Urteil: Wiederveröffentlichung gelöschter positiver Bewertungen auf jameda

Wiederveröffentlichung gelöschter positiver Bewertungen auf jameda – das Landgericht München I entscheid mit Endurteil vom 16.04.2019, Az. 33 O 6880/18: Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Arztes umfasst auch die Nutzerbewertungen auf einem Ärztebewertungsportal. Der Portalbetreiber greift in dieses Recht ein, wenn er positive Bewertungen löscht. Der Arzt kann die Wiederveröffentlichung nur dann verlangen, wenn die Löschung betriebsbezogen erfolgte, um z.B. eine Vertragskündigung zu sanktionieren. Die Betriebsbezogenheit fehlt, wenn die Löschungen ausschließlich der Qualitätswahrung dienen.

Löschung von positiven Bewertungen – was war geschehen?

Der Kläger ist Zahnarzt. Die Beklagte betreibt das Bewertungsportal „jameda“.

Bis Ende des Jahres 2018 war der Arzt Vertragspartner der Beklagten („Premiumkunde“). Er hatte das „Premiumpaket Gold“ gebucht. Am 10.01.2018 kündigte der Arzt sein „Premiumpaket Gold“ zum Ende des Jahres 2018.

Bis zum 28.12.2017 hatte der Arzt auf dem Portal insgesamt 60 Bewertungen und eine Gesamtnote 1,5 erhalten. Am 15.05.2018 waren auf dem Portal 68 Bewertungen der Arbeit als Zahnarzt öffentlich einsehbar.

Im Zeitraum vom 11.01.2018 bis 18.01.2018 löschte die Beklagte 10 zugunsten des Arztes abgegebene Bewertungen, weil – nach Darstellung der Beklagten – Prüfverfahren über die Validität der Bewertungen negativ verlaufen seien. Am 18.01.2018 waren für den Arzt noch 51 Bewertungen und eine Gesamtnote 1,6 abrufbar. Bis zum Zeitpunkt der Löschung hatten sich die Bewertungen bis zu zwei Jahre unbeanstandet im Bewertungsportal der Beklagten befunden.

Mit anwaltlichem Schreiben ließ der Arzt die Beklagte zur Wiederveröffentlichung der zehn gelöschten Bewertungen auffordern. Die Beklagte lehnte dies ab. Die Angelegenheit ging vor das Gericht.

Wiederherstellung von positiven Bewertungen – wie entscheid das Gericht?

Das Landgericht München I wies die Klage des Zahnarztes ab. Er habe kleinen Anspruch auf Wiederveröffentlichung der gelöschten Nutzerbewertungen.

_ Kein vertraglicher Anspruch auf Wiederveröffentlichung

Der Anspruch auf Wiederveröffentlichung ergebe sich nicht nach §§ 280 Abs. 1, 3, 282, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB aus der Tatsache, dass zwischen klagenden Zahnarzt und der beklagten Betreiberin des Portals „jameda“ ein Vertrag „Premiumpaket Gold“ bestand.

Nach der Leistungsbeschreibung zum „Premiumpaket Gold“ sei der Umgang mit den Bewertungen Dritter explizit aus dem Vertragsverhältnis ausgeklammert worden.

_ Kein unzulässiger Eingriff in den Praxisbetrieb

Der Anspruch auf Wiederveröffentlichung ergebe sich auch nicht aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB. Mit der Löschung der Nutzerbewertungen habe die Beklagte nicht unzulässig in das Recht des Zahnarztes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen.

Vom Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb seien im Falle eines unmittelbaren Eingriffs in ihre Berufstätigkeit auch Angehörige freier Berufe geschützt, die kein eigentliches Gewerbe betreiben, wie etwa Ärzte und Zahnärzte.

Der Schutz des Betriebsinhabers gegen Beeinträchtigungen sei umfassend:

„Er umfasst alles, was in seiner Gesamtheit den Betrieb zur Entfaltung und Betätigung in der Wirtschaft befähigt und damit den wirtschaftlichen Wert des Betriebs als bestehender Einheit ausmacht, also nicht nur den Bestand des Betriebs, sondern beispielsweise auch einzelne Erscheinungsformen, Geschäftsideen und Tätigkeitskreise, Kundenstamm und Geschäftsbeziehungen, Know-how und Goodwill.“

Deshalb seine vom Schutz auch die (positiven) Nutzerbewertungen mit umfasst. Für einen Wiederherstellungsanspruch sei jedoch erforderlich, dass in der Löschung der Bewertungen ein betriebsbezogener Eingriff liege:

„Aber auch wenn das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Grundsatz alles schützt, was der unternehmerischen Betätigung und Entfaltung im Wirtschaftsleben dient, bedarf es zur Eingrenzung des Anspruchs einer Betriebsbezogenheit des Eingriffs, der sich nach seiner objektiven Stoßrichtung gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten muss; erforderlich ist ferner eine Schadensgefahr, die über eine bloße Belästigung oder sozialübliche Behinderung hinausgeht und geeignet ist, den Betrieb in empfindlicher Weise zu beeinträchtigen (vgl. BGH NJW 1998, 2141; BGH NJW 1985, 1620).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind zwar auch die streitgegenständlichen, zugunsten des Klägers abgegebenen Nutzerbewertungen grundsätzlich vom Schutz des klägerischen Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb umfasst, und liegt in der Löschung dieser zehn Bewertungen durch die Beklagte auch ein Eingriff in dieses Recht des Klägers. Mangels Betriebsbezogenheit und Rechtswidrigkeit dieses Eingriffs sowie mangels einer relevanten Schadensgefahr besteht aber kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Wiederveröffentlichung dieser Bewertungen als auf Naturalrestitution gerichteter Schadensersatz.“

Der Kläger trage die Darlegungs- und Beweislast für die Betriebsbezogenheit des Eingriffs. Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass die Löschung der Bewertungen eine Reaktion auf die Vertragskündigung des Klägers gewesen sei und nicht ausschließlich der Qualitätswahrung gedient habe.

Die Beklagte habe im Einzelnen dazu vorgetragen, wie und warum sie zu der Auffassung gelangt sei, dass sie die Validität der streitgegenständlichen Bewertungen nicht gewährleisten könne. Eine Rechtswidrigkeit des Eingriffs folge auch nicht daraus, dass die Beklagte den Kläger vor der Löschung der in Rede stehenden Bewertungen nicht angehört habe.

Welche Auswirkung hat das Urteil auf die Praxis?

Das Landgericht München I erteilt den Anspruch des Arztes auf Wiederherstellung von positiven Bewertungen keine grundsätzliche Absage. Dreh- und Angelpunkt des Anspruches ist die „Betriebsbezogenheit“ der Löschung.

Das Urteil lässt sich insoweit auch auf Bewertungsportale für andere Branchen übertragen. Der Betriebsinhaber trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Betriebsbezogenheit. Darin liegt zugleich die praktische Schwierigkeit, wenn es darum geht, den Anspruch auf Wiederveröffentlichung positiver Bewertungen durchzusetzen.

Hier bleiben freilich am Ende Zweifel bestehen: Es fällt schon auf, dass die Beklagte Portalbetreiberin mit ihren eigenen Qualitätsansprüchen, was den Aussagegehalt der veröffentlichten Bewertungen angeht, bis zu zwei Jahre benötigte, um Zweifel an der Validität der einzelnen Bewertungen zu entwickeln und diesen Zweifeln nachzugehen – und dass diese Zweifel zeitlich Just mit der Vertragskündigung des Zahnarztes zusammen fielen. Vielleicht war es am Ende alles wirklich nur ein Zufall.

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