EuGH-Urteil: Framing, Digital Rights Management und Urheberrecht

Einbettung urheberechtlich geschützter Bilder in eine Website mittels Framing und Zustimmung des Rechteinhabers – der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entscheid mit Urteil vom 09.03.2021, C-392/19: Gegen Urheberrecht wird verstoßen, wenn fremde Inhalte mittels Framing in eine Website eingebunden werden und dabei technische Schutzmaßnahmen (Digital Rights Management; DRM) umgangen werden, die der Urheberrechtsinhaber auf seiner Website gegen Framing einsetzt.

Sachverhalt: Worum geht es?

Zugrunde liegt der vom Bundesgerichtshof (BGH) am 25.04.2019 im Verfahren „Deutsche Digitale Bibliothek“, Az. I ZR 113/18 erlassene Vorlagebeschluss.

Parteien sind die Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Klägerin und die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst (VG Bild-Kunst) als Beklagte.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz betreibt die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB). Diese soll als „digitales Schaufenster“ eine Online-Plattform für Kultur und Wissen sein. Über Links sollen digitalisierte Inhalte abrufbar gemacht werden, die in den Webportalen verschiedener anderer deutscher Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen abgespeichert sind.

Dazu sollen in der DBB Vorschaubilder (Thumbnails) dieser digitalisierten Inhalte gespeichert werden, d. h. verkleinerte Versionen der Original-Bilddateien. Klickt der Nutzer eines dieser Vorschaubilder an, gelangt er auf die entsprechende Objektseite der DDB, die eine vergrößerte Version des Vorschaubildes mit einer Auflösung von 440 x 330 Pixel enthält. Bei Anklicken dieses vergrößerten Vorschaubildes oder Nutzung der Lupenfunktion zeigt sich in einem Fenster im Vordergrund (Lightbox) eine weiter vergrößerte Abbildung dieses Vorschaubildes mit einer maximalen Auflösung von 800 x  600 Pixel. Im Übrigen wird die Schaltfläche „Objekt beim Datengeber anzeigen“ direkt auf die Internetseite der zuliefernden Einrichtung – teils auf deren Startseite, teils auf die Objektseite – verlinkt.

Die Bilder sind zum Teil urheberrechtlich geschützt. Um die Thumbnails in der Deutschen Digitalen Bibliothek anbieten zu können, will die Stiftung Preußischer Kulturbesitz einen Lizenzvertrag mit der VG Bild-Kunst abschließen.

Die VG Bild-Kunst macht den Abschluss eines solchen Lizenzvertrags davon abhängig, dass eine Bestimmung in den Vertrag aufgenommen wird, wonach sich die Stiftung als Lizenznehmerin verpflichtet, bei der Nutzung der Werke wirksame technische Maßnahmen gegen Framing zu implementieren: Verhindert werden soll, dass andere Websitebetreiber die in der DDB angezeigten Vorschaubilder mittels Framing in ihren eigenen Seiten anzeigen.

Prozess vor Berliner Gerichten

Die Stiftung hielt eine solche Vertragsbedingung für unangemessen. Sie erhob vor dem Landgericht Berlin Klage auf Feststellung, dass die VG Bild-Kunst verpflichtet ist, der Stiftung diese Lizenz zu erteilen, ohne dabei technische Maßnahmen gegen Framing zu verlangen.

Das Landgericht Berlin wies die Klage mit Urteil vom 25.07.2017, Az. 15 O 251/16, ab. Hiergegen legte die Stiftung Berufung zum Kammergericht Berlin ein. Das Kammergericht entschied mit Berufungsurteil vom 18.06.2018, Az. 24 U 146/17 zugunsten der Stiftung und hob das Urteil des Landgerichts auf. Nun legte die VG Bild-Kunst Revision zum Bundesgerichtshof ein. Mit ihrer Revision verfolgt ihren auf Abweisung der Klage der SPK gerichteten Antrag weiter.

