Widerrufsbelehrung beim Warenkauf Wort für Wort

Bei Fernabsatzverträgen, also Verträgen, die über das Internet, per Messenger, per Telefon oder per Telefax, aber auch per Brief oder gedrucktem Katalog mit Bestellschein geschlossen werden, steht Verbraucher:innen grundsätzlich ein Widerrufsrecht gegenüber dem Unternehmen zu. Auf diese Weise kann die Kundschaft den geschlossenen Vertrag ohne die Angabe eines Grundes einseitig rückgängig machen. Im Gegenzug zur Rückgabe der bestellten Ware können sie dann ihr Geld zurückfordern.

Das Unternehmen hat die Kundschaft über dieses Widerrufsrecht und die daran geknüpften Bedingungen umfassend zu informieren. Dazu dient die Widerrufsbelehrung.

In der Praxis ergeben sich viele Probleme daraus, dass weder auf Seiten des Unternehmens noch auf Seiten der Kundschaft wirklich bekannt ist, was wirklich in der Widerrufsbelehrung steht und welche Rechte und Pflichten mit der Widerrufserklärung verbunden sind. Es lohnt sich, die Widerrufserklärung Wort für Wort, Satz für Satz durchzulesen und der Frage nachzugehen, was damit jeweils gemeint ist.

Das soll hier einmal geschehen.

Dazu ist nachfolgend eine beispielhaften Widerrufsbelehrug einer fiktiven Mustermann AG aus Musterstadt abschnittsweise

kursiv in Anführungszeichen und gelb unterlegt

wiedergegeben. Im im Anschluss folgt jeweils eine Erklärung oder Erläuterung, was in diesem Abschnitt der Widerrrufsbelehrung in der Praxis gemeint ist.

Wir starten:

Überschrift der Widerrufsbelehrung

Widerrufsrecht für Verbraucher

Einschub: Wer ist Verbraucher?

(Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.)“

Welche Personen sind überhaupt Verbraucher im Sinne des Gesetzes mit der Folge, dass ihnen das Widerrufsrecht zusteht?

Der Hinweis im Anschluss an die Überschrift gibt § 13 BGB wörtlich wieder.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) seit dessen Urteil vom 30.09.2009, Az. VIII ZR 7/09, ist für die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln ist grundsätzlich die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts entscheidend. Dabei kommt es maßgeblich auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere auf das Verhalten der Parteien bei Vertragsschluss an. „Objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts“ bedeutet: Die Kundschaft hat keine freie Auswahl, also kein „Selbstbestimmungsrecht“, ob sie als Verbraucher behandelt werden will oder nicht.

Für das rechtsgeschäftliche Handeln einer natürlichen Person besteht jedoch grundsätzlich eine Vermutung, dass diese als Verbraucher handelt; insoweit verbleibende Zweifel gehen nicht zulasten des Verbrauchers (vgl. BGH-Urteile vom 30.09.2009, Az. VIII ZR 7/09, vom 07.04.2021, Az. VIII ZR 49/19 und vom 07.04.2021, Az. VIII ZR 191/19.

Mehr noch: Diese Grundsätze finden entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts uneingeschränkt auch dann Anwendung, wenn die rechtsgeschäftlich handelnde natürliche Person ein Einzelkaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuchs ist. Die Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB, wonach die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig gelten, findet in diesem Zusammenhang keine Anwendung; vgl. BGH-Urteil vom 10.11.2021, Az. VIII ZR 187/20

Lassen die objektiven Kriterien einen gewerblichen Kauf vermuten, muss die Kundschaft beweisen, dass die Bestellung für den privaten Gebrauch erfolgte, wenn sie das Widerrufsrecht für sich in Anspruch nehmen will. Fehlen dagegen solche objektiven Kriterien oder bestehen Zweifel, muss der Händler beweisen, dass die Kundschaft als Unternehmer i.S.v. § 14 BGB handelte, wenn das Widerrufsrecht ausgeschlossen werden soll.

Jetzt geht es los

Widerrufsbelehrung

Widerrufsrecht

Sie haben das Recht, binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag zu widerrufen.

Das Gesetz sieht eine Widerrufsfrist von 14 Tagen vor. Diese Frist kann nur zum Vorteil der Kundschaft auf mehr als 14 Tage verlängert werden, z.B. auf einen Monat. Sie kann aber nie zum Nachteil der Kundschaft auf weniger als 14 Tage verkürzt werden.

