Urteil: Kochbuchtitel und Markenrecht des Geräteherstellers

Thermomix-Kochbuch und markenrechtlicher Unterlassungsanspruch des Geräteherstellers – das Oberlandesgericht Köln entschied mit Urteil vom 13.09.2019, Az. 6 U 29/19: Ein Kochbuch-Verlag verletzt durch die beschreibende und nicht blickfangmäßige Verwendung des Begriffs „Thermomix“ und einer stilisierten Abbildung des Gerätes auf dem Cover nicht das Markenrecht des Herstellers. Dem Hersteller steht deshalb gegen den Verlag kein Unterlassungsanspruch zu.

Sachverhalt – was war geschehen?

Die Klägerin, das Unternehmen Vorwerk aus Wuppertal, vertreibt direkt und über eigene Onlineshops seit mehr als 25 Jahren die Küchenmaschine „Thermomix“ nebst Kochbüchern und Rezeptheften. Die Marke „Thermomix“ ist unter anderem geschützt durch die deutsche Wortmarke Nr. 302013030082. Eine Markenrecherche im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes mit dem Suchbegriff „Thermomix“ führt zu weiteren Treffern, hierunter die deutschen Bildmarken Nr. 302019006965 (Frontalansicht eines Thermomix-Gerätes) und Nr. 302019006966 (Schrägansicht eines Gerätes).

Diese Marken gewähren unter anderem Schutz in der Klasse 11 für elektronische Kochgeräte bzw. Küchenmaschinen. Die Wortmarke gewährt zusätzlich Schutz in der Klasse 16 für Kochbücher und der Klasse 9 für elektronische Publikationen.

Beklagte Partei war der Buchverlag Gräfe und Unzer. Die Beklagte verlegt fünf Kochbücher mit dem Serientitel „Die besten GU-Rezepte für den Thermomix“. Auf dem Buchcover ist jeweils der Serientitel zusammen mit einer stilisierten Abbildung eines Thermomix-Gerätes zu sehen.

Die Klägerin erhob gegen den Verlag nach erfolgloser Abmahnung wegen Verletzung der Markenrechte Klage auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatzfeststellung und Erstattung vorgerichtlicher Kosten.

Bereits vor dem Landgericht KölnUrteil vom 15.01.2019, Az. 31 O 397/17 – blieb die Klägerin erfolglos. Gegen dieses Urteil legte sie bei dem übergeordneten Oberlandesgericht Köln Berufung ein.

Wie entschied das Gericht?

Auch vor dem Oberlandesgericht Köln blieb die Klägerin erfolglos.

_ Kein Unterlassungsanspruch aus Markenrecht

 

Der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 14 abs. 5 MarkenG zu. Keiner der Verletzungstatbestände des § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG erfüllt.

§ 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG – Identität

 

(1) Wort „Thermomix“

Die Beklagte habe das Wort „Thermomix“ zwar als mit der Wortmarke identisches Zeichen für identische Ware, nämlich Kochbücher, genutzt. Dies jedoch sei nicht herkunftshinweisend als Marke, sondern nur zur Inhaltsbeschreibung geschehen:

„Das angegriffene Zeichen ist Teil des Buchtitels und wird allein schon deswegen, zudem aber auch wegen der unmissverständlichen Formulierung ‚Die besten GU-Rezepte für den Thermomix‘ vom angesprochenen Verkehr – dessen Anschauung der Senat ohne weiteres selbst beurteilen kann – als inhaltsbeschreibendes Unterscheidungsmerkmal zu anderen Büchern und nicht als Produktkennzeichen wahrgenommen. Dem Verbraucher ist bekannt, dass das Kochen mit der selbstwärmenden Küchenmaschine Thermomix besonderer Rezepte bedarf, die in Bezug auf die Mengenangaben und die Art der Verarbeitung der einzelnen Produkte auf die besonderen Funktionen der Küchenmaschine abgestimmt sind. Hinzu kommt, dass nicht nur im Fließtext direkt vor der Bezeichnung ‚Thermomix‘ sondern auch unten links prominent hervorgehoben der Name des Verlages GU angegeben ist.“

Darauf, ob die Marke GU eine bekannte Marke ist, komme es nicht an. Sie werde jedenfalls eindeutig als Herkunftshinweis auf den Verlag verstanden. Der Senat könne ohne weiteres feststellen, dass das Zeichen GU als Herkunftshinweis insbesondere für Kochbücher allgemein bekannt sei.

