LG Bochum: DSGVO-Verstoß ist kein Wettbewerbsverstoß

Datenschutzrecht und Wettbewerbsrecht – sind die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Marktverhaltensregeln im Sinne des UWG? Das Landgericht Bochum entschied mit Urteil vom 07.08.2018, Az. I-12 O 85/18 (ECLI:DE:LGBO:2018:0807.I12O85.18.00): Ein Verstoß gegen die Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO hat nicht zur Folge, dass einem Mitbewerber deswegen ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch zusteht.

Was war geschehen?

Beide Parteien sind Online-Händler. Sie vertreiben Druckerzeugnisse, Autokleber, Textilien, Bürobedarf und Werbemittel an Verbraucher. Der spätere Verfügungskläger mahnte seinen Mitbewerber ab, weil in dessen Webshop der Link auf die OS-Plattform fehlte und die AGB diverse unzulässige Klauseln enthielten. Im Verfahren vor dem Landgericht Bochum machte der Verfügungskläger zusätzlich einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch als Mitbewerber geltend, weil das Online-Angebot seines Mitbewerbers keine Datenschutzerklärung mit den Informationen nach Art. 13 DSGVO enthielt.

Wie entschied das Landgericht Bochum?

Im Hinblick auf den fehlenden Link auf die OS-Plattform und die unzulässigen AGB-Klauseln gab das Landgericht Bochum dem Verfügungskläger Recht. Den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen der fehlenden datenschutzrechtlichen Informationen aber verneinte das Gericht:

„Keinen Erfolg hatte der Antrag hingegen, soweit ein Verstoß gegen Artikel 13 der Datenschutzgrundverordnung geltend gemacht wird. Denn dem Verfügungskläger steht ein solcher nicht zu, weil die Datenschutzgrundverordnung in den Artikeln 77 bis 84 eine die Ansprüche von Mitbewerbern ausschließende, abschließende Regelung enthält. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass diese Frage in der Literatur umstritten ist und die Meinungsbildung noch im Fluss ist. Die Kammer in ihrer derzeitigen Besetzung schließt sich der besonders von Köhler (ZD 2018, 337 sowie in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 3 a Rn. 1.40 a und 1.74 b, im Ergebnis auch Barth WRP 2018, 790; anderer Ansicht Wolff, ZD 2018, 248) vertretenen Auffassung an. Dafür spricht insbesondere, dass die Datenschutzgrundverordnung eine detaillierte Regelung des anspruchsberechtigten Personenkreises enthält. Danach steht nicht jedem Verband ein Recht zur Wahrnehmung der Rechte einer betroffenen Person zu, sondern nur bestimmten Einrichtungen, Organisationen und Vereinigungen ohne Gewinnerzielungsabsicht unter weiteren Voraussetzungen. Hieraus ist zu schließen, dass der Unionsgesetzgeber eine Erstreckung auf Mitbewerber des Verletzers nicht zulassen wollte (Köhler, ZD 2018, 337, 338). Wegen der weiteren Einzelheiten der Argumentation kann auf die zitierten Literaturstellen Bezug genommen werden.“

Welche Auswirkungen hat das Urteil auf die Praxis im Wettbewerbsrecht?

Das Landgericht Würzburg entschied einen guten Monat später ganz anders als das Landgericht Bochum – mit Beschluss vom 13.09.2018, Az. 11 O 1741/18 UWG, entschieden die bayerischen Richter: Eine Website, deren Datenschutzerklärung nicht den Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entspricht, ist wettbewerbswidrig. Die Vorschriften der DSGVO zur Datenschutzerklärung sind Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG.

In der juristischen Literatur ist die Frage derzeit heftig umstritten, ob die Pflicht aus dem Datenschutzrecht, eine rechtskonforme Datenschutzerklärung anzubieten, nach dem Inkrafttreten der DSGVO am 25.05.2018 weiterhin eine Marktverhaltensregelung im Sinne des Wettbewerbsrechts ist, die auch einzelnen Mitbewerbern das Recht gibt, Verstöße abzumahnen. Das Landgericht Würzburg erklärte in seiner Entscheidung vom September 2018 ohne jede weitere Auseinandersetzung vor allem mit der aktuellen Literatur zwei ältere Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamburg und Köln als weiterhin anwendbar. Das Landgericht Bochum hingegen stützt seine entgegengesetzte Ansicht auf den führenden Kommentar zum Wettbewerbsrecht.

Möglicherweise wird die Frage im Sinne des Landgerichts Bochum alsbald durch den Gesetzgeber geklärt:

Die bayerische Staatsregierung brachte im Bundesrat am 26.06.2018 einen Gesetzesantrag ein, wonach das Datenschutzrecht ausdrücklich und generell aus dem Anwendungsbereich des UWG herausgenommen werden soll. Verstöße gegen die DSGVO sollen also nicht auch aufgrund des UWG verfolgt werden können.

Für die 971. Sitzung des Bundesrates am 19.10.2018 haben dessen Ausschuss für innere Angelegenheiten und dessen Wirtschaftsausschuss mit Bundesrats-Drucksache Blick auf den Entwurf eines Zweiten Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz (2. DSAnpUG-EU) die Klarstellung empfohlen, dass Vorschriften der DSGVO keine Vorschriften im Sinne von § 3a UWG darstellen.

Eine baldige Klärung der Frage, sei es durch den BGH, sei es durch den Gesetzgeber, wäre jedenfalls wünschenswert.

Aber: An der Pflicht nach Art. 13 DSGVO, als Website-Betreiber oder bei der Offline-Verarbeitung personenbezogener Daten eine Datenschutzerklärung anzubieten, ändert sich so oder so nichts. Lediglich die möglichen Folgen nach einem Verstoß gegen diese Pflicht sind bis auf weiteres unklar.

 

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