Der Bundesgerichtshof entschied mit Urteil vom 08.05.2012, Az. VI ZR 217/08: Unterlassungsklagen gegen persönlichkeitsrechtsverletzende Internetveröffentlichungen von Anbietern mit Sitz in anderen EU-Mitgliedstaaten sind vor einem deutschen Gericht nach deutschem Recht zu beurteilen, wenn sich der Mittelpunkt der Interessen des Betroffenen in Deutschland befindet.
Was war geschehen?
Der Kläger wurde im Jahr 1993 zusammen mit seinem Bruder wegen Mordes an dem Schauspieler Walter Sedlmayr zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Im Januar 2008 wurde er auf Bewährung entlassen. Er verlangt von einem Medienunternehmen mit Sitz in Österreich, es zu unterlassen, über ihn im Zusammenhang mit der Tat unter voller Namensnennung zu berichten. Das beklagte Medienunternehmen bot bis zum 18. Juni 2007 auf seiner Internetseite eine auf den 23. August 1999 datierte, von einem anderen Anbieter übernommene Meldung zum freien Abruf durch die Öffentlichkeit an. In dieser Meldung hieß es unter Nennung des Vor- und Zunamens des Klägers wie seines Bruders wahrheitsgemäß unter anderem, beide wendeten sich nunmehr, neun Jahre nach dem Mord, mit einer Verfassungsbeschwerde gegen ihre Verurteilung wegen der Tat.
Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Mit der Revision zum BGH verfolgte das Medienunternehmen seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Der für die Entscheidung zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs legte zunächst mit Beschluss vom 10. November 2009 dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die Fragen zur Klärung vor, unter welchen Voraussetzungen die internationale Zuständigkeit der Gerichte für Unterlassungsklagen gegen Internetveröffentlichungen von in einem anderen EU-Mitgliedstaat niedergelassenen Anbietern anzunehmen ist und ob sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach deutschem Recht oder gemäß dem Herkunftslandprinzip der e-commerce-Richtlinie nach österreichischem Recht richtet. Der EuGH entschied mit Urteil vom 25. Oktober 2011, verb. Rs. C-509/09 und C-161/10 (eDate Advertising GmbH und Martinez), dass der deliktische Gerichtsstand am Mittelpunkt der Lebensinteressen des Geschädigten begründet ist.
Wie entschied der BGH?
Der BGH wie die Klage zugunsten des Medienunternehmens ab. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte sei zu bejahen, da sich der Mittelpunkt der Interessen des Klägers in Deutschland befinde. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch sei nach deutschem Recht zu beurteilen, da der Erfolgsort in Deutschland liege. Hier werde die Achtung, die der in Deutschland wohnhafte Kläger in seinem Lebenskreis in Deutschland genieße, gestört. Die – jeweils im Einzelfall vorzunehmende – Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens mit dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit führe aber zum Vorrang des Rechts der Beklagten auf freie Meinungsäußerung.
Welche Auswirkung hat die Entscheidung auf die Praxis?
Wer seinen Lebensmittelpunkt i der Bundesrepublik Deutschland hat, kann Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts auch dann vor einem deutschen Gericht nach deutschem Recht geltend machen, wenn es sich um ein ausländisches Presseportal handelt. Der Betroffene muss nicht das Risiko eingehen, seine Ansprüche vor einem fremden Gericht, nach den Maßstäben einer fremden Rechtsordnung und womöglich noch in einer ihm fremden Rechtssprache durchsetzen zu müssen.