(2) Stilisierte Abbildung des Gerätes

Die stilisierte Abbildung des Gerätes unterfalle nicht dem Tatbestand der Doppelidentität, § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die angegriffene Darstellung auf dem Buchcover sei der im Rahmen der Bildmarke geschützten Abbildung allenfalls ähnlich. Diese stilisierte Abbildung werde und wird nicht für identische Produkte genutzt. Die Bildmarke genieße keinen Schutz für Bücher.

§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG – Verwechslungsgefahr

 

Die stilisierte Abbildung des Gerätes auf dem Buchcover erfülle auch nicht den Verletzungstatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

Die hierbei erforderliche markenmäßige Verwendung der beanstandeten Zeichen, fehle. Die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung von Zeichenähnlichkeit und abweichender Warenform könne deshalb dahinstehen. Die stilisierte Abbildung des Thermomix-Gerätes erfolge allein zu dekorativen Zwecken. Sie nehme bei allen fünf Covern in ihrer konkreten Ausgestaltung Bezug auf die außerhalb des Titelkreises lose verstreuten Bildelementen wie Zutaten und Gerätschaften, die thematisch jeweils zum Inhalt des Kochbuches passen und zumindest teilweise eine ähnlicher Größe und/oder Farbgebung und/oder Stilrichtung wie das skizziert Gerät aufweisen:

„Die Skizze wird nicht prominent hervorgehoben, sondern reiht sich eher klein und unauffällig in die Gesamtdarstellung als eines von zahlreichen Dekorelementen ein.“

§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG – bekannte Marke

 

Der Verletzungstatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG sei weder hinsichtlich der Bildmarke noch hinsichtlich der Wortmarke erfüllt.

Zu den dogmatischen Grundlagen führt das Oberlandesgericht zunächst aus:

§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG erfordert keine markenmäßige Benutzung / Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion, sondern (nur) die unlautere Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder Wertschätzung einer bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund. Auch auf Verwechslungsgefahr kommt es nicht an. Ausreichend ist, dass die beteiligten Verkehrskreise die einander gegenüberstehenden Zeichen gedanklich miteinander verknüpfen.“

(1) Bildmarke

Die Klägerin selbst habe nicht geltend gemacht, dass die Bildmarke eine bekannte Marke sei.

(2) Wortmarke

Bei der Wortmarke „Thermomix“ handele es sich zwar um eine bekannte Marke. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG sei nach allgemeiner Ansicht auch dann anwendbar, wenn – wie hier – Warenidentität vorliege.

Die Beklagte habe die Marke zwar unlauter, jedoch mit rechtfertigendem Grund ausgenutzt.

Die Beklagte habe durch die konkrete Art der angegriffenen Verwendungen des Begriffs „Thermomix“ die Unterscheidungskraft und Wertschätzung der bekannten Wortmarke ausgenutzt:

„Sie hat für die angegriffenen Titelgestaltungen die Marke blickfangmäßig verwendet, um auf ihre Kochbücher aufmerksam zu machen. Sie hat sich dadurch die Werbe- und Kommunikationsfunktion der bekannten Marke zu Eigen gemacht und sich in deren Sogwirkung begeben, um von dem fremden guten Ruf zugunsten des eigenen Absatzes zu profitieren.“

Der Verkehr werde den Begriff „Thermomix“ auf dem Buchcover – wie von der Beklagten gewollt – mit der Marke „Thermomix“ gedanklich verknüpfen und als Hinweis auf die Produkte der Klägerin wahrnehmen.

