„Offene Forderung – Letztinstanzliches Urteil“ – so ist das aktuelle Serienschreiben der GWE-Wirtschaftsinformations GmbH / Gewerbeauskunft-Zentrale überschrieben, das seit gestern von allen Seiten hereinkommt. Die GWE-Wirtschaftsinformations GmbH teilt mit: „Ganz aktuell hat das Landgericht Düsseldorf mit letzinstanzlichem Berufungsurteil vom 31.07.2013, Az.: 23 S 316/12, ausdrücklich festgestellt, das (*) mit Unterzeichnung und Rücksendung unseres Angebotes definitiv ein rechtskräftiger kostenpflichtiger Vertrag zustande gekommen ist. Damit sind alle bisher ergangenen Urteile als nichtig anzusehen.“ (*Liebe Gewerbeauskunft-Zentrale: Hier fehlt doch wohl ein s; Anm. d. Verf.) Tatsächlich?
Inhalt
Worum geht es?
Bereits →hier wurde über das Berufungsurteil des Landgerichts (LG) Düsseldorf vom 31.07.2013, Az. 23 S 316/12 zugunsten der GWE-Wirtschaftsinformations GmbH / Gewerbeauskunft-Zentrale berichtet. Das LG Düsseldorf befand, dass (mit zwei s!) zwischen den Parteien mit der Rücksendung des ausgefüllten und am 11.07.2011 unterschriebenen Formulars der GWE-Wirtschaftsinformations GmbH ein wirksamer Vertrag über die Eintragung in das von der Klägerin geführte Internetportal Gewerbeauskunft-Zentrale.de zustande gekommen ist. Nach einer ganzen Reihe von Urteilen des Amtsgerichts (AG) Düsseldorf gegen die GWE-Wirtschaftsinformations GmbH / Gewerbeauskunft-Zentrale nun der große Umschwung vor dem LG Düsseldorf? Sieg und Geldsegen für die GWE? Auf den ersten Blick mag das nun tatsächlich den Anschein haben. Bei weiterem Hinsehen tauchen Zweifel an den Feststellungen der Düsseldorfer 23. Zivilkammer auf, tun sich Lücken in den Urteilsgründen auf.
Der Reihe nach.
Alle bisher ergangenen Urteile nichtig?
Welche Urteile überhaupt? Nur die des AG Düsseldorf gegen die GWE? Auch das gegen einen anderen Branchenverzeichnis-Anbieter ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26.07.2012? Oder etwa auch die vielzitierten Urteile aus Köln und Bergisch Gladbach zugunsten der GWE? Zuviel des guten!
Offenbar meint die GWE in ihrem Schreiben nur: Alle gegen sie ergangenen Urteile des AG Düsseldorf.
Auch das ist Unsinn: Soweit die GWE gegen diese Urteile keine Berufung mehr einlegte und die Urteile damit rechtskräftig wurden, werden sie durch das Urteil des LG Düsseldorf vom 31.07.2013 nicht mehr beseitigt. Lediglich das eine Urteil des AG Düsseldorf vom 22.08.2012, Az. 25 C 15128/11, gegen das die GWE hier im konkreten Fall die Berufung zum LG Düsseldorf einlegte, wird durch dessen Urteil aufgehoben.
Urteil des LG Düsseldorf: Keine Auseinandersetzung mit dem BGH-Branchenverzeichnis-Urteil
Bemerkenswert an dem Urteil der 23. Zivilkammer ist, dass jede Auseinandersetzung mit dem Urteil des BGH vom 26.07.2012, Az. VII ZR 262/11, fehlt.
Ausdrücklich hielt der BGH dort fest:
„Wird eine Leistung (hier: Grundeintrag in ein Branchenverzeichnis im Internet) in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten, so wird eine Entgeltklausel, die nach der drucktechnischen Gestaltung des Antragsformulars so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt ist, dass sie von dem Vertragspartner des Klauselverwenders dort nicht vermutet wird, gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil.“
Das LG Düsseldorf stellt in seiner Urteilsbegründung umfangreich auf die Worte „Angebot“ und „Annahme“ ab und meint hieraus wohl ableiten zu können, dass dem beklagten Unternehmen die Kostenklausel hätte auffallen müssen. Das LG Düsseldorf übersieht dabei aber, dass Verträge nicht immer kostenpflichtig sein müssen.
Genau dies erkannte sehr richtig der BGH: „Wird eine Leistung in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten…“ – auch einer solchen unentgeltlichen Leistung liegt ein Vertrag zugrunde; auch hier sind Angebot und Annahme erforderlich! Klassischer Fall: Die Leihe nach §§ 598 ff. BGB – ein Vertrag, aber kostenlos.
Konsequenterweise stellt der BGH in seinem Urteil dann nicht darauf ab, ob und wie oft die Worte „Angebot“ und „Annahme“ verwendet werden. Vielmehr stellt der BGH darauf ab, wo, in welchem Text-Zusammenhang und mit welcher Aufmachung die Kostenklausel im Formular eingebaut ist.
