Urteil: Abmahnkosten und Schadensersatz bei Film-Filesharing

Lizenz-Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten bei Filesharing – das Amtsgericht (AG) Kiel entschied mit Urteil vom 30.01.2015, Az. 120 C 155/14: Bei der Bemessung des Schadensersatzes nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie kann eine Privatperson nicht mit einem kommerziellen Lizenznehmer gleichgesetzt werden. Der Streitwert für ein Filmwerk beträgt 2.000 €. Der Lizenz-Schadensersatz hängt von der Dauer der Internetverbindung und der der Leistungsfähigkeit des DSL-Anschlusses ab.

Was war geschehen?

Zugrunde liegt ein Rechtsverstoß über eine Filesharing-Tauschbörse am 27.11.2009 mit nachfolgender Abmahnung vom 08.03.2010.

Mit ihrer Klage machte die Klägerin nun Lizenz-Schadensersatz und den Ersatz der Abmahnkosten geltend. Hierbei forderte die Klägerin Lizenz-Schadensersatz in Höhe von 400,00 €. Die Abmahnkosten wollte die Klägerin auf Grundlage eines Gegenstandswertes von 7500,00 € berechnet sehen.

Wie entschied das AG Kiel über den Lizenz-Schadensersatz und die Abmahnkosten?

Das AG Kiel wies die Klage der Höhe nach in ganz wesentlichen Umfang ab, kürzte also die von der Klägerin geltend gemachten Beträge erheblich.

Das AG Kiel setzte den Lizenz-Schadensersatz im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO lediglich mit 100,00 € an.

Ausdrücklich bezog sich das AG Kiel bei seiner Begründung auf ein Urteil des AG Düsseldorf vom 20.05.2014, Az. 57 C 16445/13. Wie dort bereits kam das Gericht zu dem Ergebnis, bei der Bemessung des Schadensersatzes nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie könne ein privater Teilnehmer an einer Filesharing-Tauschbörse nicht mit einem kommerziellen Lizenznehmer gleichgesetzt werden. Eigentlicher Zweck von Filesharing sei die Versorgung mit Mediendateien zur Eigennutzung. Filesharing durch eine Privatperson könne deshalb wegen der Andersartigkeit der Verbreitung als auch wegen des fehlenden kommerziellen Interesses nicht mit der Verbreitung durch einen kommerziellen Lizenznehmer verglichen werden.

Lesenswert, da von technischem Sachverstand getragen, sind dann die weiteren Ausführungen des Gerichts zur Berechnung des Lizenz-Schadensersatzes:

„Den Einsatzbetrag schätzt das Gericht hier auf 15,- €, da sich das Werk zum Tatzeitpunkt in der Hauptverwertungsphase befand.
Die zu erwartenden berücksichtigungsfähigen Downloads schätzt das Gericht auf fünf. Dabei legt das Gericht auch hier bei lebensnaher Betrachtung einen DSL 6000 Anschluss zugrunde. Solche verfügen über eine Downloadgeschwindigkeit von 752 KB/s und eine Uploadgeschwindigkeit von 48 KB/s. Aufgrund der hohen Komprimierungsrate (XViD) geht das Gericht von einer Dateigröße von GB aus. Der Download der Datei dürfte daher etwa drei Stunden gedauert haben. Ein Chunk von 9 MB, also einer kleinsten Einheit, aus denen sich die gesamte heruntergeladene Datei zusammensetzt, kann also in rund 25 Minuten hochgeladen werden. Daher können maximal sieben Chuncks hochgeladen worden sein. Es ist jedoch ein Abschlag vorzunehmen, da trotz der laufenden Verwertungsphase ein dauerhafter Upload nicht zu erwarten ist. Es errechnet sich daher ein 7wischenbetrag von 75,- €.
Insoweit ist wegen der Eingriffsqualität durch das Filesharing ein Aufschlag vorzunehmen, so dass im Ergebnis ein geschätzter Schaden von 100,- angemessen erscheint.“

Unter Hinweis auf das Urteil des AG Kiel vom 22.04.2014, Aktenzeichen 114 C 24/14, berechnete das Gericht sodann die Abmahnkosten lediglich auf Grundlage eines Streitwerts von 2.000 €. Das Gericht setzte die 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Nummer 2300 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zuzüglich der Auslagenpauschale jeweils in der zum Zeitpunkt der Abmahnung, also im Jahr 2010, gültigen Fassung an. Auf diese Weise kam das Gericht zu Abmahnkosten in Höhe von lediglich 192,20 €.

Welche Auswirkung hat das Urteil des AG Kiel auf die Filesharing-Praxis?

Filesharing ist zunächst einmal Technik und dann erst Jura. Mit den Instrumentarien des Rechts wird lediglich bewertet, was technisch geschehen ist. Deswegen kann es den einen, einheitlichen, Filesharing-Fall nicht geben, für den ist ausreichend, sämtliche Zahlungsansprüche in standardisierter Form mit der Hilfe von einigen wenigen Textbausteinen zu begründen.

Das Urteil des AG Kiel reiht sich ein in die Reihe derjenigen jüngeren, erfreulichen, Entscheidungen der jüngeren Zeit, denen anzumerken ist, dass die Richter als User und nicht als vollkommen Außenstehende über eine technische Materie entscheiden.

Auch wer als Täter eines Verstoßes gegen Urheberrecht über eine Filesharing-Tauschbörse verpflichtet ist, sowohl die Abmahnkosten zu ersetzen als auch Lizenz-Schadensersatz zu zahlen, ist den mit der Abmahnung geltend gemachten Forderungen nicht hilflos ausgesetzt. Mit Hinweis auf eine nur kurzzeitig bestehende Internetverbindung und/oder die geringe Leistungsfähigkeit der eigenen DSL-Verbindung besteht im Einzelfall durchaus die Möglichkeit, die in der Abmahnung geltend gemachten Geldforderungen, meist berechnet nach standardisierten „Haustarifen“ der jeweiligen Abmahnkanzlei, zu reduzieren.