SCHUFA-Negativeintrag und angeblich nie erhaltene Telefonrechnungen und Mahnungen – das Landgericht Bonn entschied mit Urteil vom 23.10.2019, Az. 1 O 322/19: Ein Mobilfunk-Kunde hat gegen das Telekommunikationsunternehmen keinen Anspruch auf Löschung eines SCHUFA-Negativeintrages wegen unbezahlter Rechnungen, wenn er nur in nicht glaubhafter Weise behauptet, die Rechnungen und die Mahnungen nicht erhalten zu haben.
Inhalt
Sachverhalt – was war geschehen?
In den Verfahren ging es um den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen ein Telekommunikationsunternehmen. Der Verfügungskläger nahm das Telekommunikationsunternehmen als Verfügungsbeklagte auf Widerruf einer von der Verfügungsbeklagten übermittelten Negativmitteilung an die SCHUFA Holding AG in Anspruch.
_ Streit um Telefonrechnungen
Der Verfügungskläger war seit dem 04.03.2017 Mobilfunkkunde des Telekommunikationsunternehmens. Die dem Vertrag zugrundeliegenden AGB des Telekommunikationsunternehmens enthalten eine sogenannte. „SCHUFA-Klausel“. Hiernach sollte es dem Telekommunikationsunternehmen erlaubt sein, Daten an die die SCHUFA zu übermitteln.
Als Versandart für den Rechnungsversand vereinbarten die Parteien den Rechnungsversand per E-Mail („RechnungOnline“) an eine von dem Verfügungskläger hinterlegte E-Mail-Adresse seiner Ehefrau.
Der Verfügungskläger und seine Ehefrau verfügten außerdem über einen Festnetzanschluss bei dem Telekommunikationsunternehmen. Im Rahmen dieses Vertrags beglichen diese aufgrund einer Auseinandersetzung mit dem Telekommunikationsunternehmen Rechnungen nicht. Hierüber erhielt die Ehefrau des Verfügungsklägers unter der gemeinsamen Anschrift mit dem Verfügungskläger Mahnungen des Telekommunikationsunternehmens, die letztlich auch beglichen wurden.
Für das Jahr 2019, also bereits nach dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), leistete der Verfügungskläger keine Zahlungen mehr auf den Mobilfunkvertrag. Lastschriften im Februar und März 2019 wurden am 22.02.2019 sowie am 07.03.2019 durch Rücklastschrift zurückgebucht. Wegen der Zahlungsausfälle kündigte das Telekommunikationsunternehmen das Vertragsverhältnis und stellte Schadensersatz i.H.v. 50 % der vorfällig gestellten Restlaufzeitgebühren in Rechnung.
_ SCHUFA-Negativeintrag und Inkasso
Für die Rechnungen im Zeitraum Januar bis Juli 2019 i.H.v. 423,98 € nebst zweimaligen Rücklastschriftkosten von je vier Euro sowie Inkassopauschale von 6,60 €, insgesamt 438,58 € meldete das Telekommunikationsunternehmen der SCHUFA am 05.09.2019 ein Abwicklungskonto mit einer Forderung von 438 €.
Das Telekommunikationsunternehmen beauftragte einen Inkassodienst. Dieses Inkassounternehmen forderte den Verfügungskläger mit Schreiben vom 09.09.2019 auf, die Zahlungsrückstände nebst Inkassokosten auszugleichen. Am 16.09.2019 bezahlte der Kläger die Gesamtforderung von nunmehr 512,11 €. Mit E-Mail vom gleichen Tage wandte sich der Verfügungskläger erfolglos an das Telekommunikationsunternehmen und bat um Löschung des SCHUFA-Negativeintrags.
_ Böse Überraschung beim Immobilienkauf
Aufgrund des Negativeintrags bei der SCHUFA wurde dem Verfügungskläger die Auszahlung eines Immobilienkredites für den Erwerb einer Immobilie. Der Verkäufer drohte, die Immobilie an einen anderen Erwerber zu veräußern.
Deshalb beantragte der Verfügungskläger gegen das Telekommunikationsunternehmen als Verfügungsbeklagte den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Die Verfügungsbeklagten sollte verpflichtet werden, von ihr der SCHUFA Holding AG übermittelten Negativmitteilungen bezüglich des Kundenkontos des Verfügungsklägers zu widerrufen.