Vorlage des BGH zum EuGH

Der Lizenzvertrag zwischen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der VG Bild-Kunst beurteilt sich grundsätzlich nach deutschem Recht. Damit beurteilt sich auch die Frage, ob die VG Bild-Kunst berechtigt ist, in einem Lizenzvertrag von der Stiftung technische Schutzmaßnahmen gegen Framing zu verlangen, nach deutschem Recht. Hierfür aber ist der EuGH nicht zuständig – ob das deutsche Urheberrecht und das deutsche Zivilrecht auf Seiten der Stiftung oder auf Seiten der VG Bild-Kunst ist, muss der BGH entscheiden.

Also formulierte der BGH seine durch den Hintereingang: Liegt eine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG (Urheberrechtsrichtlinie 2001)vor, wenn Framing erfolgt, obwohl der Urheber beschränkende Maßnahmen dagegen getroffen oder veranlasst hat? Wenn es sich bei der Einbettung mittels Framing um eine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Richtlinie handelt, könnte es sich zugleich um eine Urheberrechtsverletzung im Sinne des deutschen UrhG handeln.

Ergebnis: Wie entschied der EuGH?

Der EuGH bejaht hat die Vorlagefrage des BGH:

Werden Inhalte mittels Framing in eine Website eingebettet, liege hierin eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne der Urheberrechtsrichtlinie 2001.

Diese Wiedergabehandlung sei aber im Sinne der Urheberrechtsrichtlinie aber nicht relevant, solange das Framing nach demselben technischen Verfahren erfolgt wie beim Zugänglichmachen des ursprünglichen Inhalts. In diesem Fall sei davon auszugehen ist, dass der Rechteinhaber seine Zustimmung für eine öffentliche Wiedergabe beim ursprünglichen Veröffentlichen des Werks bereits erteilt hat und deshalb kein „neues Publikum“ angesprochen wird.

Anders verhalte es sich, wenn der Urheber oder Verwerter auf der Ursprungsseite beschränkende Maßnahmen getroffen oder veranlasst hat. Durch DRM bringe er zum Ausdruck, dass eine freie öffentliche Wiedergabe der Werke durch Dritte nicht erwünscht sei. In diesem Fall stelle das Einbetten eines Werks in eine Webseite eines Dritten per Framing eine „Zugänglichmachung dieses Werks für ein neues Publikum“ dar.

Auswirkung auf die Praxis

Nur auf den ersten Blick liegt in dem Urteil „VG Bild-Kunst“ vom 09.03.2021 ein Widerspruch zur framing-freundlichen „BestWater“-Entscheidung des EuGH (Beschluss vom 21.10.2014, C-348/13). Bereits dort vertrat der EuGH die Auffassung, Framing stelle dann keine öffentliche Wiedergabe dar, wenn weder ein neues Publikum erschlossen noch eine neue Technik verwendet wird. Im Umkehrschluss enthielt also bereits die „BestWater“-Entscheidung den Hinweis, dass eine andere rechtliche Bewertung geboten sei, sobald ein urheberrechtlich geschütztes Werk zusätzlichem Publikum zugänglich gemacht wird oder dies mit neuer Technik – zu verstehen wohl nicht als neu erfundene Technik, sondern lediglich als ein anderes als das bisher eingesetzte technische Verfahren – geschieht. Umgehung von vorhandenen technischen Schutzmaßnahmen – neue Technik. Zusätzliches Publikum, das durch die Schutzmaßnahmen bisher ausgeschlossen war – neues Publikum.

Das Urteil „VG Bild-Kunst“ ist nur die andere Seite derselben Medaille. Es berücksichtigt die wirtschaftlichen und ideellen Interessen von all denen, die fotografieren, malen, schreiben, komponieren oder sonst gestalterisch tätig sind, und durch den Verkauf ihrer Werke und Lizenzen hieran ihren Lebensunterhalt verdienen. Genauso gibt es denjenigen das notwenige Gewicht, die in Lizenzen und damit verbundene Nutzungsrechte investieren und wirtschaftliche Risiken auf sich nehmen. Indem sie DRM-Technik einsetzen können sie alle am Ende auch der feineren Sorte der Trittbrettfahrer einen Riegel vorschieben, die sich eigene Investitionen in eigene Inhalte nicht plump durch copy and paste erspart, sondern subtiler durch Framing attraktiver fremder Inhalte.

 

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