Internet-Kriminalität, Strafurteil und Einziehung von Computer-Hardware – Standardsituation im IT-Strafrecht: Nach der Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Tat tatsächlich begangen hat, zum Beispiel kinderpornografisches Material besessen hat, einen Fake-Webshop betrieben hat oder gegen Urheberrecht verstoßen hat. Bereits im vorangegangenen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurden der Computer des Beschuldigten und andere Hardware beschlagnahmt. Nach dem Willen des Gerichts und auch der Staatsanwaltschaft soll nun die beschlagnahmte Hardware eingezogen werden – der Verurteilte soll seinen Computer, sein Tablet, sein Smartphone nicht mehr zurück bekommen. Zu Recht?
Inhalt
Einziehung der Hardware: Zusätzliche finanzielle Belastung
Aus der Sicht des verurteilten Täters ist die Einziehung der Hardware ist eine zusätzliche finanzielle Belastung: Zu der Geldstrafe, zu der er verurteilt wurde, zu der Geldbuße, die ihm auferlegt wurde, zu den Kosten des Gerichtsverfahrens und den Kosten des eigenen Verteidigers kommt nun noch ein weiterer finanzieller Verlust dazu, ausgelöst durch die Notwendigkeit, einen neuen Computer, neue Hardware, beschaffen zu müssen.
Die Einziehung ist in § 74 StGB geregelt:
„Ist eine vorsätzliche Straftat begangen worden, so können Gegenstände, die durch sie hervorgebracht oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind, eingezogen werden.“
Die Gegenstände „können eingezogen“ werden, nicht „sind einzuziehen“ – es handelt sich also um eine Ermessensentscheidung.
Gesetzliche Vorgabe: Verhältnismäßigkeit
Wie das Gericht sein Ermessen auszuüben hat, bestimmt § 74b StGB: Danach darf die Einziehung nicht unverhältnismäßig sein. Insbesondere, so die eindeutige Vorgabe von § 74b Abs. 2 StGB, ist zu überprüfen, ob eine weniger einschneidende Maßnahme in Betracht kommt. Das Gesetz gibt hier als Beispiele unter anderem die Möglichkeiten vor, die Gegenstände unbrauchbar zu machen oder – abstraktes Juristendeutsch! – „an den Gegenständen bestimmte Einrichtungen oder Kennzeichen zu beseitigen oder Gegenstände sonst zu ändern“.
Hier kann der Verteidiger eines wegen Internet-Kriminalität verurteilten Mandanten ansetzen.
Speziell zum Fall der Kinderpornographie entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 08.02.2012, Az. 4 StR 657/11:
„Wurde das Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften (…) durch das Herunterladen und Abspeichern von Bilddateien auf einem Computer begangen, unterliegt daher lediglich die als Speichermedium verwendete Festplatte der Einziehung nach § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB. Dagegen ist eine Einziehung des für den Lade- und Speichervorgang verwendeten Computers nebst Zubehör nur nach § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB als Tatwerkzeug möglich (BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 612/11; Beschluss vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69 Rn. 2 a. E.; Laufhütte/Roggenbuck in LK-StGB, 12. Aufl., § 184b Rn. 20). Die Entscheidung steht dabei im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters.“
Wegen der Verhältnismäßigkeit, so der BGH weiter, sei auch bei einer auf § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB gestützten Einziehung von den Möglichkeiten des § 74b Abs. 2 StGB Gebrauch zu machen:
„Danach hat der Tatrichter anzuordnen, dass die Einziehung zunächst vorbehalten bleibt und weniger einschneidende Maßnahmen zu treffen sind, wenn auch auf diese Weise der Einziehungszweck erreicht werden kann. Dies könnte hier durch eine endgültige Löschung der inkriminierten Bilddateien geschehen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 612/11; Laufhütte/Roggenbuck in LK-StGB, 12. Aufl., § 184b Rn. 20).“
Einziehung von Computer-Hardware: Zwei Bedingungen
Der Beschluss des BGH vom 08.02.2012 enthält also für die Einziehung von Computer-Hardware wegen Internet-Kriminalität zwei Bedingungen, die das Gericht beachten muss:
_ Auswahl der einzuziehenden Hardware
Nicht die gesamte Hardware unterliegt der Einziehung, sondern lediglich dasjenige Speichermedium, diejenige Festplatte, auf der sich die tatrelevanten Dateien befunden haben.
Tastatur und Bildschirm dürfen hiernach also nicht ohne weiteres eingezogen werden.
Bei einem Laptop, aber auch bei einem Desktop-Rechner, ist zu klären, ob es ausreicht, nur die vorhandene Festplatte auszubauen, so dass der Verurteilte den Rechner weiter verwenden kann und nur eine neue Festplatte einbauen muss.
_ Alternative zur Einziehung
Aber auch die Festplatte selbst muss nicht eingezogen werden, sondern kann gegebenenfalls dem Beschuldigten zurückgegeben werden – wenn es nämlich möglich ist, die Dateien so zu löschen, dass sie nicht wiederhergestellt werden können, und zwar auch nicht unter Einsatz spezieller Wiederherstellungs-Programme. Hier sind, so die Schlussfolgerung aus der BGH-Entscheidung, die Gerichte zu einer differenzierten Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls verpflichtet.
Aufgabe des Verteidigers ist es, darauf hinzuarbeiten, dass das Gericht zugunsten seines Mandanten eine solche differenzierte Betrachtung anstellt. Aufgabe des Strafverteidigers ist es also, dafür zu sorgen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird, wenn Hardware eingezogen werden soll.
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