Widerrufsrecht bei Click and Collect oder Click and Reserve?

Hat die Kundschaft bei „Click & Collect“ oder „Click and Reserve“ ein Widerrufsrecht, obwohl sie die Ware im Geschäft abgeholt hat? Müssen Geschäftsinhaber:innen also damit rechnen, dass ihnen die Kundschaft die Einkäufe zurückschickt oder zurückbringt und den Kaufpreis erstattet verlangt? Es kommt darauf an.

Worum geht es?

„Click & Collect“ oder „Click and Reserve“ sind mit Corona und der zaghaft gestatteten Wiedereröffnung des stationären Einzelhandels in den Fokus gerückt: Die Kundschaft wählt die Ware online auf der Website des Geschäfts aus und holt sie im Laden ab. Hierbei kann sich die Kundschaft ggf. auch die Filiale aussuchen, in der sie die Ware entgegen nehmen will, oder sie vereinbart ein Zeitfenster, in der sie ihre Einkäufe abholen wird.

Steht der Kundschaft nun das zweiwöchige Widerrufsrecht zu, weil sie – „Click“ – ihren Einkauf am Computer in die Wege geleitet hat?

Rechtslage: Es kommt darauf an

Es kommt auf die Details beim Vertragsschluss an. Es kommt darauf an, ob der Kaufvertrag rechtlich ein Fernabsatzvertrag ist oder ob es sich weiterhin um einen „klassischen“ Offline-Kaufvertrag handelt. Damit kommt es darauf an, wie die Online-AGB des Geschäfts den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses definieren.

_ Fernabsatzvertrag

Nur, wenn der Kaufvertrag ein Fernabsatzvertrag ist, sieht das Gesetz hier ein Widerrufsrecht vor.

Was ein Fernabsatzvertrag ist, bestimmt § 312c BGB. Danach sind drei Voraussetzungen zu erfüllen:

  • Die Kundschaft muss Verbraucher gemäß § 13 BGB sein (B2C-Geschäft).
  • Für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss dürfen ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet worden sein.
  • Der Vertragsschluss muss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt sein.

_ Zeitpunkt des Vertragsabschlusses

In rechtlicher Hinsicht muss der Kaufvertrag also bereits am Computer, am Tablet oder am Smarthone abgeschlossen worden sein. Der Kaufvertrag darf nicht erst danach im Geschäft abgeschlossen worden sein. Online, ohne den persönlichen Kontakt im Geschäft, muss mehr passiert sein, als nur die Reservierung der Ware und vielleicht noch die Vereinbarung eines Abholtermins.

Nach § 312i BGB in Verbindung mit Art. 246c Nr. 1 EGBGB sind Webshop-Betreiber unter anderem verpflichtet, ihre Kundschaft

„über die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsschluss führen“,

zu informieren. Sie sind also verpflichtet, in ihren AGB den Zeitpunkt anzugeben, zu dem der Kaufvertrag rechtsverbindlich geschlossen wird.

Legen die AGB den Vertragsabschluss bereits einem Zeitpunkt fest, bevor die Kundschaft das Geschäft betreten hat, handelt es sich im Zweifel um einen Fernabsatzvertrag. Dann steht der Kundschaft das Widerrufsrecht vor. Das ist z.B. der Fall, wenn die Kundschaft bereits am Computer aufgefordert wird oder die Möglichkeit erhält, den Kaufpreis zu bezahlen: Der Kaufpreisanspruch des Verkäufers setzt voraus, dass der Kaufvertrag bereits wirksam abgeschlossen ist; § 433 Abs. 2 BGB.

Auswirkung auf die Praxis

Für beide Vertragsparteien kommt es auf die chronologische Abfolge bei Bestellung, Bestätigung und Zahlung, also auf den Workflow im Warenkorbsystem, an. Für beide Parteien lohnt sich ein Blick in die Webshop-AGB. Webshop-Betreiber, die „Click & Collect“ oder „Click an Reserve“ ohne Widerrufsrecht und ohne Kaufpreiserstattung, anbieten wollen, müssen dazu ihren Online-Auftritt anpassen. Ihre Warenpräsentation, ihr Warenkorbsystem und ihre AGB müssen so gestaltet sein, dass der Kaufvertrag im rechtlichen Sinne erst im Laden geschlossen wird, wenn die Kundschaft ihre Einkäufe abholt. Hier ist die exakte Formulierung der Texte entscheidend. Eines muss zum anderen passen, damit an Ende das gewünschte Ergebnis steht.

Dem Kind (k)einen Namen geben

Bloße Wortakrobatik reicht allerdings nicht aus. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschied mit Urteil vom 28.01.2021, Az. 6 U 181/19: Ob und wann ein für beide Parteien verbindlicher Vertragsabschluss vorliegt, richtet sich alleine nach dem objektiven Empfängerhorizont der Kundschaft. Das Unternehmen kann den Vertragsabschluss also nicht hinauszögern, indem auf der Website nur von einer „Reservierung“ die Rede ist, dabei aber die Kundschaft anhand der übrigen Angaben im Warenkorbsystem erwarten darf, bereits einen Kaufvertrag abgeschlossen zu haben. Die AGB-Klausel

„Durch die Reservierung … alleine kommt kein Fernabsatz-Kaufvertrag zustande. Der verbindliche Kaufvertrag … wird ausnahmslos nur in einem persönlichen Gespräch zustande kommen und schriftlich von Ihnen verifiziert.“

ist also überraschend, irreführend und unwirksam.

Ob und wann der Vertrag geschlossen wird, ob es sich um einen Fernabsatzvertrag oder um einen „klassischen“ Offline-Kaufvertrag handelt, ob der Kundschaft ein Widerrufsrecht zusteht oder nicht, entscheidet damit alleine das Gesetz. Ein Kaufvertrag bleibt ein Kaufvertrag, auch wenn er nicht „Kaufvertrag“ genannt wird.

[Der Beitrag wurde am 17.03.2021 und am 26.03.2021 überarbeitet.]

 

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