Sozialrecht und Eingliederungszuschuss: Erotik-Live-TV-Magazin im Internet ist sittenwidrig

Ein Erotik-Live-TV-Magazin im Internet verstößt gegen die guten Sitten – das Sozialgericht Darmstadt entschied mit Urteil vom 26.09.2012, Az. S 17 AS 416/10: Ein erwerbsfähiger Leistungsempfänger hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen für die Gründung eines Erotik-Live-TV-Magazins im Internet, mit dem Erotik- und Pornografiedarstellungen angeboten werden.

Was war geschehen?

Der Kläger plante ein Erotik-Live-TV-Magazin als so genanntes WebTV. Das Konzept stellte er folgendermaßen dar:

  • Live-Reportagen auf Messen und Veranstaltungen rund um das Thema Erotik oder auf Erotikmessen im gesamten Bundesgebiet;
  • Reportagen/Berichte über verschiedene erotische Themengebiete wie z.B. FKK-Clubs, Begleitservice, Swingerclubs, erotische Fotoausstellungen, Modellagenturen im Bereich Erotik etc.;
  • Interviews auf diversen Veranstaltungen und auch im Produktionsstudio;
  • Berichte über Dessous-Partys und Verkaufsshows über verschiedene Produktgruppen wie z.B. Dildos, Kleidung, Accessoires etc.;
  • Erotisches Monatshoroskop für alle zwölf Tierkreiszeichen;
  • Erotische Buchtipps;
  • Erotik-ABC;
  • Bildergalerie und Videothek;
  • Jobbörse für Modelle/Fotografen/Produzenten;
  • Forum;
  • Hochladen und Veröffentlichen von erotischen Clips der Zuschauer und vieles mehr;
  • Verkaufsshop.

Hierfür beantragte der Kläger einen Zuschuss nach § 16 c Abs. 2 SGB II. Die Sozialbehörde lehnte den Antrag ab.

Wie entschied das SG Darmstadt?

Das SG Darmstand wies die Klage ab und verweigerte dem Kläger den Zuschuss. Entscheidend sei darauf abzustellen, dass die Herstellung und Produktion von Erotik- und Pornografie-Darbietungen sowie deren Vermarktung auf den Durchschnittsbeurteiler weiterhin als abstoßend, anrüchig und als etwas sittlich-moralisch Zweifelhaftes wirken würdenund sie für den normalen Alltag bzw. im öffentlichen Leben abgelehnt würden. Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit von gewerbsmäßigen Erotik- und Pornografie-Angeboten im Internet dürfe keinesfalls von deren beabsichtigter Wirkung auf die Internetbenutzer abgesehen werden. Die angestrebte sexuell stimulierende Wirkung bestimme die Bewertung dieser Angebote selbst.

Welche Auswirkung hat das Urteil auf die Praxis?

Zunächst fällt auf, dass das Konzept des Klägers harte Pornographie im eigentlichen, engen Sinne nicht explizit erwähnt. Weiter umfasst das Angebot des Klägers dasjenige Spektrum, das eine ganze Printbranchen freiverkäuflich darbietet und das in weiten Teilen ebenso Bestandteil der Boulevardpresse und ihrer Online-Portale ist. All diese Angebote müssten also, die Rechtsauffassung des SG Darmstadt zugrunde gelegt, sittenwidrig sein.

Die Rechtsauffassung des SG Darmstadt weitergedacht: Dann müssten sämtliche kommerziellen Online-Angebote für Pornofilme sittenwidrig sein. In der Folge stellt sich die Frage, ob im Zuge von Filesharing-Abmahnungen wegen der unberechtigten Verbreitung solcher Pornofilme Lizenz-Schadenersatz verlangt werden darf.

Gegen das Urteil des SG Darmstadt ist die Berufung vor den Hessischen Landessozialgericht unter dem Az. L 9 AS 852/12 anhängig.