Beginn der Widerrufsfrist

Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage ab dem Tag, an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die Waren in Besitz genommen haben bzw. hat, sofern Sie eine oder mehrere Waren im Rahmen einer einheitlichen Bestellung bestellt haben und diese einheitlich geliefert wird bzw. werden.

Die Widerrufsfrist beim Verkauf von Waren an einen Verbraucher beginnt, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter die Ware erhalten hat. Es kommt auf den tatsächlichen Besitz an.

Das Widerrufsrecht endet grundsätzlich 14 Tage nach dem Beginn der Widerrufsfrist. Beispiel: Die Ware wird am Montag, den 4. September 2023 ausgeliefert. Die Widerrufsfrist beginnt am Dienstag, dem 5. September 2023. Die Widerrufsfrist endet mit Ablauf des Montag, 18. September 2023.

_ Späterer Fristbeginn bei Ersatzzustellung an Nachbarn oder Abgabe in der Postfiliale

Wird die Kundschaft vom Zusteller persönlich nicht angetroffen, berufen sich viele Shopbetreiber oder Zustellunternehmen darauf, das Paket bei einem „Dritten“ abgegeben zu haben. Eine solche Ersatzzustellung durch Ablieferung in einer Postfiliale oder Abgabe in der Nachbarschaft ist jedoch keine wirksame Zustellung, wenn sie nicht zuvor ausdrücklich von der Kundschaft verlangt wurde.

Solange die Kundschaft das Paket nicht in der Filiale oder vom Nachbarn entgegengenommen hat, läuft demnach auch keine Widerrufsfrist. Sie beginnt erst am darauffolgenden Tag des echten Empfangs.

Die meisten Versender und Speditionen bieten den Empfängern dazu mittlerweile in ihren Online-Sendungsverfolgungen an, einen Ablageort (z.B. Abgabe in der Wunschpostfiliale, Ablage in der Garage oder auf der Terrasse) zu wählen für den Fall, dass zum voraussichtlichen Liefertermin niemand daheim ist.

_ Verlängerte Widerrufsfrist bei unterbliebender oder fehlerhafter Belehrung

Achtung: Die Widerrufsfrist beginnt außerdem nicht, bevor der Webshop-Betreiber die Kundschaft über ihr Widerrufsrecht vollständig und inhaltlich richtig unterrichtet hat. Unternehmen kommen dieser Informationspflicht nach, indem sie dem Verbraucher oder der Verbraucherin die Widerrufsbelehrung auf der Webseite zur Verfügung stellen und außerdem nach Vertragsschluss in Textform (z.B. per E-Mail) übermitteln. Bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung verlängert sich die Widerrufsfrist auf maximal 12 Monate nach Ablauf der eigentlichen Widerrufsfrist. Die Frist beträgt dann insgesamt 12 Monate und 14 Tage.

Form und Inhalt der Widerrufsbelehrung

Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (Mustermann AG, Musterweg 1, 12345 Musterstadt, Telefonnummer: 0123/456789-0, E-Mail-Adresse: muster@mustermannag.tld) mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief oder eine E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist.

Das Gesetz schreibt für Widerrufserklärung keine bestimmte Form vor. Der Widerruf kann

  • schriftlich per E-Mail, Telefax oder Briefpost,
  • ebenso per Messenger,
  • durch Einwurf der schriftlichen Widerrufserklärung in den Briefkasten des Unternehmers (BGH, Urteil vom 06.07.2023, Az. VII ZR 151/22)
  • mündlich am Telefon,
  • aber auch mündlich von Angesicht zu Angesicht

erklärt werden. Daher muss die Telefonnummer in der Widerrufserklärung mit angegeben werden, soweit sie im Impressum steht.

Erforderlich ist allerdings, dass erkennbar ist, dass die Kundschaft den Widerruf erklären möchten. Die bloße Annahmeverweigerung genügt deswegen nicht für eine Widerrufserklärung, weil in diesem Fall nicht eindeutig erkennbar ist, ob die Kundschaft vom Widerrufsrecht Gebrauch macht oder Gewährleistungsrechte in Anspruch nimmt. Auch das kommentarlose Zurücksenden der Ware beinhaltet keine „eindeutige Erklärung“ im Sinne des Gesetzes und reicht daher ebenfalls nicht aus, um einen wirksamen Widerruf zu erklären.

