Urteil aus Passau: Zeugnisverweigerung im Filesharing-Prozess

Sekundäre Darlegungslast, eigene Kinder und Zeugnisverweigerungsrecht im Filesharing-Prozess – das Amtsgericht Passau entschied mit Urteil vom 30.12.2015, Az. 15 C 582/15: Der als Anschlussinhaber auf Schadensersatz in Anspruch genommene Beklagte muss seine eigenen Kinder nicht verraten, um seine sekundäre Darlegungslast zu erfüllen.

Sekundäre Darlegungslast und Zeugnisverweigerungsrecht – was war geschehen?

Klägerin in dem Verfahren war eine Plattenfirma, vertreten durch die Kanzlei Waldorf Frommer aus München. Diese hatte den Beklagten im Jahre 2011 abgemahnt mit dem Vorwurf, über seinen Internet-Anschluss sei illegales Filesharing über eine P2P-Tauschbörse betrieben worden. Der spätere Beklagte hatte darauf hin zwar eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben, im übrigen aber jede Zahlung verweigert. Mit ihrer Klage machte die Plattenfirma nun Lizenz-Schadensersatz und den Ersatz der Abmahnkosten geltend.

Der Beklagte verteidigte sich damit, zu dem in der Abmahnung angegebenen Tatzeitpunkt in einer anderen Stadt gewesen zu sein. Eines seiner Kinder aber habe die Tat gestanden. Der Beklagte war allerdings nicht bereit, mitzuteilen, welches seiner Kinder ihm die Filesharing-Aktivität gestanden hatte. Der Beklagte war also nicht bereit, sein Kind zu denunzieren. Er wies jedoch darauf hin, seinen Kindern streng untersagt zu haben, Internet-Tauschbörsen zu nutzen.

In der Beweisaufnahme machten sowohl die Ehefrau des Beklagten wie auch seine Kinder von deren Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.

Wie entschied das Amtsgericht Passau zum Zeugnisverweigerungsrecht?

Das Gericht wies die Klage ab. Der Beklagte habe durch seinen Vortrag seine sekundäre Darlegungslast erfüllt:

„Dieser sekundären Darlegungslast entspricht der Anschluss-Inhaber, indem er vorträgt, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbständigen Zugang zum gegenständlichen Internet-Anschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Der Beklagte ist im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast nicht dazu verpflichtet, sich in vollem Umfang zu entlasten und den gesicherten Nachweis einer Täterschaft einer anderen Person der Klägerin zu liefern. Dies würde gerade in vorliegendem Fall, in dem als Täter lediglich seine Ehefrau bzw. seine Kinder in Betracht kommen, sein Zeugnisverweigerungsrecht, das gemäß §§ 383 und 384 ZPO besteht, unterlaufen.“

Eine Verpflichtung, nötigenfalls ein Mitglied der eigenen Familie als Täter der Urheberrechtsverletzung über die P2P-Tauschbörse zu identifizieren, überspanne das Ausmaß der sekundären Darlegungslast des Beklagten. Dies sei aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht zu erfüllen:

„Mit der Benennung der im Haushalt des Beklagten lebenden weiteren Personen als Nutzer der streitgegenständlichen Computer und des streitgegenständlichen Internet-Anschlusses sowie der Eingrenzung des Täterkreises ist der Beklagte in vollem Umfang seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen.“

Der Beklagte könne auch nicht nach § 832 BGB wegen einer Verletzung der Aufsichtspflicht in Anspruch genommen werden. Aus dem Vortrag der Klägerin ergäben sich keine konkreten Hinweise, Anhaltspunkte oder Beweisangebote, dass der Beklagte seine Kinder nicht ausreichend belehrt habe. Das einfache Bestreiten reiche nicht aus.

Zeugnisverweigerungsrecht im Filesharing-Prozess – welche Auswirkung hat das Urteil aus Passau auf die Praxis?

Das Urteil aus Passau ist noch nicht rechtskräftig. Mit seiner Kernaussage, dass beklagte Anschlussinhaber ihre eigenen Kinder im Rahmen eines Filesharing-Gerichtsverfahrens nicht denunzieren und ans Messer liefern müssen, und dass es im Ergebnis das Risiko der Klägerpartei ist, wenn die Familienmitglieder von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, steht das Urteil freilich nicht alleine da.

Das ist auch systematisch richtig: Nach der wiederholten Rechtsprechung des BGH ist mit der sekundären Darlegungslast eines Anschlussinhabers im Filesharing-Prozess gerade keine Umkehr der Beweislast verbunden. Der beklagte Anschlussinhaber genügt hiernach seiner sekundären Darlegungslast, indem er vorträgt, ob andere Personen und welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten. Im übrigen aber bleibt es bei der vollen Beweislast der Klägerpartei.

„…vorträgt, ob andere Personen und welche anderen Personen selbständigen Zugang hatten…“ – Mehrzahl von Personen. Eine Pflicht, unter mehreren zugangsberechtigten Personen konkret diejenige Person zu identifizieren und zu benennen, ist dieser Vorgabe des BGH nicht zu entnehmen. Ebenso wenig eine über die bloße Vortragspflicht hinausreichende Beweispflicht – „vorträgt, ob“, nicht „beweist, dass“. So muss es dann allgemeines Prozessrisiko der klagenden Partei bleiben, wenn die benannten Personen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen und am Ende offen bleibt, wer es wirklich war.

Das Urteil ist im Volltext hier abrufbar.

 

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