Debcon: Filesharing-Inkasso für RGF Filmvertrieb

Filesharing-Inkasso und für die RGF Filmvertrieb UG – das Inkassounternehmen Debcon GmbH aus Bottrop erteilt in seiner aktuellen Zahlungsaufforderung nicht zum ersten mal bemerkenswerte rechtliche Hinweise, die nach Überprüfung rufen.

Zahlungsaufforderung von Debcon – worum geht es?

Debcon macht für die RGF Filmvertrieb UG Schadensersatzansprüche, den Ersatz von Abmahnkosten, Ermittlungskosten, weitere Verfahrenskosten, die Kosten der Providerauskunft sowie Zinsen geltend. Zugrunde liegt jeweils ein Abmahnschreiben von Rechtsanwalt Rainer Munderloh aus Oldenburg. Die jeweils abgemahnten Anschlussinhaber sollen jeweils über ihren Internet-Anschluss Pornofilme aus dem Programm der RGF Productions Limited über eine P2P-Internet-Tauschbörse heruntergeladen und zugänglich gemacht haben.

Rechtsausführungen von Debcon – „Tauschbörse“-Urteile und mehr

Wie schon häufig gesehen, erteilt Debcon den Empfängern umfangreiche rechtliche Hinweise via Textbaustein – wie ebenfalls schon häufig gesehen, entsprechen diese rechtlichen Hinweise nicht unbedingt der tatsächlichen Rechtslage.

„Die drei, Ihnen sicherlich nicht unbekannten, höchstrichterlichen Urteile des Bundesgerichtshofes (I ZR 19/14, I ZR 21/14 und I ZR 75/14) und die damit verbundenen aktuell veröffentlichten Kommentare geben uns Rechts- und Investitionssicherheit, da das Prozessrisiko nunmehr alleinig bei Ihnen liegt.“

Nun gut. Das mag man so sehen – wenn man unbedingt will. Dass der Bundesgerichtshof in seinem Urteil „Tauschbörse III“ vom 11.06.2015 nochmals ausdrücklich festgestellt hat, dass in einem Filesharing-Prozess die Klägerpartei nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller die darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs (unter anderem) auf Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind, und es grundsätzlich die Sache der Klägerpartei ist, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte Anschlussinhaber für die von der Klägerpartei behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist – kleines Detail am Rande.

Es kommt noch besser – Debcon schreibt weiter:

„Wenn nicht sie selbst die Rechtsgutverletzung begangen haben, sondern ein Dritter zum Tatzeitpunkt Zugang zum Internet hatte, so haben sie jetzt letztmalig mit Verweis auf oben genannte Urteile die Möglichkeit, einen akribisch detaillierten Vortrag – einschließlich Namen und ladungsfähige Anschrift – hinsichtlich Nutzung sämtlicher Personen Ihres Internetanschlusses zum Tatzeitpunkt zu leisten. Wollen oder können Sie diese nicht leisten, so haften sie in vollem Umfang. Ein Vortrag während und/oder erst bei zivilgerichtlichen Auseinandersetzung wird als zu spät gerügt und die mit dem Hinhalten verbundenen Kosten sind auf jeden Fall von Ihnen zu erstatten.“

Eine vorgerichtliche Verpflichtung des Anschlussinhabers, sämtliche anderen Internet-Mitbenutzer mit Namen und Adresse zu benennen, und zwar wirklich alle, und nicht nur den Täter – interessant: Debcon gewährt Einblick in deren Welt der Wünsche.

Aktivlegitimation?

Wie schon geschrieben, hatte die Angelegenheit jeweils ihren Ausgang in einer Filesharing-Abmahnung von Rechtsanwalt Rainer Munderloh für die RGF Productions Limited. Dieses Unternehmen ist aber seit dem 06.05.2015 erloschen. Sind die Forderungen der RGF Productions Limited auf die RGF Filmvertrieb UG übergegangen? Das ist schnell behauptet – aber deswegen noch lange nicht nachgewiesen.

Pornofilm als urheberrechtlich geschütztes Filmwerk?

Das Landgericht München I entschied mit Beschluss vom 29.05.2013, Az. 7 O 22293/12 in Bezug auf einen Pornofilm eines anderen Filmvertriebes unter anderem:

„Die Antragstellerin hat die Schutzfähigkeit des Films (…) lediglich pauschal behauptet. Auch auf den substantiierten Sachvortrag des Beteiligten (…) hat sie nicht erwidert. Die Kammer unterstellt daher, dass dessen Sachvortrag zutrifft und der 7 Minuten und 43 Sekunden lange Film lediglich sexuelle Vorgänge in primitiver Weise zeigt (…). Hierfür kann kein Schutz als Filmwerk (§ 94 UrhG) beansprucht werden: Es fehlt offensichtlich an einer persönlichen geistigen Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG).
Auch ein – gar nicht geltend gemachter – subsidiärer Schutz als Laufbilder (§ 95 UrhG) scheidet vorliegend aus: Laufbilderschutz nach §§ 94, 95, 128 Abs. 2, 126 Abs. 2 UrhG kommt dann in Betracht, wenn ein Ersterscheinen der Laufbilder in Deutschland bzw. bei einem Ersterscheinen im Ausland ein Nacherscheinen in Deutschland innerhalb von 30 Tagen dargetan ist.“

Und an anderer Stelle:

„Mangels substantiiertem Vortrag der Antragstellerin ist davon auszugehen, dass es sich auch bei diesem Film mit einer Lauflänge von 19 Minuten und 34 Sekunden, wie vom Beteiligten … vorgetragen, um reine Pornografie handelt, die keinen Schutz als Filmwerk für sich beanspruchen kann.“

Übersetzt vom Juristen-Deutsch in normales Deutsch: Das Gericht unterstellte lediglich den primitiven Charakter des Films, ohne ihn angesehen zu haben. Es wäre Sache des Filmvertreibers gewesen, darzustellen, warum der Film angeblich eine Handlung hatte und nicht nur primitives Gerammel zeigte.

