Kieler Woche, GEMA-Gebühren und Veranstaltereigenschaft der Stadt Kiel – das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht entschied mit Urteilen vom 07.12.2015, Az. 6 U 54/13 und Az. 6 U 43/14: Wer lediglich einen Veranstaltungsraum oder eine Veranstaltungsfläche zur Verfügung stellt, wird hierdurch im urheberrechtlichen Sinne noch nicht Veranstalter oder Mitveranstalter sämtlicher dort durchgeführten Live-Musikaufführungen und Tonträgerwiedergaben.
GEMA-Gebühren für die „Kieler Woche“ – was war geschehen?
Die GEMA verlangte von der Stadt Kiel Gebühren für musikalische Darbietungen während der „Kieler Woche“ in den Jahren 2006 bis 2012 in Höhe von rund 800.000 Euro. Die Stadt Kiel zahlte lediglich die Gebühren für die von ihr selbst durchgeführten Musikveranstaltungen. Die GEMA verlangte, dass die Stadt Kiel die GEMA-Gebühren auch für alle anderen Veranstaltungsflächen der „Kieler Woche“ entrichtete.
Wie entschied das OLG Schleswig zur Veranstaltereigenschaft?
Das OLG Schleswig entschied gegen die GEMA. Dieser stehe wegen der öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken anlässlich der „Kieler Woche“ in den Jahren 2006 bis 2012 kein weiterer Zahlungsanspruch gegen die Landeshauptstadt Kiel zu.
Die Landeshauptstadt Kiel sei im urheberrechtlichen Sinne nicht Veranstalterin oder Mitveranstalterin sämtlicher öffentlicher Musikdarbietungen auf allen anlässlich der „Kieler Woche“ genutzten Flächen. Sie sei nur Veranstalterin im urheberrechtlichen Sinne der von ihr selbst durchgeführten Live-Musikdarbietungen und Tonträgerwiedergaben. Ein Veranstalter müsse einen maßgebenden Einfluss auf die Veranstaltung haben. Wer nur einem Veranstaltungsraum oder eine Veranstaltungsfläche zur Verfügung stelle, werde hierdurch noch nicht zum Veranstalter.
Die Stadt Kiel habe keine typischen Aufgaben eines Konzertveranstalters ganz oder teilweise wahrgenommen. Sie sei nicht in den organisatorischen oder technischen Ablauf der einzelnen Musikdarbietungen eingebunden oder in finanzieller Hinsicht an solchen Konzertveranstaltungen beteiligt gewesen. Auch sei nicht ersichtlich, dass die Stadt Kiel bei den Veranstaltungen Dritter auf der „Kieler Woche“ Einfluss auf Inhalt und Ausrichtung der jeweiligen Musikprogramme gehabt habe.
Welche Auswirkung hat die Entscheidung auf die Veranstaltungspraxis?
Das Urteil folgt den Bewertungskriterien, die der Bundesgerichtshof (BGH) zuletzt in seinem Urteil vom 12.02.2015 „Trassenfieber“, Az. I ZR 204/13, vorgab. Danach ist nicht als Veranstalter anzusehen, wer lediglich die für das Konzert erforderlichen äußeren Vorkehrungen trifft, indem er etwa allein den Saal – und sei es mietweise – zur Verfügung stellt:
„Veranstalter ist derjenige, der die Aufführung angeordnet und sie durch seine Tätigkeit ins Werk gesetzt hat; dies ist insbesondere derjenige, der für die Veranstaltung organisatorisch und finanziell verantwortlich ist (…).
…
Die Möglichkeit, auf den Inhalt des Programms einzuwirken, ist allerdings nicht notwendige Voraussetzung für die Annahme, die Beklagte sei Veranstalterin im Sinne von § 13b Abs. 1 UrhWG und habe an der Aufführung im Sinne von § 19 Abs. 2 UrhG mitgewirkt. Auch ohne Einfluss auf den Inhalt des Programms können organisatorische Beiträge zu der Veranstaltung nach ihrer Art, ihrem Umfang und ihrem Gewicht so bedeutsam sein, dass sie die Annahme rechtfertigen, der Dritte sei Veranstalter (…)“.
Wer beispielsweise die Bewirtungserlöse vereinnahme und für die Aufführung in seinem Veranstaltungskalender werbe, wer also am wirtschaftlichen Erfolg der Veranstaltung beteiligt sei und ein erhebliches eigenes Interesse an der erfolgreichen Durchführung der Veranstaltung habe, erbringe über die bloße Bereitstellung des Veranstaltungssaales hinausgehende Leistungen.
Im Streitfall erbrachte ein Betreiber eines Wuppertaler Theatersaales solche Zusatzleistungen – der BGH maß diesen weiteren Leistungen ein solches Gewicht zu, dass der Theaterbetreiber hierdurch zum Veranstalter im Sinne von § 13b UrhWG wurde.
Praxisfolge: Arbeiten mehrere Personen oder mehrere Unternehmen zusammen, um gemeinsam eine Theateraufführung, ein Konzert, ein Open Air, ein Partyschiff zu organisieren, sollte im Zweifel vertraglich klar geregelt werden, welche Partei nach außen hin als Veranstalter auftritt oder zumindest im Innenverhältnis zur Übernahme aller Gebühren für GEMA und andere Verwaltungsgesellschaften verantwortlich ist.