Google-Fonts-Abmahnungen: Durchsuchung, Rechtsanwaltskammer prüft

In den Wochen vor Weihnachten war es still geworden um die Google-Fonts-Abmahnungen aus Berlin und Meerbusch, die davor bei vielen Website-Betreibern für Ärger und Beunruhigung gesorgt hatten. Eine Pressemeldung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vom 21.12.2022 lässt aufhorchen und macht Hoffnung, dass der Spuk nun vorüber ist.

Ermittlungsverfahren mit Durchsuchung in Sachen „IG Datenschutz“

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin teilt in einer Pressemitteilung vom 21.12.2022 mit, dass an diesem Tag in einem Verfahren gegen zwei Beschuldigte – einen 53‑jährigen Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Berlin und dessen 41‑jährigen Mandanten, dem angeblichen Repräsentanten einer „IG Datenschutz“ – wegen des Verdachts des (teils) versuchten Abmahnbetruges und der (versuchten) Erpressung in mindestens 2.418 Fällen durch die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft Berlin Durchsuchungsbeschlüsse in Berlin, Hannover, Ratzeburg und Baden-Baden sowie zwei Arrestbeschlüsse mit einer Gesamtsumme vom 346.000 Euro vollstreckt wurden.

Mittels einer eigens dafür programmierten Software sollen die Beschuldigten zunächst Websites identifiziert haben, die Google Fonts nutzen. In einem zweiten Schritt und wieder unter Nutzung einer dafür entwickelten Software sollen sie Websitebesuche durch den 41‑jährigen automatisiert vorgenommen, diese letztlich also fingiert haben.

Etwa 2.000 Personen sollen das „Vergleichsangebot“ von 170 € aus Sorge vor einem Zivilverfahren und in der unzutreffenden Annahme, der behauptete Anspruch bestünde tatsächlich, angenommen und gezahlt haben.

Berufsrechtliche Überprüfung durch Rechtsanwaltskammer Düsseldorf

Die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf teilte bereits unter dem Datum des 17.11.2022 mit, viele Beschwerden wegen datenschutzrechtlicher Abmahnungen erhalten zu haben, die die Nutzung von Google Fonts betreffen, und die Angelegenheit insgesamt berufsrechtlich zu überprüfen. Welche Kanzlei von dieser berufsaufsichtsrechtlichen Überprüfung betroffen ist, ergibt sich aus der Mitteilung nicht.

Wie geht es weiter?

Zu welchem Ergebnis das Ermittlungsverfahren in Sachen „IG Datenschutz“ und die berufsrechtliche Überprüfung durch die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf führen wird, ist derzeit völlig offen. Gleichermaßen offen ist damit auch, ob betroffene Website-Betreiber eventuell eigene Schadensersatzansprüche gegen die Abmahner oder gegen deren Rechtsanwälte geltend machen können.

Sind Google Fonts also ohne weiteres zulässig?

Dass sich die Google-Fonts-Abmahnungen für einige Beteiligte als Bumerang erwiesen haben, bedeutet nicht, dass die Einbindung dieser Schrifttypen-Sammlung in die eigene Website ohne weiteres datenschutzrechtlich unproblematisch ist. Hier müssen zwei datenschutzrechtliche Fragen streng voneinander getrennt werden:

Die erste Frage ist, ob die dynamische Einbindung von Google Fonts in die eigene Website ohne weiteres datenschutzrechtlich zulässig ist. Insoweit waren die Ausführungen in den Google-Fonts-Abmahnungen durchaus richtig: die IP-Adresse des Seitenbesuchers ist ein personenbezogenes Datum, und bei der dynamischen Einbindung von Google Fonts in die Website wird diese IP-Adresse an Google weitergeleitet. Damit handelt es sich um einen technischen Vorgang, für den das Datenschutzrecht grundsätzlich die Einwilligung des Seitenbesuchers voraussetzt. Wer Google Fonts dynamisch in seine Website einbinden möchte, muss sich also datenschutzrechtlich absichern.

Die zweite Frage aber ist, ob sich der Seitenbetreiber nach Art. 82 DSGVO schadensersatzpflichtig gemacht hat, wenn die Einwilligung des Seitenbesuches überhaupt nicht oder jedenfalls nicht in rechtskonformer Weise eingeholt wurde. Genau dieser Schadensersatzanspruch war Gegenstand der „Vergleichsangebote“ in den Google-Fonts-Abmahnungen.

Dabei aber wurden die Seiten offenbar nicht von einem Menschen, der vor seinem Computer saß, geöffnet. Allem Anschein nach wurde alleine eine Software eingesetzt, die wohl den Seiten-Code nach typischen Zeichenfolgen durchforstete, die auf die Einbindung von Google Fonts hinwiesen, und dann den Seitenbesuch fingierte. Personenbezug setzt aber immer voraus, dass es sich um die Daten eines Menschen handelt. Eine Maschine, ein Computer oder eine Software hat keine personenbezogenen Daten und kann damit auch nicht in personenbezogenen Daten verletzt sein.

Auswirkung auf die Praxis

Wer der Typografie wegen weiterhin in Erwägung zieht, Google Fonts dynamisch in seine Website einzubinden, darf sich von der aktuellen, für die Opfer der Google-Fonts-Massenabmahnungen sicherlich erfreulichen, Entwicklung nicht täuschen lassen. Weiterhin gilt es, die datenschutzrechtlichen Besonderheiten und Anforderungen dieser Technik im Auge zu behalten, um zukünftigen Ärger zu vermeiden.

Nachtrag 03.03.3023: Google-Fonts-Abmahnungen in Österreich

Auch in Österreich sorgt eine Google-Fonts-Massenabmahnung für Aufsehen. Die Zeitung „Der Standard“ berichtet in einem Artikel vom 01.03.2023 von rund 32.000 Abmahnungen, die ein Rechtsanwalt für seine Mandantin verschickt haben soll. Dabei soll ein IT-Unternehmen mit eingebunden gewesen sein. Dieses soll die für eine Abmahnung in Frage kommenden Websites ausgeforscht haben. Weiter soll es eine Software auf dem PC der Mandantin installiert haben, damit diese die Websites mit ihrer eigenen IP-Adresse in großem Stil aufrufen konnte. Dann soll das IT-Unternehmen mit einem Crawler das Impressum der jeweiligen Website ausgelesen und schließlich PDF-Dateien der Abmahnschreiben aufgesetzt und an eine Druckerei weitergereicht haben. Zur Frage, ob die Verwendung von Schriftarten, die von einem Google-Server abgerufen werden, datenschutzkonform ist oder ob dabei die IP-Adresse des Websitebesuchers datenschutzwidrig an Google übertragen wird, soll am 03.03.2023 am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eine Verhandlung in einem Musterverfahren der Wirtschaftskammer stattfinden. Prozessbeteiligt ist dort neben einem Friseur aus Amstetten auch Google Ireland Ltd.

 

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