirkung wie an den Vertretenen zugestellt werden. Eine Vertretung in diesem Sinne setzt aber voraus, dass nach § 167 Abs. 1 BGB eine Vollmacht erteilt wurde, die sich auf die Entgegennahme zuzustellender Schriftstücke erstreckt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2016 – VI ZB 21/15 , BGHZ 212, 1 Rn. 45 ). Eine Vollmacht, die sich auf die bloße Weiterleitung von Post beschränkt, reicht ebenso wenig aus wie eine Beauftragung als Postannahmestelle oder Empfangsbote (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2020 – II ZB 25/20 , juris Rn. 15). Eine Empfangsvollmacht hat die Klägerin dem Postdienstleister nicht erteilt. Dieser ist (nur) mit der Weiterleitung der Post betraut, handelt mithin als Bote.“

Auswirkung auf die Praxis

Entscheidend ist der feine juristische Unterschied zwischen dem bloßen Einwurf in den Briefkasten bzw. der Übergabe z.B. am Empfangstresen und der förmlichen Zustellung im Rechtssinne: Durch die förmliche Zustellung können Fristen in Gang gesetzt werden, und zwar unabhängig davon, wann der Brief aus dem Briefkasten entnommen, geöffnet und gelesen wird.

Deswegen genügt es nicht, eine Postannahmestelle einzuschalten, die die eingegangenen Briefe – vielleicht nur alle ein oder zwei Wochen im Bündel – an die Wohnanschrift weiterleitet. Vielmehr ist es erforderlich, dass die Postannahmestelle als Zustellungsbevollmächtigte beauftragt wird. Daraus aber folgt das Risiko, dass diese Postannahmestelle die eingegangenen Briefe zu spät weiterleitet und sie erst unmittelbar vor Fristablauf oder gar erst nach Fristablauf beim Empfänger ankommen.

Der wirklich sichere Weg ist es damit, im Webimpressum die tatsächliche Wohnanschrift oder Büroadresse anzugeben. Wer sich dazu aus Rücksicht auf das eigene Privatleben absolut nicht in der Lage sieht, muss zumindest dafür Sorge tragen, dass sich der Postdienstleister durch Vertrag verpflichtet, als Zustellungsbevollmächtigter im Rechtssinne aufzutreten und eingegangene Schreiben unverzüglich weiterzuleiten. Am besten ist es dann, wenn der Postdienstleister befugt ist, sämtliche Briefe zu öffnen, einzuscannen und vorab per E-Mail zu übersenden. Dass dies bei Mahnbescheiden, polizeilichen Vorladungen zur Beschuldigtenvernehmung und ähnlichen Schreiben peinlich sein kann, muss in diesem Fall hingenommen werden.

 

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