Zeitpunkt der Widerrufserklärung

Zur Wahrung der Widerrufsfrist reicht es aus, dass Sie die Mitteilung über die Ausübung des Widerrufsrechts vor Ablauf der Widerrufsfrist absenden.

Im Gegensatz zu anderen „einseitigen empfangsbedürftigen Erklärungen“, z.B. einer Kündigungserklärung, kommt es bei der Widerrufserklärung nur auf deren rechtzeitigen Versand innerhalb der Widerrufsfrist, nicht aber auf deren rechtzeitigen Zugang an. Für die Kundschaft bedeutet dies: Sie muss nur das genaue Datum nachweisen können, an dem sie ihre Widerrufserklärung an das Unternehmen auf den Weg gebracht hat, und dass ihre Widerrufserklärung beim Unternehmen angekommen ist.

Ein wichtiges Detail verbirgt sich in der Formulierung „Mitteilung über die Ausübung des Widerrufsrechts“: Die Ware als solche muss innerhalb der Widerrufsfrist noch nicht auf den Weg zurück zum Unternehmen gebracht werden. Wann tatsächlich die Ware zurückgesandt werden muss, wird weiter unten erklärt!

Rückzahlungspflicht

Folgen des Widerrufs

Wenn Sie diesen Vertrag widerrufen, haben wir Ihnen alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, einschließlich der Lieferkosten (mit Ausnahme der zusätzlichen Kosten, die sich daraus ergeben, dass Sie eine andere Art der Lieferung als die von uns angebotene, günstigste Standardlieferung gewählt haben), unverzüglich und spätestens binnen 14 Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über Ihren Widerruf dieses Vertrags bei uns eingegangen ist.

Faktisch bedeutet dies, dass das Unternehmen den bereits im Voraus gezahlten Gesamtpreis erstatten muss. Hat die Kundschaft noch nicht bezahlt, muss sie die Rechnung nicht mehr begleichen.

_ Erstattung der Lieferkosten (Hinsendung)

Nicht von der Erstattungspflicht erfasst sind nur diejenigen zusätzlichen Kosten, die über die günstigste Standardlieferung hinausgehen. Beispiele dafür wären der Expressversand oder die Zustellung zur Wunschzeit. Entscheidet sich die Kundschaft bei der Bestellung für eine teurere Versandart, zum Beispiel für einen Expressversand statt der Standardlieferung, muss das Unternehmen die Mehrkosten, also die Differenz zwischen den tatsächlichen Hinsendekosten und den Kosten für die Standardlieferung, nicht erstatten. Der Anteil der Hinsendekosten, der den Standardversandkosten entspricht, muss aber erstattet werden.

Im Fall des Teilwiderrufs – also eines Widerrufs, der sich nur auf einen Teil der bestellten Waren bezieht – müssen der Kundschaft diejenigen Hinsendekosten nicht erstattet werden, die ohnehin und für den Teil der Bestellung angefallen wären, die sie behalten möchte.

_ Zahlungsmittel für die Rückzahlung

Für diese Rückzahlung verwenden wir dasselbe Zahlungsmittel, das Sie bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt haben, es sei denn, mit Ihnen wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart; in keinem Fall werden Ihnen wegen dieser Rückzahlung Entgelte berechnet.

Eine Überweisung vom Girokonto ist durch eine Überweisung zurück auf dieses Konto zu erstatten. Bei Zahlung per Lastschrift ist das Geld wieder zurückzuüberweisen, da eine Lastschriftermächtigung für den Verbraucher zu umständlich ist. Bei Zahlung per PayPal ist die Erstattung dorthin vorzunehmen.

In Bezug auf die Rückzahlung des Betrages sind abweichende individuelle Vereinbarungen möglich – jedoch nicht in den AGB, da diese gerade für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt sind, also nicht individuell.

_ Zurückbehaltungsrecht: Sicherheit für das Unternehmen

Wir können die Rückzahlung verweigern, bis wir die Waren wieder zurückerhalten haben oder bis Sie den Nachweis erbracht haben, dass Sie die Waren zurückgesandt haben, je nachdem, welches der frühere Zeitpunkt ist.

Widerruf und Rücksendung müssen oder können nicht immer gleichzeitig erfolgen (s.o.). Viele Unternehmen befürchten zu Recht, dass das Widerrufsrecht missbraucht wird und wollen mit ihrer Erstattung daher nicht in Vorleistung treten – Geld gegen Ware.

