Urteil: Kein Gewährleistungsausschluss bei Beschaffenheitsvereinbarung

Kein Haftungsausschluss bei Beschaffenheitsvereinbarung durch eine Verkaufsanzeige in Internet und nachfolgende Verhandlungen der Parteien – das Landgericht Saarbrücken entschied mit Urteil vom 14.08.2015, Az. 10 S 174/14: Preist der Verkäufer in einer Verkaufsanzeige an, dass das angebotene Fahrzeug über eine Standheizung verfüge und erklärt der Verkäufer auf Frage des Käufers, dass er die funktionierende Standheizung vor zwei bis drei Wochen ausprobiert habe, haben die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich der Standheizung getroffen. Der Verkäufer muss für Fehler der Standheizung auch dann einstehen, wenn der Kaufvertrag einen pauschalen Haftungsausschluss enthält.

Was war geschehen?

Der spätere Beklagte bot seinen PKW über ein Inserat auf einer Internet-Handelsplattform zum Verkauf an. Dort führte er in der Fahrzeugbeschreibung unter anderem eine Standheizung mit Fernbedienung auf.

Der spätere Kläger nahm mit dem Verkäufer telefonisch Kontakt auf, teilte mit, er werde das Fahrzeug nehmen, und leistete eine Anzahlung in Höhe von 10.000 €. Wie es die Parteien weiter vereinbart hatten, holte der spätere Kläger das Fahrzeug dann am Wohnort des Beklagten ab. Die Parteien erstellten dort einen schriftlichen Formular-Kaufvertrag, der unter anderem die Klausel

„Das Fahrzeug wird unter Ausschluss der Sachmängelhaftung verkauft, soweit nicht nachfolgend eine Garantie übernommen wird. Dieser Ausschluss gilt nicht für Schadensersatzansprüche aus Sachmängelhaftung, die auf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verletzung von Pflichten des Verkäufers beruhen (…)“

enthielt.

Sowohl am Telefon als auch bei der Besichtigung des Fahrzeugs fragte der spätere Kläger den Verkäufer mehrfach, ob die Standheizung funktioniere. Er wies darauf hin, dass er regelmäßig zum Skifahren fahre und deshalb die Standheizung benötige. Der Beklagte erklärte bei Übergabe des Fahrzeugs ausdrücklich, er habe die Standheizung etwa 2 bis 3 Wochen vorher ausprobiert. Die Standheizung habe dabei funktioniert. Seitdem sei das Fahrzeug nicht mehr bewegt worden.

Sechs Tage nach Übergabe des Fahrzeugs teilte der Käufer mit, die Standheizung funktioniere nicht und das Fahrzeug sei zweimal nicht angesprungen. Eine nachfolgende Überprüfung des Fahrzeugs in einer Fachwerkstatt ergab, dass die eingebaute Webasto-Standheizung defekt war.

Wie entscheid das Landgericht Saarbrücken über den Gewährleistungsausschluss?

Es sei davon auszugehen, dass die Parteien hinsichtlich der Funktionsfähigkeit der Standheizung eine Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 S. 1 BGB getroffen hätten. Diese Beschaffenheitsvereinbarung werde von dem formularvertraglichen Gewährleistungsausschluss nicht erfasst.

Das Gericht ließ dabei offen, ob bereits der Text des Online-Inserates zu einer Beschaffenheitsvereinbarung führte:

„Ob im vorliegenden Fall die Funktionsfähigkeit der Standheizung schon dadurch vereinbart worden ist, dass der Beklagte bei Inserierung des Fahrzeugs angegeben hat, das Fahrzeug verfüge über eine Standheizung mit Fernbedienung (für eine Beschaffenheitsvereinbarung durch die Beschreibung eines im Rahmen einer …-Versteigerung angenommenen Internetangebots vgl. KG Berlin, Urteil vom 17. Juni 2011 – 7 U 179/10 –, NJW-RR 2012, 290), bedarf im Ergebnis keiner abschließenden Entscheidung.“

Zumindest durch die nachfolgenden Gespräche habe der beklagte Verkäufer mit dem Käufer eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen:

„Denn jedenfalls hat der Kläger unstreitig den Beklagten mehrfach – bei dem telefonischen Kontakt als auch bei der Besichtigung des Fahrzeugs – gefragt, ob die Standheizung funktioniere, und auch erklärt, dass er regelmäßig zum Skifahren fahre und deshalb die Standheizung benötige. Der Beklagte hat, wie er selbst seiner informatorischen Befragung angegeben hat, bei Übergabe des Fahrzeugs ausdrücklich erklärt, er habe die Standheizung etwa 2 bis 3 Wochen vorher ausprobiert und da habe sie funktioniert; seitdem sei das Fahrzeug nicht mehr bewegt worden. Damit sind zwar, wie oben ausgeführt, die engen Voraussetzungen einer Beschaffenheitsgarantie nicht erfüllt. Allerdings hat der Beklagte ausdrücklich erklärt, dass die Standheizung funktioniert habe, wobei es ihm durch das mehrfache Nachfragen des Klägers bewusst sein musste, dass die Frage der Standheizung von besonderer Bedeutung für die Kaufentscheidung des Klägers war. Unter diesen Umständen ist nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont in der Erklärung des Beklagten, er habe die Standheizung ausprobiert und sie habe dabei funktioniert, nicht mehr nur von einer bloßen Wissenserklärung, sondern von einer Beschaffenheitsvereinbarung auszugehen.“

Welche Auswirkung hat das Urteil des Landgerichts Saarbrücken auf die Praxis?

Wie bereits andere gerichtliche Entscheidungen zuvor zeigt auch dieses Urteil, dass Zustandsbeschreibungen in einem Online-Verkaufsangebot rasch eine Beschaffenheitsvereinbarung nach sich ziehen können, die einen formularmäßigen Gewährleistungsausschluss im Kaufvertragsdokument verdrängt.

So entschied beispielsweise das Landgericht Krefeld mit Urteil vom 24.11.2007, 1 O 44/07, dass ein ausdrücklicher Gewährleistungsausschluss bei einem Privatkauf in einer eBay-Auktion nicht die zugesicherten Eigenschaften – hier die Angaben zum Goldgehalt einer Medaille von Albrecht Dürer – erfasst.

Zum Autokauf entschied das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 12.05.2009, 28 O 42/09, dass ein Haftungsausschluss bei einem als „fahrbereit“ bezeichneten Auto im Rahmen eines eBay-Angebots nicht möglich ist.

Das Kammergericht Berlin entschied mit Urteil vom 17.06.2011, 7 U 179/10, dass ein Gewährleistungsausschluss nicht geltend gemacht werden kann, wenn das Fahrzeug erhebliche Mängel aufweist, aber als „scheckheftgepflegt“ beschrieben wurde.

Der Bundesgerichtshof schließlich entschied mit Urteil vom 28.03.2012, VIII ZR 244/10, dass aus einem geringen Startpreis – hier: 1 € für ein Vertu-Handy – bei einer Internetauktion keine Rückschlüsse auf den Wert des Versteigerungsobjekts gezogen werden können; ob und mit welchem Inhalt bei einer Internetauktion durch die Angebotsbeschreibung des Anbieters eine Beschaffenheitsvereinbarung zustande kommt, ist demnach unter umfassender Würdigung der abgegebenen Willenserklärungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.

Also: Augen auf bei der Erstellung der Produktbeschreibung – Vorsicht mit vorschnellen, all zu blumigen Zustandsbeschreibungen, die sich später möglicherweise als Gewährleistungsfalle entpuppen.