Zurück zur Debcon-Zahlungsaufforderung. In den Abmahnschreiben der Kanzlei Munderloh wurde der Lizenzschaden ausdrücklich mit der Begründung berechnet, es handele sich um ein Filmwerk. Man kann wohl sagen: wenn ein Pornofilm keinen Werkscharakter im Sinne des Urheberrechts hat, dann kann auch der Lizenzschaden nicht so hoch sein. Man muss ja nicht gleich so weit gehen wie das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt in seinem Urteil vom 13.08.2015, Aktenzeichen 8 C 1023/15, das für einen Pornofilm mit einem Ladenpreis von 14,99 € einen Lizenzschaden von lediglich 2,04 € in Erwägung zog…

Beweisverwertungsverbot?

Gleich in doppelter Hinsicht stellt sich bei den vorliegenden Debcon-Zahlungsaufforderungen die Frage nach einem Beweisverwertungsverbot.

Auch wenn es Debcon mit den eigenen Rechtsausführungen vielleicht anders glauben machen will: den Beweis, dass es in technischer Hinsicht tatsächlich über den Internet-Anschluss des angeblichen Schuldners zu der Rechtsverletzung gekommen ist, hat ausschließlich die Anspruchsteller zu erbringen – hier die durch Debcon vertretene RGF Filmvertrieb UG. Um diesen Beweis führen zu können, muss die Anspruchsteller auf die Auskunft des Internet-Providers zurückgreifen, dass die IP-Adresse, über die via Filesharing-Tauschbörse gegen das Urheberrecht verstoßen worden sein soll, zum angegebenen Zeitpunkt tatsächlich dem späteren Abmahnungsempfänger zugeordnet war.

_ Beweisverwertungsverbot 1: Unzulässigkeit des Gestattungsbeschlusses bei einem Porno

Das Landgericht München I in seinem Beschluss vom 29.05.2013:

„Die beiden statthaften Beschwerden sind begründet. Der Gestattungsbeschluss ist zu Unrecht ergangen.
(…)
Die Beschwerden sind bereits deswegen begründet, weil es der Antragstellerin bis heute nicht gelungen ist, die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen urheberrechtlichen Schutzes für die beiden Filme in der Bundesrepublik Deutschland glaubhaft zu machen.“

Der urheberrechtliche Schutz schied in diesem Verfahren deshalb aus, weil es der Antragstellerin weder gelungen war, den Werkcharakter des Pornofilms nachzuweisen, noch die Voraussetzungen für einen urheberrechtlichen Schutz des Pornofilms als Laufbilder darzulegen.

_ Beweisverwertungsverbot 2: Reseller-Auskunft

Bemerkenswert in der Abmahnung der Kanzlei Munderloh:

An dem Gestattungsbeschluss war lediglich die Deutsche Telekom AG als Netzbetreiberin beteiligt. Die Auskunft, dass die IP-Adresse zum angeblichen Tatzeitpunkt im späteren Abmahnungsempfänger zugeteilt war, erteilte aber, so die Darstellung in der Abmahnung, nicht die Deutsche Telekom AG selbst, sondern ein Reseller, bei dem der Abmahnungsempfänger Kunde war und über den der Internetvertrag lief. Dieser Reseller aber wurde in dem Gestattungsbeschluss überhaupt nicht erwähnt und war an dem Gestattungsverfahren auch sonst nicht als Partei beteiligt.

Eine ganze Reihe von Gerichten entschied in der jüngeren Zeit, in einem solchen Fall könne die Providerauskunft nicht verwertet werden, weil sie wegen der fehlenden Beteiligung des Reseller gegen das Datenschutzrecht verstoße, die Auskunft rechtswidrig sei und der Auskunft deswegen ein prozessuales Beweisverwertungsverbot entgegen stehe.

Filesharing-Zahlungsaufforderung von Debcon – was tun?

Verkehrt wäre es sicherlich, die Zahlungsaufforderung von Debcon unbeachtet zu lassen und nicht weiter darauf zu reagieren – die Zahlungsaufforderung ist kein Bluff.

Damit die weitere Rechtsverteidigung gegen die Debcon-Zahlungsaufforderung Aussicht auf Erfolg haben kann, gilt es, den genauen Sachverhalt festzustellen und die weiteren Einwendungen vorzubereiten. Mit welchem Unternehmen war zudem in der Abmahnung angegebenen Zeitpunkt überhaupt der Internetvertrag geschlossen – mit dem Netzbetreiber selbst oder mit einem Reseller? Wer kommt als Täter in Betracht, und wer kann es bestimmt nicht gewesen sein? War das WLAN ausreichend abgesichert? Waren vielleicht Gäste zu Besuch, die über das eigene WLAN online gehen durften?

Dann heißt es, die formal-juristischen Einwendungen vorzubereiten.

Nichtstun wäre verkehrt. Kaltblütigkeit und strukturierte Rechtsverteidigung sind der Schlüssel zum Erfolg. So aussichtslos, wie Debcon es behauptet, ist die Angelegenheit nämlich nicht.

 

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