_ Rechnungen und Mahnungen angeblich nicht erhalten
Das Telekommunikationsunternehmen verteidigte sich gegen den Verfügungsantrag damit, es habe dem Verfügungskläger die Rechnungen an die hinterlegte E-Mail-Adresse versandt. Der Verfügungskläger habe zu den unbezahlten Rechnungen diverse Zahlungserinnerungen erhalten, so mit Schreiben vom 26.02.2019, vom 24.04.2019 sowie als „Letzte Mahnung“ vom 12.06.2019. Die letzte Mahnung vom 12.06.2019 beinhalte die ausdrückliche Androhung eines SCHUFA Eintrages für den Fall des weiteren Zahlungsverzuges. Sämtliche Mahnungen seien an die hinterlegte Postanschrift des Verfügungsklägers, die dem Antragsrubrum entspreche, per Post verschickt worden. Diese Mahnungen seien auch nicht zurückgelaufen. Zudem habe der an Verfügungskläger auf sein Handy am 03.05.2019 sowie am 03.06.2019 Zahlungserinnerungen per SMS erhalten.
Der Verfügungskläger hingegen behauptete unter anderem, für Leistungen im Jahr 2019 weder Rechnungen noch schriftliche Zahlungserinnerungen oder Mahnschreiben des Telekommunikationsunternehmens erhalten zu haben. Ebenso habe er kein Schreiben mit Androhung eines SCHUFA-Eintrages oder eine SMS-Mitteilung erhalten.
Wie entschied das Gericht?
Das Landgericht Bonn wies den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung als unbegründet zurück:
„Der Verfügungskläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Widerruf der von der Verfügungsbeklagten veranlassten Datenübermittlung an die SCHUFA aus § 58 Abs. 2 BDSG bzw. §§ 1004 Abs. 1, 823 BGB analog i.V.m. § 31 Abs. 2 BDSG bzw. Art. 6 Abs. 1 EU-DSGVO.
Die Datenübermittlung durch die Verfügungsbeklagte war auf Grundlage der vertraglichen SCHUFA-Klausel i.V.m. Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. f) EU-DSGVO und § 31 BDSG rechtmäßig.“
_ Beweislast für rechtmäßigen SCHUFA-Negativeintrag
Das Telekommunikationsunternehmen trage als Datenverarbeiter und -übermittler die Darlegungs- und Beweislast. Das Unternehmen habe das Vorliegen der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 sowie Nr. 5 BDSG glaubhaft gemacht.
_ Automatisierter und zertifizierter Postversand
Für die Verfügungsbeklagte sei zu berücksichtigen, dass der Postversand unstreitig in einem automatisierten und jährlich zertifizierten Verfahren erfolge. Dieser Vortrag genüge der Kammer, um auch vom tatsächlichen Versand der Mahnschreiben auszugehen. Jedenfalls die hier streitgegenständlichen Postsendungen seien an die zutreffende Wohnadresse des Verfügungsklägers adressiert.
_ Gesamtbild spricht für Erhalt der Mobilfunk-Rechnungen
Das Gericht schenkte der Behauptung des Verfügungsklägers keinen Glauben. Die allgemeine Lebenserfahrung spreche dagegen:
„Ebenso unstreitig haben der Verfügungskläger bzw. die Zeugin Q Postsendungen der Verfügungsbeklagten hinsichtlich des Festnetzvertrages an der gemeinsamen Wohnadresse erhalten. Auch erhalten haben sie das Inkassoschreiben an gleicher Anschrift. Schließlich hat der Verfügungskläger auch in der E-Mail vom 16.09.2019 an die Verfügungsbeklagte keine fehlenden Rechnungen, Mahnungen oder sonstigen Mitteilungen über die bestehende Schuld erwähnt, obwohl damit zu rechnen gewesen wäre, wenn der Verfügungskläger – wie vorgetragen – davon ausging, den Vertrag bereits gekündigt zu haben. Die demgegenüber nunmehr behauptete, außergewöhnliche Häufung angeblich abhanden gekommener Postsendungen, die sich ausschließlich auf den gegenständlichen Mobilfunkvertrag beziehen und für die sich keine plausible Erklärung finden lässt, rechtfertigt aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung die Annahme, dass der Verfügungskläger die streitgegenständlichen Mahnungen tatsächlich erhalten hat (vgl. VG München, Beschl. v. 06.08.2008 – M 6a E 08.3022, juris).“
Der Vortrag des Verfügungsklägers könne die zugunsten der Verfügungsbeklagten sprechenden Indizien nicht erschüttern:
„Dabei ist in der Gesamtwürdigung als der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechend und ungewöhnlich zu berücksichtigen, dass sich das Bestreiten des Zugangs durch den Verfügungskläger hier in besonderem Maße gehäuft auf sämtliche für die streitgegenständliche Einmeldung bei der SCHUFA (jedenfalls indiziell) relevanten Kommunikationsvorgänge auf drei verschiedenen Übertragungswegen bezieht (Rechnungsversand per E-Mail, Postversand von Mahnungen und Erinnerung/Warnung per SMS). Hinzu kommt das angebliche Nichtbemerken von Rücklastschriften auf dem Bankkonto für Abbuchungen der Verfügungsbeklagten.
