Filesharing: Familienmitglied muss nicht denunziert werden

Filesharing durch Familienmitglieder und Nachforschungspflicht des Anschlussinhabers – das Landgericht Hannover entschied mit Urteil vom 15.08.2014, Az. 18 S 13/14: Der Anschlussinhaber ist nicht generell verpflichtet, zu erforschen, wer an dem in der Abmahnung angegebene Tag möglicherweise den Internetanschluss genutzt hat und dies dem Rechteinhaber zu melden.

Worum geht es?

Wieder einmal das übliche: Nach einer Filesharing-Abmahnung klagten die Rechteinhaber Lizenz-Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten ein. Der beklagte Anschlussinhaber, an den die Abmahnung adressiert war, verteidigte sich mit dem Hinweis, dass auch seine Lebensgefährtin und deren 10-jähriger Sohn den Internet-Anschluss mit benützen durfte. Die klagenden Rechteinhaber verlangten von dem Anschlussinhaber nun offenbar, seine Lebensgefährtin zu befragen, ob sie oder ihr Sohn zu dem in der Abmahnung angegebene Zeitpunkt online war und Filesharing betrieb. Dies verweigerte der Anschlussinhaber.

Wie entschied das Landgericht Hannover zur Mitwirkungspflicht des Anschlussinhabers?

Das Landgericht Hannover wies die Klage gegen den Anschlussinhaber in vollem Umfang ab und verneinte die geforderte Mitwirkungspflicht des Anschlussinhabers.

Der beklagte Anschlussinhaber hafte nicht als Täter. Es spreche keine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Beklagten. Entscheidungserheblich sei, dass der Internetanschluss nach seinem substantiierten Vortrag seine Lebensgefährtin mindestens auch zur Nutzung überlassen sei. Eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers sei nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen diesen Anschluss hätten nützen können, wenn etwa der Internet-Anschluss bewusst anderen Personen zu nutzen überlassen worden sei.

Der Anschlussinhaber genüge seiner sekundären Darlegungslast, indem er vortrage, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss gehabt hätten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kämen.

Zwar sei der Anschlussinhaber auch zu Nachforschungen verpflichtet. Diese aber seien begrenzt auf einen Rahmen des zumutbaren. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei der Beklagte nicht verpflichtet, die in Betracht kommenden Personen zu befragen und der Klägerin das Ergebnis dieser Befragung mitzuteilen.

Der beklagte Anschlussinhaber hafte auch nicht als Störer. Der Anschlussinhaber sei grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit von Filesharing oder die Rechtswidrigkeit von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und es ihnen zu verbieten, den Internetanschluss zur rechtswidrigen Teilnahme an Filesharing-Tauschbörsen oder sonstigen Rechtsverletzungen zu benutzen, wenn wie hier keine konkreten Anhaltspunkte für eine derartige rechtswidrige Nutzung bestehe. Soweit der in dem Haushalt mit lebende Sohn der Lebensgefährtin des Beklagten betroffen sei, habe der Beklagte bekundet, dieser habe nur unter Aufsicht am Computer gesessen. Zu weiteren Angaben sei der Beklagte nicht verpflichtet gewesen.

Welche Auswirkung hat das Urteil auf die Praxis bei der Verteidigung gegen Filesharing-Abmahnungen?

Das Urteil zeigt in die richtige Richtung. Die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers, die der Bundesgerichtshof seinem Urteil „Sommer unseres Lebens“ vom 12.05.2010, Az. I ZR 121/08 zugrunde legte, hat keine Beweislastumkehr zum Nachteil des Anschlussinhabers zur Folge. Der Anschlussinhaber muss also keinen vollständigen Entlastungsbeweis erbringen. Der Anschlussinhaber muss nicht den vollen Beweis dafür erbringen, welche Person genau über seinen Internet-Anschluss zu dem in der Abmahnung angegebenen Zeitpunkt an einer Filesharing-Tauschbörse teilnahm. Und erst recht nicht muss der Anschlussinhaber seine Familienangehörigen gegenüber den Abmahnenden Rechteinhabern denunzieren.

Genau dies wird aber nach wie vor in vielen Filesharing-Abmahnungen gefordert – zu unrecht.

Recht knapp bleibt die Urteilsbegründung bei der Belehrung des 10-jährigen Sohnes der Lebensgefährtin. Ob die Zeugenaussage der Lebensgefährtin hierzu ebenso knapp ausfiel, sei einmal dahingestellt. Je ausführlicher und je präziser der Anschlussinhaber zu seiner eigenen Verteidigung vortragen kann, in welcher Weise die Kinder belehrt wurden, je schwerer wird es für die abmahnenden Rechteinhaber, dem Anschlussinhaber hier mangelnde Sorgfalt vorzuwerfen.