Die Beklagte nutze die bekannte Klagemarke „Thermomix“ unlauter aus:

„Dem Tatbestandsmerkmal des Ausnutzens der Unterscheidungskraft ist die Unlauterkeit immanent, wenn – wie hier – die Marke in identischer oder ähnlicher Form benutzt wird (vgl. BGH GRUR 2005, 583 – Lila-Postkarte, juris-Tz. 22).“

Die Nutzung erfolge allerdings nicht ohne rechtfertigenden Grund. Die Beklagte könne sich auf die Vorschrift des § 23 Nr. 3 MarkenG berufen, die den Tatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ausschließe:

§ 23 Nr. 3 MarkenG, der Art. 6 Abs. 1 lit. c MarkenRL a.F. umsetzt, privilegiert die offene Verwendung einer fremden Marke als Hinweis auf die Bestimmung der eigenen Ware. Der Inhaber einer Marke kann danach einem Dritten nicht untersagen, im geschäftlichen Verkehr die Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware zu benutzt, soweit die Benutzung dafür notwendig ist und nicht gegen die guten Sitten verstößt. Die Benutzung einer Marke ist notwendig, wenn die Information über den Zweck der Ware anders nicht sinnvoll übermittelt werden kann. Die Markennutzung muss praktisch das einzige Mittel darstellen, um der Öffentlichkeit eine verständliche und vollständige Information über die Bestimmung der Ware zu liefern. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt vor, wenn die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel widerspricht. Eine Nutzung muss somit unter Berücksichtigung der Interessen des Markeninhabers erfolgen und der Nutzer muss alles getan haben, um unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles eine Beeinträchtigung der Interessen des Markeninhabers nach Möglichkeit zu vermeiden (vgl. BGH GRUR 2019, 165 – keine -D-vertretung, juris-Tz. 25 f.). Ein Verstoß gegen die anständigen Gepflogenheiten kann angenommen werden, wenn durch die Benutzung des Zeichens der Eindruck entsteht, es bestünden Handelsbeziehungen zwischen dem Zeicheninhaber und dem Dritten (vgl. BGH GRUR 2013, 631 – AMARULA/Marulablu).

Die Markennutzung hält sich im vorliegenden Fall unter Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände noch im Rahmen der notwendigen Leistungsbestimmung.

Die Benennung der Marke ‚Thermomix‘ (das Ob der Markennutzung) ist als Hinweis auf die Bestimmung der Ware notwendig. Die Kochbücher sind für jeden nutzlos, der nicht über die multifunktionale Küchenmaschine Thermomix verfügt. Um eine ihrerseits lauterkeitsrechtlich unzulässige Irreführung der Verbraucher zu vermeiden, muss die Beklagte deutlich darauf hinweisen, dass die Kochbücher ausschließlich für den A bestimmt sind. Insoweit darf und muss das Zeichen Thermomix auf dem Cover gut lesbar sein und auch bis zu einem gewissen Maße hervorgehoben angebracht werden.“

Die Grenze der Erforderlichkeit ist bei der Covergestaltung (das Wie der Markennutzung) noch nicht überschritten.

„Bei der Covergestaltung besteht – auch nach der von der Klägerin selbst in erster Instanz ausdrücklich vertretenen Ansicht – ein angemessener Gestaltungsspielraum. Der Ansicht der Klägerin, dieser Spielraum sei durch die Entscheidung des BGH ‚keine -D-vertretung‘ (GRUR 2019, 165) neuerdings auf einen strengeren Beurteilungsmaßstab des absolut notwendigen Minimums in dem Sinn eingeschränkt worden, dass die Markennutzung sowohl nach ihrem Ob als auch nach dem Wie praktisch das einzige Mittel darstellen müsse, um der Öffentlichkeit eine verständliche und vollständige Information über die Bestimmung der Ware zu liefern, kann nicht beigetreten werden. Der BGH hat seine bisherigen Beurteilungsmaßstäbe nicht verschärft. Er geht weiterhin davon aus, dass wenn sich die Markennutzung in den Grenzen der notwendigen Leistungsbestimmung hält, der Markeninhaber die Möglichkeit hinnehmen muss, dass der Dritte vom Prestige der bekannten Marke profitiert (a.a.O., juris-Tz. 27), wobei eine sachliche und informative Verwendung eines Zeichens ohne Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion auch dann zulässig sein kann, wenn sie hervorgehoben erfolgt (s. BGH GRUR 2009, 1162 – DAX, juris-Tz. 35 f.). Der BGH verlangt in der Entscheidung ‚keine -D-vertretung‘ gerade nicht, dass sich der Dritte auf das ‚unbedingt notwendige Minimum an Markenverwendung‘ beschränken muss (s. BGH GRUR 2019, 165, juris-Tz. 29).“

