Telefonwerbung trotz Telefonbuch-Eintrag unzulässig: BVerwG-Urteil

Unzulässige Telefonwerbung für Ankauf von Edelmetallresten von Zahnarztpraxen trotz Eintragung im Telefonbuch – das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschied mit Urteil vom 25.01.2025, Az. 6 C 3.23: Wer in allgemein zugänglichen Verzeichnissen veröffentlichte Telefonnummern von Zahnarztpraxen erhebt und speichert, um unter Nutzung dieser Daten Telefonwerbung zu betreiben, kann sich nicht auf den in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO geregelten Erlaubnistatbestand der Wahrung berechtigter Interessen berufen, sofern nicht eine zumindest mutmaßliche Einwilligung der betroffenen Zahnärzte im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG vorliegt.

Sachverhalt: Worum geht es?

Die Klägerin kauft Edelmetallreste von Zahnarztpraxen an. Hierzu erhebt sie aus öffentlich zugänglichen Verzeichnissen wie z.B. den Gelben Seiten Namen und Vornamen des Praxisinhabers sowie die Praxisanschrift nebst Telefonnummer. Die von ihr gespeicherten Kontaktdaten nutzt sie, um durch Telefonanrufe bei den Zahnarztpraxen in Erfahrung zu bringen, ob die Angerufenen Edelmetalle an sie verkaufen möchten.

Beklagte im Verfahren war die saarländische Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit. Diese ordnete im Januar 2017 auf der Grundlage des Bundesdatenschutzgesetzes in der damals geltenden Fassung gegenüber der Klägerin an, die für den Zweck einer telefonischen Werbeansprache erfolgende Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten von Inhabern von Zahnarztpraxen einzustellen, sofern nicht eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt oder bereits ein Geschäftsverhältnis mit ihm besteht.

Nach rechtskräftiger Abweisung ihrer Klage beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Hinweis auf die im Mai 2018 in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung erfolglos die Aufhebung des Bescheids vom Januar 2017.

Die hierauf vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes (VG Saarlouis) erhobene Verpflichtungsklage hatte keinen Erfolg. Das VG Saarlouis wies die Klage mit Urteil vom 15.12.2022, Az. 5 K 461/20, ab.

Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes wies die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 20.04.2023, Az. 2 A 111/22, Zur Begründung führte das Oberverwaltungsgericht aus, ein Wiederaufnahmegrund nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 SVwVfG liege nicht vor. Durch die Datenschutzgrundverordnung habe sich die Rechtslage nicht zu Gunsten der Klägerin geändert. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO, der nunmehr eine Interessenabwägung vorsehe, könne nicht als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung herangezogen werden. Denn die telefonische Werbeansprache entspreche mangels einer zumindest mutmaßlichen Einwilligung der angesprochenen Zahnärzte nicht den Anforderungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Werde die Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO unterstellt, bestünde unter Berücksichtigung der Wertungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG kein berechtigtes Interesse der Klägerin.

Ergebnis: Wie entschied das BVerwG?

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Zwar sei der Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO entgegen der Auffassung der Vorinstanz hier grundsätzlich anwendbar. Bei der Beurteilung, ob die Datenverarbeitung zur Wahrung eines „berechtigten Interesses“ im Sinne dieser Bestimmung erfolgt, müssten jedoch die Wertungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG mit berücksichtigt werden. Mit § 7 UWG habe der deutsche Gesetzgeber die in Art. 13 der Richtlinie 2002/58/EG enthaltenen Vorgaben zum Schutz der Privatsphäre der Betroffenen vor unverlangt auf elektronischem Weg zugesandter Werbung umgesetzt. Es widerspräche daher dem Grundsatz der Einheit der Unionsrechtsordnung, wenn diese lauterkeitsrechtlichen Wertungen bei der Konkretisierung des berechtigten Interesses im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO außer Betracht bleiben müssten.

Hiervon ausgehend fehle der Klägerin ein berechtigtes Interesse im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO, weil der von ihr verfolgte Zweck der Datenverarbeitung gegen § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG verstoße. Bei den Telefonanrufen, mit denen die Klägerin die Bereitschaft der angerufenen Zahnärzte zum Verkauf von Edelmetallen in Erfahrung zu bringen suche, handele es sich um Werbung im Sinne dieser Bestimmung. Die von der Klägerin angesprochenen Inhaber von Zahnarztpraxen seien in dem hier vorliegenden Kontext als sonstige Marktteilnehmer zu qualifizieren. Deswegen sei ist unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG anzunehmen, wenn nicht zumindest eine mutmaßliche Einwilligung vorliegt. Diese mutmaßliche Einwilligung werde durch ein sachliches Interesse der Anzurufenden an der Telefonwerbung indiziert. Fehle ein solches sachliches Interesse und damit die mutmaßliche Einwilligung, führe dies zur Unzulässigkeit der Werbeanrufe.

Auf der Grundlage der für das Bundesverwaltungsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sei diese Voraussetzung nicht erfüllt. Denn danach diene die Veröffentlichung der Telefonnummern der Zahnärzte in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen ausschließlich dazu, die Erreichbarkeit für Patienten zu gewährleisten. Zudem habe das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass der Verkauf von Edelmetallresten zur Gewinnerzielung weder typisch noch wesentlich für die Tätigkeit eines Zahnarztes sei.

Schließlich habe die Klägerin nicht deshalb einen Anspruch auf eine erneute Sachentscheidung, weil es an einer auf die nunmehr geltende Rechtslage bezogenen Ermessensausübung der Beklagten fehle. Denn das der Aufsichtsbehörde hinsichtlich der Abhilfemaßnahmen nach Art. 58 Abs. 2 DSGVO grundsätzlich eingeräumte Ermessen sei im vorliegenden Fall dahingehend reduziert, dass nur ein Verbot gemäß Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DSGVO geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sei, um dem festgestellten Verstoß gegen die DSGVO abzuhelfen.

Auswirkung auf die Praxis

Selbst in mittleren und größeren Unternehmen mit eigener Rechts- und Complianceabteilung scheinen die Anforderungen des § 7 UWG an rechtmäßige Werbung mit seiner feinsinnigen Unterscheidung der verschiedenen Werbekanäle, von Bestandskundenwerbung und Kaltakquise und schließlich von ausdrücklicher und mutmaßlicher Einwilligung noch immer unbekannt zu sein. Die DSGVO hat die Hürden für eine mutmaßliche Einwilligung nochmals erhöht.

Das Telefon dient im Unternehmen nicht dazu, die Mitarbeiter:innen, gar die Geschäftsführung persönlich, aus deren Arbeiten herauszureißen, um angeblich lukrative Angebote zu unterbreiten. Das Urteil des BVerwG schiebt all diesen Zeitdieben und Spaßverderbern einen weiteren Riegel vor.

Wer Kaltakquise betreiben möchte, kann dies rechtskonform, störungsfrei und am Ende vielleicht mit weit mehr Erfolgsaussicht mit der guten alten Briefpost tun. Die Kosten für eine solche Aussendung dürften im Regelfall niedriger sein als diejenigen Kosten, die nach einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung oder bei einer aufsichtsrechtlichen Maßnahme einer Datenschutzbehörde anfallen.

 

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