Massenabmahnung wegen fehlender Facebook-Impressumsangaben war rechtswidrig – das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hob mit Urteil vom 03.12.1013, Az. 3 U 348/13 das vorangegangene Urteil des Landgerichts (LG) Regensburg vom 31.01.2013, Az. 1 HK O 1884/12 auf.
Noch einmal: Was war geschehen?
Im August des Jahres 2012 machte die Binary Services GmbH, zwischenzeitlich umfirmiert in Revolutive Systems GmbH, Schlagzeilen durch eine Vielzahl von Abmahnungen, ausgesprochen durch ihren Rechtsanwalt. Gegenstand der Abmahnung war der Vorwurf, der abgemahnte Mitbewerber halte auf seiner Facebook-Seite kein ausreichendes Web-Impressum (Anbieterkennzeichnung nach § 5 TMG) vor. Gegenüber zumindest einem dieser Mitbewerber erhob die Revolutive Systems GmbH Klage. In der Beweisaufnahme vor der Kammer für Handelssachen des LG Regensburg führte ein von der Klägerin benannter Zeuge aus, es sei ein Suchprogramm für die Verstöße entwickelt und eingesetzt worden. Das LG Regensburg entschied zugunsten der klagenden Revolutive Systems GmbH. Gegen dieses Urteil legte das unterlegene beklagte Unternehmen Berufung zum OLG Nürnberg ein.
Wie entschied das OLG Nürnberg?
Das OLG Nürnberg hob das Urteil des LG Regensburg auf und wies die Klage ab. Die Unterlassungsklage der Revolutive Systems GmbH sei rechtsmissbräuchlich und deswegen unzulässig gewesen.
Eine Gesamtwürdigung aller Indizien begründe den Rechtsmissbrauch.
Bereits die Anzahl von knapp 200 Abmahnungen innerhalb weniger Tage spreche für Rechtsmissbrauch. Das durch die Abmahnungen ausgelöste Kostenrisiko stehe in keinem vertretbaren Verhältnis zur wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin. Das Gesamt-Kostenrisiko der Klägerin betrage bei annähernd 200 Verfahren 250.000 €. Selbst aus den Umsatzerlösen der Klägerin für das gesamte Jahr 2012 wäre dieses Risiko nicht zu bestreiten gewesen.
Die Klägerin habe auch ihre Ansprüche in der Regel nicht weiterverfolgt, sondern auf wenige Einzelfälle beschränkt.
Die Klägerin habe weiter systematisch das Internet nach derartigen Rechtsverletzungen durchsucht. Mittels einer speziellen Software seien alleine an einem einzigen Arbeitstag 3,5 Mio. Rechtsverstöße festgestellt worden. Es handle sich hierbei um ein massenhaftes, systematisches Durchforsten, für das kein sachlicher Grund bestehe.
Bei den Rechtsverletzungen handle es sich um Formalverstöße. An deren Verfolgung könne die Klägerin kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch den Impressumsverstoß erhebliche Wettbewerbsnachteile erleide.
Welche Auswirkung hat das Urteil des OLG Nürnberg auf die Praxis?
Das Urteil zeigt:
Objektiver Rechtsverstoß der einen Seite und Abmahnberechtigung der anderen Seite sind zwei Paar Stiefel. Bei einer Abmahnung – nicht nur bei einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung – lohnt sich eine detaillierte Prüfung im Einzelfall. Stichwort: Missverhältnis der Abmahnkosten zu der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, zu den Umsätzen des abmahnenden Unternehmens. Stichwort: Indizien für eine unzulässig gestaltete Erfolgshonorar-Vereinbarung zwischen dem abmahnenden Unternehmen und dessen Rechtsanwalt.
Das Urteil des OLG Nürnberg bedeutet aber nicht, dass Unternehmen sich nicht mehr um ihr Impressum auf ihren Facebook-Seiten kümmern müssen: Das OLG Düsseldorf, entschied mit jüngst erst Urteil vom 13.08.2013, Az. I-20 U 75/13, dass es nicht ausreicht, im „Info“-Bereich der Facebook-Seite nur einen Link zur eigenen Homepage zu setzen, die ihrerseits eine Anbieterkennzeichnung enthält. Eine endgültige Klärung durch den Bundesgerichtshof (BGH), wo und mit welchem Inhalt ein Unternehmen seine Anbieterkennzeichnung auf einer Facebook-Seite platzieren muss, steht noch aus.
Unternehmen, die im August 2012 der Binary Services GmbH gegenüber vorschnell eine Unterlassungserklärung abgaben, sollten sich darüber Gedanken machen, diese zurückzufordern.