Die Kanzlei Urmann & Collegen (U+C) aus Regensburg ist eine Größe bei Filesharing-Abmahnungen. Viele ihrer Abmahnungen betrafen Erotik- und Pornofilme. Zum Ende des Jahren 2011 machte die Kanzlei U+C von sich reden, als sie offene Forderungen aus Abmahnungen versteigerte. Unter Berufung auf vorangegangene Abmahnungen von U+C macht seit einiger Zeit das Inkassounternehmen Debcon Abmahnkosten und Schadenersatz geltend. Nun kündigen U+C auf ihrer Website an, ab dem 01.09.2012 eine Gegnerliste im Internet zu veröffentlichen. Nach einem Bericht des Regensburger Wochenblatts vom 16.08.2012 sollen in den Datensätzen von U+C mehr als 150.000 Namen von Abgemahnten enthalten sein.
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Worum geht es?
U+C berufen sich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12.12.2007, Az. 1 BvR 1625/06. Das BVerfG erklärte mit diesem Beschluss Gegnerlisten auf der Website einer Anwaltskanzlei – Listen, in denen darauf verwiesen wird, gegen welche namentlich genannten Unternehmen und Personen die Kanzlei bereits mandatiert war – für zulässig.
Lässt sich der Beschluss des BVerfG auf die U+C-Gegnerliste übertragen?
Dieser Auffassung begegnen massive Zweifel. Eine ganze Reihe von Erwägungen dürfte dem Vorhaben, die Rechtsprechung des BVerfG auf Empfänger einer Filesharing-Abmahnung anzuwenden, entgegen stehen.
Prangerwirkung ohne Informationswert
Die Entscheidung des BVerfG betraf eine Liste gewerblicher Gegner, namentlich Kapitalanlagefirmen. Die Ankündigung von U+C lässt hingegen befürchten, dass auch die Namen von Privatpersonen veröffentlicht werden sollen: Von Filesharing-Abmahnungen sind regelmäßig gerade die Inhaber privater Internet-Anschlüsse betroffen.
Die Mitteilung, namentlich nicht benannte Mandanten gegen ein – möglicherweise ohnehin bereits in der Presse vertretenes – namentlich benanntes Unternehmen zu vertreten, hat für Rechtssuchende einen Informationswert. Die Mitteilung, den namentlich benannten Inhaber eines Internet-Anschlusses wegen Filesharing zu belangen, hat für Rechtssuchende keinerlei Informationswert.
Persönlichkeitsrecht, Privatsphäre und Intimsphäre
Noch einmal: Die Kanzlei U+C wird häufig gerade im Zusammenhang mit Filesharing-Abmahnungen wegen Erotik- und Pornofilmen genannt. So oder so kann dann eine Veröffentlichung auf deren Gegnerliste den Verdacht erwecken, der betroffene Anschlussinhaber sei Porno-Konsument.
Täterhaftung vs. Störerhaftung
Wohl am schwersten wiegt der Umstand, dass der Abmahnungsempfänger den Rechtsverstoß nicht persönlich begangen haben muss: Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) „Sommer unseres Lebens“ vom 16.05.2010, Az. I ZR 121/08 haftet bereits der Inhaber eines nicht ausreichend gesicherten WLAN als Störer auf Unterlassung, auch wenn eine – möglicherweise völlig unbekannte – andere Person Filesharing betrieben hat.
Dies bedeutet: Auf der Gegnerliste können nicht nur Täter erscheinen. Auch Familienangehörige, Gastgeber oder völlig unbeteiligte Inhaber von Internet-Anschlüssen, die schlicht nicht wussten, dass und wie sie ihr WLAN absichern sollten, können dort erscheinen. Auch diese Personen können dann – weltweit! – in den Ruch gelangen, Konsumenten von Pornofilmen zu sein.
Wie geht es weiter?
Es bleibt nun erst einmal abzuwarten, ob und wie U+C ihre Gegnerliste überhaupt veröffentlichen. Wer sich in der Vergangenheit einer Filesharing-Abmahnung von U+C widersetzt hat und sich in jüngster Zeit möglicherweise mit Debcon herumschlug, wird indes gut daran tun, ab dem 01.09.2012 regelmäßig einen Blick auf die Seiten von U+C zu werfen. Sollten U+C ihr Vorhaben weiter umsetzen, würde ich betroffenen Mandanten empfehlen, erforderlichenfalls eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Es bleibt zu wünschen, dass sich die Ankündigung am Ende als makabere Marketingmaßnahme entpuppt.
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