Defekter Festnetzanschluss in der Mietwohnung – der Bundesgerichtshof (BGH) entschied mit Urteil vom 05.12.2018, Az. VIII ZR 17/18: Der Vermieter ist verpflichtet, den defekten Festnetz-Telefonanschluss in der Wohnung reparieren zu lassen. Die Instandhaltung ist nicht Aufgabe der Mieter.
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Sachverhalt – defekter Telefonanschluss in der Mietwohnung
Die Klägerin ist Mieterin einer Wohnung, die sich in einem Mehrfamilienhaus des Beklagten befindet. Diese Wohnung ist mit einem Festnetzanschluss für Telefon und Internet ausgestattet. Ursprünglich konnte die Mieterin über den Anschluss telefonieren und ins Internet gehen. Später kam zu einem Defekt an dieser Leitung. Dies teilte die Mieterin ihrem Vermieter im Jahr 2015 mit. Sie forderte ihn erfolglos auf, die Telefonleitung zwischen dem Hausanschluss und der Telefondose ihrer Wohnung zu reparieren.
Der Telekommunikationsanbieter teilte der Mieterin nach einer Überprüfung mit, an der Zuleitung vom Hausanschluss zur Wohnung sei ein Defekt aufgetreten; das Kabel müsse vom Hauseigentümer erneuert werden.
Mit ihrer Klage begehrte die Mieterin von ihrem Vermieter als Beklagten die Instandsetzung der Telefonleitung vom Hausanschluss bis zu ihrer Wohnung. Hilfsweise beanspruchte sie die Duldung notwendiger Reparaturarbeiten an der Leitung durch eine von ihr zu beauftragende Fachfirma. Nach einem von ihr eingeholten Kostenvoranschlag fiele hierfür ein Betrag in Höhe von 262,10 € an.
Bisherige Rechtsprechung: Nur Duldungspflicht des Vermieters?
Noch in der Berufungsinstanz blieb die klagende Mieterin mit ihrem Hauptantrag erfolglos: Das Landgericht Oldenburg (Urteil vom 19.12.2017, Az. 1 S 123/17) verurteilte den Vermieter nur zur Duldung von Reparaturarbeiten – die Organisation und Durchführung der Reparaturarbeiten wäre also Sache der Mieterin geblieben.
In der gleichen Weise – Reparatur durch die Mietpartei, Duldung durch die Vermieterpartei – urteilten auch andere Gerichte noch in der jüngeren Vergangenheit:
- Amtsgericht Neukölln, Urteil vom 02.03.2011, Az. 5 C 340/10
- Landgericht Göttingen, Urteil vom 11.12.2013, Az. 5 S 53/12
- Landgericht Berlin, Urteil vom 12.09.2014, , Az. 63 S 151/14
- Landgericht Essen, Urteil vom 21.07.2016, Az. 10 S 43/16
Entscheidung des BGH: Instandhaltungspflicht des Vermieters
Der BGH hob das Berufungsurteil des Landgerichts Oldenburg auf und erteilte der gleichartigen Instanzrechtsprechung eine Absage. Der vorhandene Telefonanschluss in der Mietwohnung sei von der Instandhaltungspflicht des Vermieters nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB mit umfasst – und zwar auch dann, wenn der Mietvertrag zum Telefonanschluss keine ausdrückliche Regelung enthält:
„Der Umfang der Pflicht des Vermieters zur Gebrauchserhaltung richtet sich danach, was die Parteien als vertragsgemäß vereinbart haben. Fehlt es – wie vorliegend bezüglich der Telefonleitung – an einer vertraglichen Vereinbarung, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand im Sinne des § 535 Abs. 1 BGB nach den gesamten Umständen des Mietverhältnisses und den daraus in – gegebenenfalls ergänzender – Auslegung abzuleitenden Standards, insbesondere nach der Mietsache und deren beabsichtigter Nutzung sowie der Verkehrsanschauung unter Beachtung des in § 242 BGB normierten Grundsatzes von Treu und Glauben bestimmt (vgl. Senatsurteil vom 29. April 2015 – VIII ZR 197/14 , BGHZ 205, 177 Rn. 23 ).“
Und weiter:
„Jedenfalls dann, wenn die Wohnung – wie vorliegend – mit einer sichtbaren Telefonanschlussdose ausgestattet ist, umfasst der zumindest im Wege ergänzender Auslegung zu ermittelnde vertragsgemäße Zustand einen (auch funktionsfähigen) Telefonanschluss. Dazu gehört – selbstverständlich – die Möglichkeit des Mieters, diesen Anschluss nach Abschluss eines Vertrages mit einem Telekommunikationsanbieter ohne Weiteres nutzen zu können, das heißt ohne zuerst noch Verkabelungsarbeiten von dem Anschluss in der Wohnung bis zu einem gegebenenfalls – wie hier – im Keller des Mehrfamilienhauses liegenden Hausanschlusspunkt (APL) vornehmen zu müssen.“
Die vom Landgericht Oldenburg als Berufungsgericht und teilweise in der Instanzrechtsprechung vertretene Auffassung, bei einem späteren Defekt des Anschlusskabels eines mitvermieteten Telefonanschlusses treffe den Vermieter nicht die Pflicht zur Reparatur, sondern habe dieser lediglich entsprechende Arbeiten des Mieters zu dulden, sei mit der gesetzlichen Regelung der Gebrauchsgewährungs- und -erhaltungspflicht des Vermieters in § 535 Abs. 1 BGB unvereinbar. Es komme auch nicht darauf an, ob und ggf. welche Ansprüche dem Mieter gegen ein Telekommunikationsunternehmen zustehen.
Und zum Schluss:
„Schließlich ist es auch unerheblich, dass sich die defekte Leitung außerhalb der vermieteten Räumlichkeiten befindet. Denn die Instandhaltungspflicht des Vermieters beschränkt sich nicht nur auf das eigentliche Mietobjekt, sondern erstreckt sich auch auf die nicht ausdrücklich mitvermieteten Hausteile, die, wenn auch nur mittelbar, dem Mietgebrauch unterliegen (vgl. Senatsurteile vom 21. Februar 2018 – VIII ZR 255/16 , NJW-RR 2018, 726 Rn. 20; vom 19. Oktober 1966 – VIII ZR 93/64 , NJW 1967, 154 unter 2 a).“
Auswirkung auf die Praxis im Mietrecht
Eine Wohnung zu vermieten bedeutet nicht, jeden Monat die Miete einzukassieren, die Mietpartei ihrem Schicksal zu überlassen und am Ende die Renovierung der Wohnung zu verlangen. Ein Mietvertrag bedeutet erhebliche Instandhaltungspflichten für die Vermieterpartei, auch dort, wo diese nicht bis ins Detail im Vertrag geregelt sind.
Ist zu Beginn des Mietverhältnisses in der Wohnung eine Festnetzanschluss-Steckdose montiert, muss der Vermieter dafür sorgen, dass die Mietpartei den Telefonanschluss nutzen kann. Für schlaue Ausreden wie „Telefonieren Sie doch mit Ihrem Handy und lassen Sie sich von Ihren Nachbarn das WLAN-Passwort geben!“ ist kein Platz.
Vermieter sollten die Sache auch wirtschaftlich betrachten: Jedenfalls hier waren alleine die Prozesskosten am Ende fast sechsmal so hoch wie die prognostizierten Reparaturkosten. Die Reparaturkosten kamen dann noch dazu.
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