Diese sorgfältige Trennung zwischen „Vertrag“ und „kostenpflichtigem Vertrag“ ist in den Urteilsgründen aus Düsseldorf nicht zu erkennen. Die 23. Zivilkammer ließ sich offenbar ohne weitere Erwägung zu der Schlussfolgerung hinreißen, „Vertrag“ bedeute ohne weiteres „kostenpflichtiger Vertrag“. Dieser Gedanke aber ist dem BGB fremd.
Urteil des LG Düsseldorf: Keine Feststellung zur Sittenwidrigkeit des Vertrages
„Auch eine Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB ist nicht gegeben“, behauptet die GWE in ihrem Schreiben. Diese Feststellung des LG Düsseldorf ist nicht so in Stein gemeißelt, wie es die GWE hier glauben machen will. Wörtlich die Feststellungen in den Urteilsgründen:
„Die Beklagte hat nicht dargetan, dass ein außergewöhnliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Insbesondere hat sie nichts dazu vorgetragen, welche Entgelte für eine Veröffentlichung auf vergleichbaren Internetportalen anfallen.“
Diese Formulierung kann nur so gedeutet werden, dass die 23. Zivilkammer die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nicht unter allen Umständen ausschließt. „Die Beklagte hat nicht dargetan… Insbesondere hat sie nichts dazu vorgetragen…“: Die Beklagte hat eine Sittenwidrigkeit des Vertrages offenbar bei ihrer Rechtsverteidigung im Prozess gar nicht thematisiert: Hätte die Beklagte ein außergewöhnliches Missverhältnis zwischen Leistung (der Eintragung in dem Branchenverzeichnis „Gewerbauskunft-Zentrale.de“ oder besser: dem vorhersehbaren wirtschaftlichen Nutzen dieser Eintragung) und der Gegenleistung (dem „Marketingbeitrag“, der mit 569,06 € brutto pro Jahr alleine für Basis-Kontaktdaten nicht mehr unerheblich ist) dargelegt, hätte die Beklagte darüber hinaus dargelegt, welche Preise andere Anbieter für derartige Basiseinträge berechnen, wäre die Entscheidung des LG Düsseldorf vielleicht anders ausgefallen.
Urteil des LG Düsseldorf: Keine Feststellung zur Zahlungspflicht der Beklagten
Wie lautet der Tenor des Urteils unter Ziffer 2 genau?
„Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien aufgrund des seitens der Beklagten am 11.07.2011 unterzeichneten Angebots der Klägerin ein wirksames Vertragsverhältnis besteht.“
Nicht:
„Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.138,12 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von … seit … zu zahlen.“
Aus den Urteilsgründen:
„Auch ist nicht erkennbar, dass die Klägerin ihrerseits mit der Erfüllung ihrer vertraglichen Verbindlichkeiten, insbesondere der Aufnahme der Beklagten in das von ihr geführte Branchenbuch-Verzeichnis, begonnen hat. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass eine Fälligkeit der Gesamtvergütung für die Mindestlaufzeit von zwei Jahren in Höhe von 956,40 € zzgl. Umsatzsteuer (= 1.138,12 €) bereits eingetreten ist.“
Das LG Düsseldorf bejaht nur das Vertragsverhältnis dem Grunde nach. Das LG Düsseldorf meint, dass zwischen den Parteien ein Vertrag zustande gekommen ist. Eine Aussage, wann (und ob überhaupt jemals) der Betrag von 1.138,12 € zu zahlen sein soll, ist dem Urteil nicht zu entnehmen.
Und damit zugleich stößt das LG Düsseldorf in seiner Urteilsbegründung ein neues Türchen zu einer Rechtsverteidigung auf, indem es feststellt, dass die GWE als Klägerin noch nicht mit der Erfüllung ihrer vertraglichen Verbindlichkeiten begonnen hat: Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags nach § 320 BGB.
„Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist.“
Worin besteht denn dabei die Gegenleistung der GWE? In dem bloßen Eintrag in ihrer Datenbank „Gewerbeauskunft-Zentrale.de“? Also in einem Eintrag, der möglicherweise in den Weiten des Internet unter Millionen von Branchen- und Adresseinträgen untergeht? Oder in einem Eintrag, der bei Eingabe von so typischen Suchanfragen wie beispielsweise „[Branche] [Ort]“ bei Google zu einem Treffer auf vordersten Plätzen führt? Stichwort: Suchmaschinenoptimierung?
Dies hängt davon ab, wie man die Rechtsnatur eines Online-Branchenverzeichnis-Eintrags einordnet, und welche einzelnen, detaillierten, Pflichten sich dann hinter dem Schlagwort „Aufnahme in das Branchenbuch-Verzeichnis“ verbergen.
Auch hierzu schweigt sich das Urteil des LG Düsseldorf aus.
Fazit
Das Urteil des LG Düsseldorf lässt dreierlei erkennen: Schwächen in der Begründung, Schwächen in der vorangegangenen Rechtsverteidigung – und weiterhin eine ganze Reihe von juristischen Erwägungen, die den Forderungen der GWE-Wirtschaftsinformations GmbH / Gewerbeauskunft-Zentrale.de entgegen gehalten werden können. Mit diesem einen Urteil ist noch lange nicht alles verloren.
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