Generisches Maskulinum in Bankformularen – der Bundesgerichtshof (BGH) entschied mit Urteil vom 13.03.2018, Az. VI ZR 143/17: Eine Bankkundin hat keinen Anspruch auf weibliche Personenbezeichnungen („Kontoinhaberin“) in Vordrucken und Formularen. Generische Maskulina reichen aus.
Inhalt
Was war geschehen?
Über das Revisionsverfahren vor dem BGH wurde bereits >hier< berichtet: Die Klägerin ist Kundin der beklagten Sparkasse. Die Sparkasse verwendet im Geschäftsverkehr Formulare und Vordrucke, die neben Bezeichnungen wie etwa „Kunde“, „Kontoinhaber“, „Einzahler“ oder „Sparer“ keine ausdrücklich weibliche Form enthalten. Im persönlichen Gespräch und in persönlich adressierten Schreiben spricht die Beklagte die Klägerin mit „Frau […]“ an. Die Klägerin verlangt von der Sparkasse, im Geschäftsverkehr mit ihr Vordrucke zu verwenden, in denen sie als weibliche Person („Kundin“, „Kontoinhaberin“, „Einzahlerin“, „Sparerin“) erscheint.
Bereits das Amtsgericht Saarbrücken (Urteil vom 12.02.2016, Az. 36 C 300/15) und das Landgericht Saarbrücken als Berufungsgericht (Urteil vom 10.03.2017, Az. 1 S 4/16) wiesen die Klage der Bankkundin ab. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision zum BGH verfolgte die Klägerin ihren Antrag weiter.
Wie entschied der BGH zum generischen Maskulinum in Vordrucken und Formularen?
Der BGH wies die Revision als unbegründet zurück.
§ 28 Satz 1 des Saarländischen Landesgleichstellungsgesetzes begründe keinen individuellen Anspruch. Es handle sich um kein Schutzgesetz. Daher habe der Senat offen lassen können, ob die Vorschrift verfassungsgemäß ist.
Allein durch die Verwendung generisch maskuliner Personenbezeichnungen erfahre die Klägerin keine Benachteiligung im Sinne von § 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Maßgeblich sei die objektive Sicht eines verständigen Dritten, nicht die subjektive Sicht der betroffenen Person. Der Bedeutungsgehalt grammatisch männlicher Personenbezeichnungen könne nach dem allgemein üblichen Sprachgebrauch und Sprachverständnis Personen umfassen, deren natürliches Geschlecht nicht männlich ist („generisches Maskulinum“). Ein solcher Sprachgebrauch bringe keine Geringschätzung gegenüber Personen zum Ausdruck, deren natürliches Geschlecht nicht männlich ist.
Zwar werde im Bereich der Gesetzgebung und Verwaltung das Ziel verfolgt, die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen. Gleichwohl würden weiterhin in zahlreichen Gesetzen Personenbezeichnungen im Sinne des generischen Maskulinums verwendet, so beispielsweise in §§ 21, 30, 38 f., 40 ff. Zahlungskontengesetz die Bezeichnung „Kontoinhaber“ oder in §§ 488 ff. BGB die Bezeichnung „Darlehensnehmer“. Dieser Sprachgebrauch des Gesetzgebers sei zugleich prägend wie kennzeichnend für den allgemeinen Sprachgebrauch und das sich daraus ergebende Sprachverständnis.
Es liege auch keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Ausprägung als Schutz der geschlechtlichen Identität vor. Die Beklagte wende sich nämlich in persönlichen Gesprächen und in individuellen Schreiben mit der Anrede „Frau […]“an die Klägerin. Durch die Verwendung generisch maskuliner Personenbezeichnungen in Vordrucken und Formularen erfolge kein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ergebe sich angesichts des allgemein üblichen Sprachgebrauchs und Sprachverständnisses auch nicht aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG.
Welche Auswirkung hat das Urteil auf die Praxis?
Nicht nur Banken und Sparkassen, sondern auch alle anderen Unternehmen, die Allgemeine Geschäftsbedingungen und andere Formulare mit dem generischen Maskulinum verwenden, können zunächst einmal aufatmen: Sie müssen nicht sämtliche Texte gendergerecht anpassen.
Zunächst liegt lediglich die Pressemitteilung des BGH vor – die vollständige schriftliche Urteilsbegründung steht noch aus.
Mit seinem Urteil vom 13.03.2018 gibt der Bundesgerichtshof bis auf weiteres althergebrachter Sprachökonomie den Vorrang vor einer nach Geschlechtern differenzierenden Formulierung. Welche Halbwertszeit die Rechtsauffassung des BGH haben wird, bleibt abzuwarten. Die Klägerin Marlies Krämer kündigte ersten Presseberichten zufolge an, ihren Rechtsstreit nach der Niederlage vor dem BGH vor dem Bundesverfassungsgericht fortsetzen zu wollen.
Es spricht auch im Übrigen mehr dafür als dagegen, dass es in naher und mittlerer Zukunft weitere gerichtliche Auseinandersetzungen um die Verwendung generischer Maskulina geben wird. Damit ist auch zu erwarten, dass auch bei späterer Gelegenheit erneut ein Gericht den Weg nach ganz oben zum BGH freimachen wird mit der Begründung, seit dem Urteil vom 13.03.2018 hätten sich die maßgeblichen gesellschaftlichen Ansichten weiter verändert.
Deutsche Sprache bietet schon heute die Lösung
Schon heute muss niemand die deutsche Sprache vergewaltigen oder neu erfinden, um am Ende zu einer Lösung kommen, die alle beteiligten Personen zufrieden stellt: Es gibt den in Zahl und Geschlecht neutralen Ausdruck der „Kundschaft“. Wem „Kundschaft“ zu distanziert und zu blutleer klingt, möge über eine alternative Lösung nachdenken: Die direkte Adressierung der anderen Vertragspartei, also die unmittelbare Anrede „Sie“ mit Formulierungen wie in einem persönlichen Brief.
Der BGH verweist darauf, dass zahlreiche Gesetze das generische Maskulinum als Personenbezeichnung verwenden. Das mag wohl so sein. Aber: Gesetze beinhalten abstrakt-generelle Regelungen. Sie wenden sich an eine zunächst ganz abstrakte Vielzahl von Personen, um eine ebenso abstrakte Vielzahl von Sachverhalten zu regeln. Allgemeine Geschäftsbedingungen und Vertragsformulare dagegen richten sich von Anbeginn an weit stärker an die jeweilige konkrete Vertragspartei – aus wie vielen Personen welchen Geschlechtes sie sich auch immer zusammensetzt.
Mit Hilfe der direkten Adressierung wie in einem persönlichen Brief kann es am Ende bei einem Formular für alle möglichen Vertragsparteien bleiben.
Generische Maskulina sind nicht die einzige Lösung, um logistischen Overkill im Formularschrank zu vermeiden. Zugleich zeugt es nicht von Weitblick, einen altväterlichen, auf dem generischen Maskulinum aufbauenden, Kanzleistil in Formularen und Geschäftsbedingungen nur ersetzen zu wollen durch einen neuen und gendergerechten Kanzleistil, der sich in sprachlichen und optischen Monstrositäten oder durchgehechelten Aufzählungen aller möglichen Beteiligungsformen erschöpft.
Weniger Dogmatik, mehr deutsche Sprache.
[Update 13.04.2018:]
Seit dem 13.04.2018 ist der Volltext online über die Urteilsdatenbank des BGH abrufbar.
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