Über die dreisten Zahlungsaufforderungen der in München ansässige ODV Inkasso AG für die Abofalle routenplaner-24.info wurde bereits →hier berichtet. Mit der ODV Online Content AG lockt nun ein weiteres Unternehmens aus dem bemerkenswerten Firmengeflecht rund um die Website routenplaner-info24.com mit einem Pauschalangebot in Höhe von 200 € anstelle der ursprünglich geforderten 480 €. Vorsicht!
Inkasso für routenplaner-24.info – worum geht es?
Die vorangegangenen Zahlungsaufforderungen verschickte jeweils die ODV Inkasso AG. Dort wurden die Inhaber der E-Mail-Adresse, die bei der Anmeldung auf der Website routenplaner-24.info jeweils angegeben wurde, in ganz massiver Weise mit Zwangsvollstreckung, Kontopfändung und SCHUFA-Eintrag unter Druck gesetzt. Damit nicht genug: Sogar mit der Einschaltung der zuständigen Strafverfolgungsbehörden wurde zahlungsunwilligen Adressinhabern gedroht.
Kleines praktisches Problem bei der ganzen Geschichte: Eine Zwangsvollstreckung setzt immer voraus, dass zunächst einmal die volle ladungsfähige postalische Adresse des als Schuldner in Anspruch genommenen Inhabers der E-Mail-Adresse bekannt ist. Bereits eine Klage oder ein Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids – und von dort aus ist es noch weit bis zur Zwangsvollstreckung – kann nur zugestellt werden, wenn diese ladungsfähige Anschrift des Empfängers bekannt ist. „Ladungsfähige Anschrift“ bedeutet: Vorname, Nachnahme, Straße, Haunummer, Postleitzahl, Ort. Eine E-Mail-Adresse ist keine ladungsfähige Adresse. Auch eine bei der Anmeldung mitgeloggte IP-Adresse hilft zunächst nicht weiter.
Auskunftsanspruch gegen Internet-Provider
Wer eine Geldforderung aus einem angeblich geschlossenen Vertrag geltend macht, und vom Schuldner nur die E-Mail-Adresse kennt, hat gegen den Internet-Provider keinen Anspruch auf Auskunft, wem diese Adresse zugeordnet ist. Der urheberrechtliche Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 9 UrhG ist auf derartige Geldforderungen nicht anwendbar. Daher die Drohung mit den Ermittlungsbehörden: Nach § 100g Abs. 1 StPO kann die Staatsanwaltschaft in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom Internetprovider die Auskunft verlangen, welchem Kunden eine bestimmte IP-Adresse zu einem ebenfalls bestimmten Zeitpunkt zugeteilt war.
Hinter der Drohung mit den Ermittlungsbehörden steht folgende Idee: Der angebliche Gläubiger der Forderung – zum Beispiel der Betreiber der Internet-Abofallen – stellt Strafantrag gegen unbekannt und teilt dabei die IP-Adresse mit, über die die Anmeldung erfolgte, und den Zeitpunkt der Anmeldung. Anhand der IP-Adresse kann der Internet-Provider identifiziert werden. Die Staatsanwaltschaft fordert nun den Provider im Zuge des Ermittlungsverfahrens auf, Auskunft darüber zu erteilten, welchem Kunden die IP-Adresse zu dem angegebenen Zeitpunkt zugeteilt war. Der Gläubiger der Forderung wiederum beantragt die Akteneinsicht in die Ermittlungsakte und bekommt so das Schreiben des Providers mit den Kundendaten zu lesen. Der Kunde ist mit voller ladungsfähiger Anschrift identifiziert – das gerichtliche Mahnbescheidsverfahren kann eingeleitet werden.
Pfiffiger Gedanke… Früher wurden Filesharing-Abmahnungen auf diese Weise vorbereitet.
Öffentliches Interesse oder Einstellung des Ermittlungsverfahrens?
Allerdings: Ob eine Staatsanwaltschaft sich veranlasst sieht, sich für Abofallen-Betreiber und andere Website-Anbieter, die für üblicherweie kostenlose Dienste wie etwa Routenplaner Geld – und noch dazu in Form eines mehrjährigen Abonnements – verlangen, ins Zeug zu legen, oder ob nicht das Ermittlungsverfahren postwendend eingestellt wird mit der Begründung, dass das öffentliche Interesse fehlt, sei einmal dahingestellt.
Die Durchführung des Ermittlungsverfahrens ist denkbar – die Einstellung des Verfahrens, ohne dass die Kundenadresse beim Provider ermittelt wird, ist wahrscheinlicher.
Dies scheint die ODV Online Content AG wohl genauso zu sehen – und verlangt deshalb in ihrem Pauschalangebot flugs, Vorname, Nachname, Straße und Postleitzahl, im Ergebnis also die bis dorthin unbekannte ladungsfähige Anschrift, mit anzugehen.
Holzauge sei wachsam. Vorsicht mit der vorschnellen Antwort auf scheinbar großzügige Preisnachlässe und Vergleichsangebote, damit nicht noch mehr persönliche Daten bekannt werden.