Die Klagemarke „Thermomix“ werde in den angegriffenen Gestaltungen gerade nicht als Hauptmerkmal des Werktitels in den Vordergrund gestellt. Der Blick richte sich in erster Linie auf die im markanten weißen Kreis der Schriftgröße nach hervorgehobenen Titel der Bücher.

Aus der Kombination der Verwendung des Wortzeichens und der stilisierten Abbildung des Mixers könne die Klägerin nichts zu ihren Gunsten herleiten. Die Abbildung des Gerätes nehme als relativ kleines Dekorationselement nicht am Blickfang teil. Ihm komme gegenüber der deutlichen Benennung des „Thermomix“ auch keine eigenständige oder die Marke betonende Bedeutung zu. Die Bildmarke der Klägerin halte zu der angegriffenen Abbildung einen großen Abstand. Die Klägerin selbst verwendet ihre Bildmarke für ihre Kochbücher nicht.

Die Verwendung des Zeichens „Thermomix“ in den Buchtiteln lasse beim angesprochenen Verkehrskreis schließlich nicht den Eindruck aufkommen, zwischen dem beklagten Verlag und dem klagenden Hersteller bestünden Handelsbeziehungen. Der Titel mache eindeutig klar, um was es bei den Kochbüchern geht, nämlich um Rezepte aus dem (bekannten) Verlag der Beklagten für die (bekannte) multifunktionale Küchenmaschine aus dem Hause der Klägerin.

_ Kein Unterlassungsanspruch aus Wettbewerbsrecht

 

Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch könne auch nicht auf den Gesichtspunkt einer lauterkeitsrechtlich unzulässigen irreführenden Werbung gestützt werden, § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 3, § 5 UWG:

„Bei der Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Vorschriften zum Schutz vor Herkunftstäuschungen gemäß § 5 UWG sind Wertungswidersprüche zum Markenrecht zu vermeiden. Dem Zeicheninhaber darf über das Lauterkeitsrecht keine Schutzposition eingeräumt werden, die ihm nach dem Kennzeichenrecht nicht zukommt (s. BGH GRUR 2018, 924 – ORTLIEB, juris-Tz. 65, m.w.N.).“

Welche Auswirkung hat das Urteil auf die Praxis?

§ 23 MarkenG erlaubt, das Kind beim Namen zu nennen. Intellektuelle und orthographische Verrenkungen wie ausgelassene Buchstaben oder Sonderzeichen, wie sie vor allem im Web immer wieder gesehen werden können, sind unnötig, wenn es sich um eine beschreibende Verwendung innerhalb der Grenzen von § 23 MarkenG handelt.

Was wäre denn die Konsequenz, wenn es diese Schranke des Markenschutzes nicht gäbe, wenn also ausnahmslos jede Verwendung des markenrechtlich geschützten Begriffes erst durch den Markeninhaber genehmigt werden müsste? Der Markeninhaber hätte die totale Kontrolle über jede Form der Berichterstattung über seine Produkte. Vor allem jede kritische Berichterstattung über ein Produkt, die dieses Produkt notwendigerweise mit seinem Namen identifizieren muss, könnte vom Markeninhaber unterdrückt werden. Eine solche totale Kontrolle würde den Prinzipien einer freien Wirtschaftsordnung widersprechen.

§ 23 MarkenG ist aber auch kein Hintereingang für Trittbrettfahrer und Schmarotzer, der den Markeninhaber am Ende schutzlos macht. Nicht alles ist unter einem Deckmäntelchen einer angeblich nur beschreibenden Verwendung zulässig. Ob die Grenzen des § 23 MarkenG eingehalten oder überschritten sind, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu überprüfen. Hier kommt es darauf an, die Details zu erkennen und richtig zu bewerten.

© RA Stefan Loebisch | Kontakt