Der Verfügungskläger beschränkt sich in seinem Vortrag auf einfaches Bestreiten sowie hinsichtlich des Postversands auf Mutmaßungen über Fehler in den Abläufen bei der Verfügungsbeklagten ohne greifbaren Anhaltspunkt. Der Vortrag des Verfügungsklägers genügt insbesondere nicht, um die von einem automatisierten und zertifizierten, laufend überprüften System ausgehende Gewähr für den Versand der streitigen Postsendungen zu erschüttern.“
_ Forderung nicht bestritten
Der Verfügungskläger habe die Forderung des Telekommunikationsunternehmens unbestritten gelassen (§ 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Buchst. c) BDSG):
„Unabhängig davon, ob die Zahlung vom 16.09.2019 als Anerkenntnis zu erachten ist, lag jedenfalls zum Zeitpunkt der Einmeldung kein Widerspruch des Verfügungsklägers gegen die Forderung vor. Selbst im Rahmen dieses Rechtsstreits hat der Verfügungskläger nicht vorgetragen dass er die Forderungsberechtigung bestreite. Der Hinweis, dass er davon ausgegangen sei, gekündigt zu haben, genügt hierfür nicht.“
_ Interessenabwägung zugunsten des Telekommunikationsunternehmens
Ein überwiegendes Interesse des Verfügungsklägers, welches den Schutz personenbezogener Daten des Verfügungsklägers erfordere (Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. f) Hs. 2 DSGVO), liege nicht vor:
„Das Verhalten des Verfügungsklägers zeigt eine Unzuverlässigkeit bei der Begleichung offener Forderungen, die für potentielle Kreditgeber berechtigterweise von Interesse ist. Besondere, für den Verfügungskläger sprechende Gründe sind nicht vorgetragen.“
Auswirkung auf die Praxis
Nur im Nachhinein den Zugang von Rechnung und Mahnungen zu bestreiten, ist nicht schlau.
Der spätere Verfügungskläger hätte die Meldung an die SCHUFA oder an eine andere Wirtschaftsauskunftei möglicherweise verhindern können – indem er die Forderungen des Telekommunikationsunternehmens hinreichend bestritten hätte.
Nach § 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 d) BDSG setzt eine Negativmeldung an eine Wirtschaftsauskunftei wie beispielsweise die SCHUFA, Creditreform oder Bürgel unter anderem voraus, dass der Schuldner die Forderung nicht bestritten hat.
Nach § 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 BDSG kommt eine Negativmeldung an eine Wirtschaftsauskunftei darüber hinaus auch dann in Betracht, wenn das zugrunde liegendes Vertragsverhältnis aufgrund von Zahlungsrückständen fristlos gekündigt werden kann und bei denen der Schuldner zuvor über eine mögliche Berücksichtigung durch eine Auskunftei unterrichtet worden ist. „Gekündigt werden kann“ – der Vertragspartner muss also berechtigt sein, den Vertrag wegen der Zahlungsrückstände zu kündigen. Das wiederum setzt voraus, dass die Forderung als solche berechtigt ist, die Leistungen also tatsächlich erbracht und korrekt abgerechnet wurden.
Bestehen vernünftige Zweifel an der Forderung, weil beispielsweise unklar ist, ob nicht zuvor bereits der Kunde zu Recht den Vertrag gekündigt hat, oder weil der Kunde eine oder mehrere Rechnungspositionen bestritten hat, wird sich ein klug handelndes Unternehmen vor einer voreiligen Negativmeldung hüten. Stellt sich nämlich am Ende heraus, dass der Kunde berechtigt war, seine Zahlung zu verweigern oder zu kürzen, stellt sich also heraus, dass das Unternehmen nicht berechtigt war, den Vertrag zu kündigen, drohen dem Schadensersatzforderungen wegen eines unberechtigten Negativeintrags.
Also: Zahlen, wenn die Telefonrechnung stimmt. Um Ratenzahlung bitten, wenn das Geld nicht reicht. Unter Angabe von Gründen bestreiten, wenn mit der Rechnung etwas nicht in Ordnung sein kann. Aber nicht den Kopf in den Sand stecken. Und erst recht nicht den Klassiker „Habe Ihre Rechnung nicht bekommen“ aufführen, wenn alles für das Gegenteil spricht. Zorn und Trotz sind schlechte Ratgeber im Wirtschaftsleben.
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