Das ist zulässig, wie die Musterwiderrufsbelehrung zeigt: Das Unternehmen darf die Rückzahlung so lange zurückhalten, bis es die Waren zurückerhalten hat oder der Nachweis vorliegt, dass die Waren abgesandt wurden, z.B. In Form eines Einlieferungsbelegs.

Rückgabe der Ware

Sie haben die Waren unverzüglich und in jedem Fall spätestens binnen 14 Tagen ab dem Tag, an dem Sie uns über den Widerruf dieses Vertrags unterrichten, an uns zurückzusenden oder zu übergeben. Die Frist ist gewahrt, wenn Sie die Waren vor Ablauf der Frist von 14 Tagen absenden.

_ Auch hier: Absendung entscheidend

Mit dem Absenden der Widerrufserklärung fängt eine neue Frist zu laufen an, nämlich die Rücksende- oder Rückgabefrist. Ab diesem Zeitpunkt hat die Kundschaft wiederum 14 Tage Zeit, die Ware an das Unternehmen zurückzuschicken oder dort zurückzugeben. Um diese Rücksende- oder Rückgabefrist einzuhalten, genügt es, dass die Ware innerhalb des Zeitraums abgesendet wird bzw. der Nachweis über den Versand vorliegt. Sendet die Kundschaft die Ware innerhalb von 14 Tagen nach dem Widerruf nicht zurück und kann auch keinen Nachweis dafür vorweisen, so kommt sie in Verzug und ist dem Unternehmen gegenüber schadensersatzpflichtig, wenn dadurch ein Schaden entstanden ist. Kann das Unternehmen eine verspätet eingetroffene Ware nicht mehr oder nur noch zu einem reduzierten Preis verkaufen, weil es sich dabei z.B. um Saisonware handelt, ist die Kundschaft zum Schadensersatz verpflichtet.

_ Risiko des Unternehmens: Verspätete Ankunft

Geht die Rücksendung verspätet beim Unternehmen ein, obwohl sie rechtzeitig zurückgesandt wurde, heißt das nicht, dass damit der Widerruf verwirkt ist. Auch in einem solchen Fall muss das Unternehmen die Retoure annehmen und den Kaufpreis erstatten. Noch einmal: Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es nur auf den Zeitpunkt der Absendung an. Für den Versandweg zurück ist das Unternehmen verantwortlich.

Rücksendekosten

Sie tragen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung für paketversandfähige Waren. Sie tragen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung für nicht paketversandfähige Waren in Höhe von 12,90 Euro EUR.

Es liegt im Ermessen des Unternehmens, ob es nach einem Widerruf die Rücksendekosten selbst übernehmen möcht oder der Kundschaft auferlegen will. Hierfür genügt ein Zusatz in der Widerrufsbelehrung, in welchem auf die Kostenfolgen hingewiesen wird. Ebenfalls kann das Unternehmen entscheiden, ob sich die Kundschaft selbst um den Rücktransport kümmern muss oder der Shop die Ware wieder abholt oder abholen lässt.

Bei nicht paketversandfähigen Waren gibt es wegen der hohen Kosten außerdem folgende Besonderheit, wenn die Kundschaft die Kosten der Rücksendung übernehmen soll: Das Unternehmen muss in der Widerrufsbelehrung über die konkrete (oder zumindest die geschätzte) Höhe der Rücksendekosten informieren, wenn die Ware wegen ihrer Größe oder ihres Gewichts durch eine Spedition abgeholt werden muss.

Wertersatz

Sie müssen für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur aufkommen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit ihnen zurückzuführen ist.

Für Webshopbetreiber immer wieder lästig: Die Rücksendung von gebrauchter oder vielleicht sogar beschmutzter oder beschädigter Ware lässt das Widerrufsrecht nicht verfallen. Allerdings ist das Unternehmen auch in diesem Fall nicht komplett rechtlos gestellt. Sind bestimmte Voraussetzungen erfüllt, kann es Wertersatz verlangen.

