Irreführung durch Herkunftstäuschung bei „türkischem“ Käse

Markenrecht, Wettbewerbsrecht und Herkunftstäuschung bei „türkischem“ Käse – das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied mit Urteil vom 23.01.2013, Az. 6 U 38/12: Bezeichnet ein Lebensmittelunternehmen einen in Deutschland bzw. in den Niederlanden aus Kuhmilch hergestellten Käse als „Erzincan Peyniri“ bzw. als „Erzincan Kaşari“, so ist diese Produktbezeichnung ein unzulässiger und irreführender Gebrauch einer geografischen Herkunftsangabe nach §§ 126 ff. Markengesetz.

Was war geschehen?

Ein Lebensmittelunternehmen verkaufte in Lebensmittelgeschäften, die sich vorwiegend an türkisch-stämmige Kundschaft wenden, Käse unter den Produkt-Namen „Erzincan Peyniri“ bzw. „Erzincan Kasari“. Dieser Käse wurde in Deutschland bzw. in den Niederlanden aus Kuhmilch hergestellt. Auf den Produktpackungen war deutlich sichtbar eine grasende Kuh abgebildet. Bei dem Käse „Erzincan Kasari“ wurde zusätzlich mit dem Zusatz „nach türkischer Art“ geworben. Erzincan ist eine Stadt im Nordosten der Türkei am oberen Euphrat-Ufer. Sie ist in der Türkei für ihren Käse „Erzincan Tulum Peyniri“ bekannt, der aus Schafsmilch und Schafslake hergestellt wird. „Peyniri“ heißt Käse. „Kasari“ heißt Gelbkäse.

Wie entschied das OLG Karlsruhe?

Das OLG Karlsruhe sah in den Produktbezeichnungen den unzulässigen Gebrauch einer geografischen Herkunftsangabe (§§ 126 ff. Markengesetz) und damit zugleich eine Irreführung. Der Käse erwecke bei einem nicht unwesentlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck, er stamme aus Erzincan, zumindest aber stammten die Zutaten für den Käse aus dieser Stadt, die in der Türkei für die Käseherstellung bekannt sei.

Das Gericht berief sich dabei auf eine zuvor durchgeführte, repräsentative Verkehrsbefragung unter türkisch-sprachigen Verbrauchern. 89% der Befragten hätten die Stadt Erzincan gekannt. Bei Vorlage der beiden Produkte seien jeweils ca. 20-30% der türkisch-stämmigen Verbraucher davon ausgegangen, dass der Käse in der türkischen Stadt Erzincan hergestellt, das Produkt aus der Türkei eingeführt werde oder die Zutaten des Käses aus Erzincan stammten.

Es komme weder darauf an, ob die Verkehrskreise mit der Ortsangabe auch eine Qualitätsvorstellung verbinden, noch sei Voraussetzung für einen Verstoß gegen §§ 126 ff. Markengesetz, dass die Herkunftsangabe zuvor im geschäftlichen Verkehr benutzt worden sei.

Auch der Hinweis „nach türkischer Art“ reiche nicht aus, um dem Käufer deutlich zu machen, dass es sich eben nicht um ein in der Türkei hergestelltes Produkt handele. Dieser Hinweis könne vielmehr auch als Bestätigung der Herkunftsvorstellung aufgefasst werden („Nach türkischer Art, weil in Erzincan hergestellt“).

Welche Auswirkung hat das Urteil auf die Praxis?

Nach § 126 Abs. 1 MarkenG sind geographische Herkunftsangaben die Namen von Orten, Gegenden, Gebieten oder Ländern sowie sonstige Angaben oder Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung der geographischen Herkunft von Waren oder Dienstleistungen benutzt werden.

Nach § 127 Abs. 1 MarkenG dürfen geographische Herkunftsangaben im geschäftlichen Verkehr nicht für Waren oder Dienstleistungen benutzt werden, die nicht aus dem Ort, der Gegend, dem Gebiet oder dem Land stammen, das durch die geographische Herkunftsangabe bezeichnet wird, wenn bei der Benutzung solcher Namen, Angaben oder Zeichen für Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft eine Gefahr der Irreführung über die geographische Herkunft besteht. Umgekehrt gesprochen: Geographische Herkunftsangaben dürfen nur für Waren oder Dienstleistungen benutzt werden, die tatsächlich aus dem Ort, der Gegend, dem Gebiet oder dem Land stammen.

Haben die durch eine geographische Herkunftsangabe gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besondere Eigenschaften oder eine besondere Qualität, so darf die geographische Herkunftsangabe nach § 127 Abs. 2 MarkenG im geschäftlichen Verkehr für die entsprechenden Waren oder Dienstleistungen dieser Herkunft nur benutzt werden, wenn die Waren oder Dienstleistungen diese Eigenschaften oder diese Qualität aufweisen.

Klassische Beispiele: Plörriger Schaumwein obskurer Herkunft darf nicht kurzerhand als „Champagner“ verkauft werden. „Münchener Weisswürste“ kommen aus München und nicht aus einer Wurstfabrik im ehemaligen Ostblock und enthalten auch keine Salamiwürfel.

Und türkischer Käse kommt nicht aus den Niederlanden.