Urteil: Kamera-Attrappe im Wohnhaus grundsätzlich unzulässig

Videoüberwachung im Wohnhaus – das Amtsgericht Frankfurt am Main entschied mit Urteil vom 14.01.2015, Az. 33 C 3407/14: Bereits durch eine bloße Kameraattrappe im Haus-Eingangsbereich wird die allgemeine Handlungsfreiheit der Bewohner und deren Besucher in einer Weise beeinträchtigt, die nur unter besonderen Umständen zu rechtfertigen ist.

Videoüberwachung im Wohnhaus – was war geschehen?

Der spätere Kläger mietete im Jahr 2007 eine Wohnung in einer Wohnanlage. Im Juni 2014 stellte der Kläger fest, dass im Eingangsbereich von zwei Häusern, nämlich des von ihm selbst bewohnten Hauses und eines Nachbarhauses, Minikameras installiert worden waren. Für eine dritte Kamera in Richtung der Mülltonnen war an einer Hauswand des vom Kläger bewohnten Hauses eine Kamera-Halterung angebracht. Den Bewohnern wurde per Aushang mitgeteilt, ab Juli 2014 wäre eine Überwachungsanlage installiert, die der Sicherheit sowie der Feststellung von Stören dienen solle.

Der Kläger verlangte, die Videoüberwachungskameras zu entfernen. Dies verweigerte die Beklagte. Sie verteidigte sich damit, die Kameras seien weder an Aufnahmegeräte noch an sonstige Aufzeichnungsgeräte angeschlossen. Es handele sich um bloße Kameraattrappen. Sie habe auch nicht vor, die Kameraattrappen irgendwann an Aufzeichnungsgeräte anzuschließen.

Wie entschied das Amtsgericht Frankfurt am Main über die Kameraattrappen?

Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte die Beklagte, die Kameraattrappe zu entfernen, die sich im Eingangsbereich des vom Kläger bewohnten Hauses befand. Was die Kameraattrappe im Nachbarhaus und die Kamerahalterung anging, wies das Amtsgericht die Klage ab.

Zu der Kamera im Eingangsbereich des vom Kläger bewohnten Hauses führte das Gericht in seiner Urteilsbegründung aus:

„Es kann offen bleiben, ob die Videokamera bereits jetzt Aufnahmen möglich macht. Sowohl die Installation von Videokameras als auch die Installation von Kameraattrappen im Hauseingangsbereich stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mieters dar. Bereits die mit der Anbringung einer Attrappe verbundene Androhung der ständigen Überwachung der Bewegung des Klägers und seiner Besucher im Hauseingangsbereich stellt eine Beeinträchtigung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit dar, die nur unter besonderen Umständen zu rechtfertigen ist.
(…)
Zwar hat die Beklagte grundsätzlich das ebenfalls durch Art. 14 GG in der Verfassung verankerte Recht, geeignete und erforderliche Maßnahmen zum Schutz ihres Eigentums zu ergreifen. (…) Dass es tatsächlich zu Fällen von Vandalismus und Einbruchsdiebstahl gekommen ist, trägt die Beklagte nicht vor. Die Bekanntmachung an die Bewohner spricht hauptsächlich von einem Müllproblem. Dies rechtfertigt keinen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers…“

Zu der Kamera im Eingangsbereich des Nachbarhauses führte das Gericht aus:

„Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem aus Art. 2 GG hergeleitet allgemeinen Persönlichkeitsrecht auf Entfernung der im Eingangsbereich des Hauses in Bad Vilbel befindlichen Videokamera. Der Kläger bewohnt dieses Haus nicht. Er muss, wie in der mündlichen Verhandlung geklärt werden konnte, auch nicht an diesem Hauseingang vorbeigehen, um in sein Haus zu gelangen. Grundsätzlich ist es jedem Hauseigentümer gestattet, den Hauseingang mittels Videokamera zu überwachen, soweit nicht der öffentliche Raum von der Videoüberwachung erfasst wird. Der Kläger kann, wenn er eine Überwachung vermeiden möchte, diesen Bereich meiden. Einen Anspruch gegen die Beklagte auf unbeobachteten Zutritt zum Haus 23 B hat der Kläger nicht. Diesen Anspruch haben nur die dortigen Mieter.“

Zur Kamerahalterung führte das Gericht aus:

„Wenn sich dort keine Kamera befindet, so kann dort auch keine Kamera entfernt werden.“

Welche Auswirkung hat das Urteil auf die Praxis bei der Videoüberwachung in Wohnhäusern?

Das Urteil zeigt zunächst: Generalspräventive Erwägungen oder allgemeine Nützlichkeitserwägungen rechtfertigen es noch nicht, in einem Wohnhaus eine Video-Überwachungsanlage anzubringen oder auch nur durch Kameraattrappen vorzutäuschen, eine derartige Überwachungsanlage sei installiert.

Das Urteil zeigt aber auch, dass es keinen allgemeinen, abstrakten, Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gegen eine derartige Video-Überwachungsanlage gibt: Erforderlich ist stets, dass der betroffene Mieter tatsächlich von der Überwachungskamera erfasst wird. Und mehr noch: Erforderlich ist, dass der betroffene Mieter nicht die Möglichkeit hat, auszuweichen, also auf einem anderen Weg, der nicht von einer Kamera überwacht wird, zu seinem Haus zu gelangen.

Das Urteil zeigt damit: Soll eine Klage, durch die eine Video-Überwachungsanlage verhindert oder beseitigt werden soll, Erfolg haben, müssen die Umstände des Einzelfalles, muss die individuelle Beeinträchtigung, möglichst sorgfältig und möglichst detailliert dargelegt werden.