Die Frage nach einem Wertersatz ist eine der bedeutendsten Praxisfragen. Ob und ggf. in welcher Höhe das Unternehmen Wertersatz verlangen kann, ist stets im konkreten Einzelfall zu entscheiden. Das gilt insbesondere für die Frage, wann ein zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang, die zum Wertersatz berechtigt. Nur soviel: Dass das im Webshop gekaufte Ballkleid auf dem Ball getragen wird, um zu prüfen, ob es dort den erhofften Eindruck macht, dürfte vom zulässigen Prüfungsumfang nicht mehr abgedeckt sein…

Übersicht: Ausnahmen vom Widerrufsrecht

Nicht für alle im Internet bestellten Waren gewährt das Gesetz das Widerrufsrecht. Die Ausnahmen zählt § 312g Abs. 2 BGB auf. Hier aber kann der Wortlaut des Gesetzes für Missverständnisse sorgen. § 312g Abs. 2 BGB wird mit folgenden Satz eingeleitet:

„Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:“

„Besteht (…) nicht“ – man könnte meinen, dass das Widerrufsrecht in den nachfolgend aufgelisteten Fällen überhaupt nicht besteht. Tatsächlich unterscheidet das Gesetz hier

  • zwischen Verträgen, bei denen das Widerrufsrecht von Anbeginn an ausgeschlossen ist,
  • und anderen Verträgen, bei denen das Widerrufsrecht zunächst besteht, aber vorzeitig vor Ablauf der Widerspruchsfrist erlischt, wenn während der Widerrufsfrist zusätzliche Umstände hinzutreten.

Diese letztgenannten Fälle sind gekennzeichnet durch den Zusatz „wenn [die zusätzliche Bedingung erfüllt] wurde“.

Daher ist es im Interesse einer transparenten Belehrung der Kundschaft sinnvoll, die Ausschlussgründe und die Erlöschensgründe getrennt voneinander darzustellen, auch wenn das Gesetz eine derartige Trennung nicht vornimmt.

Los geht es deshalb mit einer Zwischenüberschrift, die diesen Unterschied deutlich macht:

Ausschluss bzw. vorzeitiges Erlöschen des Widerrufsrechts

Ausschlussgründe – das Widerrufsrecht besteht überhaupt nicht

Einleitung – nun belehren Sie Ihre Kundschaft darüber, in welchen Fällen das Widerrufsrecht vollständig ausgeschlossen ist:

Das Widerrufsrecht besteht nicht bei folgenden Verträgen

Im Anschluss belehren Sie Ihre Kundschaft über die für Ihr Angebot maßgeblichen Fälle, in denen das Widerrufsrecht ausgeschlossen ist. Hier geht es nicht um eine juristische Grundsatzvorlesung über sämtliche Ausschlussgründe. Vielmehr sollen Sie Ihre Kundschaft lediglich über diejenigen Ausschlussgründe informieren, die für Ihr Angebot einschlägig sind. Umkehrschluss: Über solche Ausschlussgründe, die für Ihr Produktsortiment keine Rolle spielen, müssen – und sollen! – Sie nicht informieren. Sie müssen also die richtige Auswahl treffen.

_ Individualanfertigungen

– zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind;

Dieser Ausschlussgrund betrifft Waren, die nach Kundenspezifikation hergestellt sind oder auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Entscheidend ist, dass die Retourenware nicht oder nur mit unzumutbaren Preisnachlässen weiterverkauft werden kann. Das ist z.B. der Fall bei sehr spezieller Maßkleidung oder bei gravierten Schmuckstücken, die sich nicht mehr umarbeiten lassen.

Für individualisierte Produkte, die leicht zurückgebaut werden können, besteht dagegen in der Regel ein Widerrufsrecht. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Händler einen PC nach Kundenwünschen konfiguriert und die einzelnen Bauteile ohne Probleme wieder voneinander trennen kann. Das gleich gilt für Meterware wie Stoff, Folie oder Seile, die von der großen Rolle heruntergeschnitten werden, oder nach Maß bestellte Holzplatten, aus denen später zur Not kleinere Platten geschnitten werden können. Weitere Urteile gibt es bereits zu Sofas oder Wintergärten.

_ Verderbliche Ware

– zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde;

Bei diesem Ausschlussgrund sind die „Klassiker“ wie Schnittblumen oder Frischfleisch gemeint. Aber: Lebensmittel sind jedoch nicht generell vom Widerrufsrecht ausgeschlossen, wenn sie eine längere Haltbarkeit haben, wie z. B. Kaffee, Konserven oder Wein.

_ Alkoholische Getränke

– zur Lieferung alkoholischer Getränke, deren Preis bei Vertragsschluss vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat;

Unter diesen Ausschlussgrund fallen ausschließlich z.B. Verträge über die Lieferung von Wein, bei denen der Kaufvertrag letztlich ein Spekulationsgeschäft beinhaltet und bei denen die Lieferung erst lange nach Vertragsschluss erfolgen soll.

