Die urheberrechtlichen Abmahnungen, die die Regensburger Kanzlei U + C Rechtsanwälte Urmann und Collegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH für The Archive AG verschickt, schlagen hohe Wellen. Wohl zum ersten mal werden Internet-Anschlussinhaber nicht abgemahnt, weil sie einen Film über eine klassische Filesharing-Tauschbörse heruntergeladen und hierdurch zugleich öffentlich zugänglich gemacht haben sollen, sondern weil sie einen Film – nur – über das Streaming-Portal redtube.com angesehen haben sollen. Nachstehend ein Versuch, die Sach- und Rechtslage, wie sie sich momentan darstellt, kurz zu skizzieren.
Inhalt
Worum geht es?
U + C Rechtsanwälte mahnen für The Archive AG Anschlussinhaber ab, die Filme aus deren Programm über das Streaming-Portal redtube angesehen haben sollen. Hier gingen bislang Abmahnungen zu den Titeln „Dream Trip“, „Hot Stories“, „Glamour Show Girls“ und „Miriam’s adventures“ ein, die allesamt vom 03.12.2013 und 04.12.2013 datieren. Die Rechtsverstöße sollen sich im Juli und August 2013 ereignet haben. U + C Rechtsanwälte fordern von den Anschlussinhabern mit Fristsetzung von acht Tagen gerechnet ab dem Datum der Abmahnung die Abgabe einer Unterlassungserklärung. Innerhalb der gleichen Frist fordern U + C Rechtsanwälte den Ersatz der Abmahnkosten und der weiteren Kosten der Rechtsverfolgung sowie Schadenersatz. Hierfür berechnen sie einen Gesamtbetrag von 250,00 €.
Was ist der Unterschied zwischen Streaming und einer Filesharing-Tauschbörse?
Beim Streaming werden Daten von einem Server aus kontinuierlich übertragen. Es ist nicht erforderlich, dass die Audio- oder Videodatei vollständig auf den Rechner des Nutzers übertragen wird, damit die Audioaufnahme oder der Film angehört bzw. angesehen werden kann. Dabei wird die Datei am Ende auch nicht dauerhaft auf dem Rechner des Nutzers gespeichert: die Daten gehen wieder verloren, wenn die Verbindung zum Server unterbrochen wird. YouTube ist das wohl bekannteste Beispiel. Dagegen werden beim Filesharing Dateien, ganz oder in Teilen, dauerhaft auf den Rechner des Nutzers übertragen – nämlich in das freigegebene Verzeichnis. Von dort aus werden sie über das auf dem Rechner installierte Filesharing-Programm gleichzeitig anderen Nutzern in dem Filesharing-Netzwerk zum Download angeboten – die Kopie einer Audio- oder Videodatei ist damit zugleich die Grundlage einer weiteren Kopie, also der Kopie der Kopie. Und so weiter und so weiter…
Zwischenspeicherung beim Streaming
Allerdings: Ganz ohne jede Speicherung kommt auch Streaming nicht aus. Teile der Datei werden vorübergehend im Cache zwischengespeichert, damit beispielsweise der Film nicht anfängt zu ruckeln, wenn zwischendurch die Übertragungsgeschwindigkeit der Internetverbindung absinkt. Und hier setzt die Abmahnung von U + C Rechtsanwälten an.
Streaming: Wie ist die Rechtslage?
Die entscheidende Rechtsfrage ist, ob es beim Streaming zu einer zustimmungsbedürftigen Vervielfältigungshandlung im Sinne von § 16 UrhG kommt oder nicht. Über diese Rechtsfrage ist bislang noch nicht endgültig entschieden.
Legale Privatkopie nach § 53 UrhG?
Nach § 53 Abs. 1 UrhG ist die keinen Erwerbszwecken dienende Privatkopie zulässig, wenn die Vorlage nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellt oder offensichtlich rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht wurde. Die Rechtswidrigkeit bezieht sich hierbei auf das Urheberrecht. Jugendschutz beispielsweise bei einem Erotik- und Porno-Portal ist für die Frage, ob eine Privatkopie zulässig ist oder nicht, ohne Bedeutung. Auf das Streaming via redtube übertragen: Auch die hiermit einhergehenden Zwischenspeicherung ist jedenfalls dann zulässig, wenn es für den Nutzer nicht offensichtlich ist, dass der via redtube abrufbare Film nicht mit Zustimmung der jeweiligen Rechteinhaber auf den redtube-Servern gelandet ist. U + C Rechtsanwälte tragen in ihren Abmahnungen vor, es sei offensichtlich, dass es sich um solche offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlagen handele. Warum dies – und zwar ganz konkret bei dem jeweiligen Film, der den Gegenstand der Abmahnung bildet – so sein soll, begründen U + C Rechtsanwälte nicht. Gegenargument: Viele Filmvertriebe nutzen die Internet-Filmportale, um für ihre Filme Werbung zu machen. So müssen weitere Merkmale hinzukommen, damit der Nutzer eine rechtswidrige Vorlage erkennen kann. Dass der Film über eine Internetportal abrufbar ist, kann für sich alleine in vielen Fällen nicht einmal Indiz für eine rechtswidrige Vervielfältigung sein. Erst recht nicht kann hieraus geschlossen werden, es handele sich um eine offensichtlich illegale Vorlage.
Vorübergehende Vervielfältigungshandlung nach § 44a UrhG?
Nach § 44a UrhG sind außerdem vorübergehende Vervielfältigungshandlungen zulässig, wenn sie flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil des technischen Verfahrens darstellen. Diese vorübergehende Vervielfältigung muss weiter einer Übermittlung oder einer rechtmäßigen Nutzung dienen. Flüchtig oder begleitend, Teil des technischen Verfahrens? Ja – vergleiche die technische Beschreibung von Streaming oben.
Fazit zur Rechtslage nach Urheberrecht
Bereits nach Urheberrecht sprechen damit Erwägungen gegen den von Urmann + Collegen in deren Abmahnung für The Archive AG geltend gemachten urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch. Die Frage, auf welche Weise die von The Archive AG beauftragte Ermittlungsfirma an die IP-Adressen gekommen ist, und welche Folgen dies für deren Verwertbrakeit haben kann, bleibt hiervon unabhängig spannend.
Grundtendenz bislang verhalten optimistisch. Fortsetzung folgt.
Edit 10.12.2013: Titelliste ergänzt – „Dream Trip“
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