Andere alkoholische Getränke, deren Preis von Anfang an feststeht, fallen nicht unter diese Ausnahmeregel!

_ Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierte

– zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten, mit Ausnahme von Abonnement-Verträgen.

Der Abschluss eines Abo-Vertrages, der sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und mehrere Ausgaben umfassen soll, kann also widerrufen werden. Hingegen kann die Lieferung einer einzeln bestellten Ausgabe der Zeitung, Zeitschrift oder Illustrierten nicht widerrufen werden.

Erlöschensgründe – das Widerrufsrecht erlischt vor Ablauf der regulären Widerrufsfrist

Einleitung – nun belehren Sie Ihre Kundschaft darüber, in welchen Fällen das Widerrufsrecht vorzeitig erlischt:

Das Widerrufsrecht erlischt vorzeitig bei Verträgen

Wie zuvor bereits bei den Ausschlussgründen belehren Sie Ihre Kundschaft im Anschluss über die für Ihr Angebot maßgeblichen Fälle, in denen das Widerrufsrecht vorzeitig erlischt. Auch hier müssen Sie die richtige Auswahl unter den vom Gesetz vorgegebenen Erlöschensgründen treffen.

_ Gesundheits-und Hygieneartikel

– zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde;

Unter die sogenannten Gesundheits-und Hygieneartikel fallen freiverkäufliche Arzneimittel , Fertiggerichte, Kosmetik – und Hygieneartikel, die bei der Lieferung versiegelt sind und deren Verkehrsfähigkeit mit Entfernung der Versiegelung entfällt. Auch Erotikartikel können hierunter fallen.

Die Verpackung muss eindeutig als Versiegelung erkennbar sein. Bloße Klarsichtfolien (Folienverpackungen) oder Klebestreifen genügen nicht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn mit der Versiegelung ein Hinweis auf den Ausschluss des Widerrufsrechts angebracht wäre.

Auch bei diesen sogenannten Gesundheits- und Hygieneartikeln besteht zunächst ein Widerrufsrecht. Es erlischt aber bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist, wenn nach der Lieferung in dieser Zeit die Versiegelung vom Verbraucher entfernt wurde.

Nicht von dieser Ausnahme vom Widerrufsrecht erfast sind solche Waren, deren Verkehrsfähigkeit das Unternehmen durch Reinigung oder Desinfektion wiederherstellen kann, wie zum Beispiel Kleidung, Badeanzüge, Unterwäsche, Piercingschmuck oder Matratzen.

_ Vermischung und Vermengung

– zur Lieferung von Waren, wenn diese nach der Lieferung auf Grund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden;

Unter diese Ausnahme vom Widerrufsrecht fällt zum Beispiel die Lieferung von Heizöl, wenn es mit Restmengen im Tank vermischt wird. In der gleichen Weise gilt dies für Farben, die bereits für einen Anstrich herangezogen wurde, oder für Baumaterialien wie etwa Sand, Schotter oder Zement, die verbraucht wurden.

_ Multimedia und Software auf Datenträgern

– zur Lieferung von Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware in einer versiegelten Packung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.

Wird die Software auf einem körperlichen Datenträger wie einer CD, einer DVD, einer Blu-ray Disc oder einem USB-Stick bereitgestellt, wird dies als regulärer Warenverkauf betrachtet und erfordert im Online-Shop daher auch eine entsprechende Widerrufsbelehrung.

Auch hier gilt: Die Verpackung muss eindeutig als Versiegelung erkennbar sein. Bloße Klarsichtfolien (Folienverpackungen) oder Klebestreifen genügen nicht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn mit der Versiegelung ein Hinweis auf den Ausschluss des Widerrufsrechts angebracht wäre.

Fazit

„Der Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung“ – oder etwas drastischer: „Der Blick ins Gesetz erspart das Geschwätz“.

Vielleicht hilft diese Übersicht über das Widerrufsrecht und die Widerrufsbelehrung dem einen oder anderen Webshop-Betreiber oder der einen oder anderen Kundschaft, sich im Dickicht des Fernabsatzrechts zurecht zu finden. Und vielleicht können damit unnötiger Mehraufwand, Ärger und Enttäuschung auf beiden Seiten des Kaufvertrages erspart werden. Dann hätte diese Übersicht ihren Zweck erfüllt.

 

© RA Stefan Loebisch | Kontakt